Auch eine Art von Poesie
Prousts Namenzauber
Teil 3 siehe hier …
Entgangen war mir also angesichts des Drucktexts die poetische Qualität der «Suche nach der verlorenen Zeit», mithin die kunstvolle Komposition und Instrumentierung seitenlanger Sätze oder Absätze, und rasch wurde mir nun beim Hinhören klar, dass die wundersame Musikalität des Erzähltexts von der Vielzahl der Orts- und Personennamen herrührt, die Proust in schier endloser und doch genau kalkulierter Reihung vorkommen lässt, will heissen: er lässt sie erklingen.
Ungefähr 700 bis 800 unterschiedliche (reale, erfundene, mythologische) Namen sind in der «Suche» auszumachen, darunter solche, die Hunderte von Malen eingesetzt werden, was insgesamt Tausende von Nennungen ergibt. Auf einer knappen Seite (in Band II der «Suche») finden sich – damit zumindest ein Beispiel zitiert sei – die folgenden Namen: Vinteuil, Combray, Albertine, Balbec, Vinteuil, Montjouvain, Albertine, Albertine, Morel, de Charlus, Balbec, Doncières, Combray, de Charlus, Guermantes, Combray, Gilbert, Morel, Swann.
Die Namen sind dicht über den ganzen Text verteilt und bilden somit ein autonomes Koordinatensystem, das unabhängig von der Darstellungsebene (Handlung, Stoff usf.) eine eigene Bedeutungsebene bildet.
… Fortsetzung hier …
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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