Auch eine Art von Poesie
Prousts Namenzauber
Teil 5 siehe hier …
Marcel Prousts Namengebung ist ein ausgeklügeltes Verfahren an der Textoberfläche der «Suche nach der verlorenen Zeit». Man mag diese Beobachtungen als spitzfindig abtun, doch sie lassen überhaupt erst erkennen, dass er nicht nur ein starker Erzähler, sondern ein gleichermassen starker Dichter gewesen ist. Die vieldeutigen Sprachspiele, die er durch den gezielten Einsatz von Namen aller Art bewerkstelligt, sind Beleg dafür: Erzählkunst und Wortkunst fliessen in der «Suche» ineins. Die unzähligen Orts- und Personennamen bilden ein lautliches Koordinatensystem, das man als symphonisches Klangereignis wahrnehmen, gleichzeitig aber auch als unterschwellige Bedeutungsebene verstehen kann.
Bleibt anzumerken, dass eben diese poetische Qualität des Romans in jeder Übersetzung notwendigerweise verloren geht, da Melodik und Rhythmus nicht von Sprache zu Sprache übertragbar sind. Zweierlei ist daraus zu schliessen –
erstens: Die «Suche» muss, wenn man sie integral erfassen will, gehört oder gleichsam «mit den Ohren» gelesen werden;
zweitens: Wer Proust in Übersetzung liest, hat immer nur den halben Proust gelesen.
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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