Bildwerk und Sprachwerk
Teil 2 siehe hier …
Anlässlich seines Geburtstags hat Gerhard Richter eine Auswahl eigener Interviews aus den Jahren 1993 bis 2014 in einem reich illustrierten Sammelband vorgelegt, der eindrücklich dokumentiert, wie er bei der Arbeit im Atelier oder am Bau praktisch verfährt.1 Eine explizite Kunst- oder Künstlerlehre ist von den spontanen Selbstaussagen nicht herzuleiten, vereinzelte diesbezügliche Ansatzpunkte gibt es aber durchaus.
Weniger mit Bildkunst als mit dem Bildsehen allgemein hat Richters mehrfaches Beharren darauf zu tun, dass gegenständliche und ungegenständliche Malerei gleichermassen als «Darstellung» wahrgenommen werden, die gegenständliche als Repräsentation ausserkünstlerischer Realien, die ungegenständliche als das, was der Betrachter durch Projektion figurativ «hineinsieht» beziehungsweise als etwas Reales imaginiert.
«Das sind Eigenschaften, die ich sehr mag», stellt Richter mit Blick auf seine eigenen ungegenständlichen Bildwerke fest: «Dass man immer etwas hineinsehen kann. Davon leben die abstrakten Bilder. Man will ja immer etwas verstehen!» Mit dieser einfachen Überlegung (die ja auch eine altbekannte wahrnehmungspsychologische Tatsache ist) eliminiert er den vermeintlichen Gegensatz zwischen Abstraktion und Darstellung zu Gunsten einer integralen Bildanschauung. Und umgekehrt kann der Künstler für sich beanspruchen, dass all seine Werke, auch die «abstrakten», auf «Mitteilung» angelegt seien: «Ja. Wir wollen immer etwas mitteilen – und wenn es unsere Zweifel sind oder unser Elend. Es muss alles raus.»
… Fortsetzung hier …
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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