Bildwerk und Sprachwerk
Teil 3 siehe hier …
«Es muss alles raus!» Das ist keine sonderlich attraktive Devise. Gerhard Richter scheint sich damit dem heute gängigen Kunstverständnis anzuschliessen, wonach private («unsere») Befindlichkeiten die Werkentstehung wesentlich mitbestimmen und im Werk selbst auch aufgehoben sein sollten. Dass aber die pauschale Aussage so nicht gemeint sein kann, ist durch Richters eigene Arbeit hinreichend belegt.
Wenn «alles raus» muss, heisst das bei ihm ja keineswegs, dass es tel quel dargestellt, «mitgeteilt», nachvollziehbar, verständlich gemacht werden soll. Persönliche «Zweifel», persönliches oder gesellschaftliches «Elend» sind nicht Stoff, sondern Motiv, Impuls seiner Bildkunst, die sich durch vielerlei Transformationen vom üblichen Darstellungsgeschäft abhebt – durch Techniken wie Übermalung, Verwischung, Spiegelung, Variation, Serialisierung.
Bestimmend für Richters bildnerische Arbeit sind nach seinem eigenen Bekunden das jeweils vorliegende Werkmaterial und das Instrumentarium für dessen Ausgestaltung. Dazu gehören einerseits Dinge wie Ansichtskarten, Zeitungsausschnitte, Kunstreproduktionen, Farbkataloge, andrerseits Pinsel, Stifte, Spachtel, Kameras, Kopiergeräte, dazu Papiere aller Art, Leinwände, Holz, Glas. Aus dem Zusammenwirken dieser Komponenten entsteht das Werk, und tatsächlich begreift Richter seine künstlerischen Hervorbringungen eher als «Gabe», als etwas, das ihm «geschenkt» wird, denn als Arbeitsprodukt – es «ergibt» sich aus einer jedes Mal einzigartigen Mischung von bewussten und unbewussten, gewollten (beziehungsweise gelenkten) und zufälligen Vorgängen: Man brauche «nur die Farben auf den Boden zu schmeissen, das geht auch, das geht alles», «wie beim Boule spielen», «werfen, neue Situationen schaffen»; aber es müsse dann eben doch «passen», also angepasst werden.
… Fortsetzung hier …
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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