Bildwerk und Sprachwerk
Teil 4 siehe hier …
Damit vergibt Gerhard Richter einen Grossteil seiner Werkherrschaft gewissermassen an seine «Muse», will heissen: an eine «Inspirationsquelle», die sich seiner Kontrolle und Lenkung entzieht. «Wenngleich die ganze Sache ziemlich professionell erscheinen mag – sie ist es nicht, denn sie ist nicht geplant oder kontrolliert: Es passiert einfach.» Oder (um es mit Daniel Buren zu sagen): «It paints!» Und damit ist noch einmal anders kundgetan, dass die Entstehung von Kunst ein simultaner Prozess von Machen und Zulassen ist, bei dem man nur «warten» kann, «bis es kommt» und bis es «fertig ist». Die «Möglichkeit» wird dadurch zu einem wesentlichen Schaffensfaktor, «dann kann plötzlich das Ding auftauchen, nach dem ich nicht gesucht habe». In seinen Interviews liefert Richter mancherlei diesbezügliche Beispiele aus seiner Arbeitspraxis; er fühlt sich darin «aufgehoben», freut sich darüber: «Man muss nicht viel denken.»
Ohne viel zu denken, entlässt der Künstler sein Werk – auf den Markt, ins Museum, in die Öffentlichkeit – und stellt fest, dass und wie es sich dadurch verändert, ja, dass es gar «plötzlich etwas ganz anderes wird, etwas, das ich ja nie beabsichtigt hatte – es ist mir sozusagen entlaufen und etwas geworden, für das ich ja gar nicht mehr kompetent bin.» Bemerkenswerte Selbstentmächtigung (oder einfach nur Demut?) eines epochalen Meisters, der das Lernen nie verlernt hat.
… Fortsetzung hier …
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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