Bitte um Gewogenheit
Teil 1 siehe hier …
Jedoch bleiben ein paar Fragen und Probleme formaler Art. Insgesamt ist das Gedicht in dieser Hinsicht ziemlich anspruchslos – es begnügt sich mit kurzen freien Versen, enthält lediglich einen beiläufigen Endreim (betört::gehört), einen Stabreim (Glocke::Glück) und eine schwache Assonanz (Samt:Atem).
Um so auffälliger wirkt die Wortneubildung «Moosatem», die hier in einer akustischen Reihe mit «Stimme» und «Glocke» steht und als Metapher den «Fremdling» vergegenwärtigen soll. Doch gleichzeitig wird «Moosatem» optisch mit «grünem Samt» assoziiert, der nun aber das Moos meint, auf dem das lyrische Ich «ruht», und der überdies mit einer «Glocke des Glücks» verglichen wird.
Wie soll, wie kann das alles zusammenpassen? Ist die inkohärente Metaphernreihe als poetische Lizenz zu rechtfertigen oder als Fehlkonstruktion zu bemängeln? «Sei mir gewogen» – mit diesen ersten Worten wird der vorab schon geliebte «Fremdling» begrüsst. Doch eigentlich müsste es umgekehrt sein und entsprechend auch gegenläufig formuliert werden: «Ich bin dir gewogen | Fremdling | ich liebe dich | den ich nicht kenne … « – Denn weshalb schon sollte ein Fremdling demjenigen «gewogen» sein, der ihn liebend empfängt?
… Fortsetzung hier …
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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