Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Dichtung als Schwarzkunst (Teil 8)

Dichtung als Schwarzkunst

Teil 7 siehe hier

Schwarz für Schrift und Weiss als Schriftgrund – die diesbezügliche Metaphorik bietet einen bedeutsamen, aber doch nur marginalen Teilaspekt für den Einsatz der Nichtfarben Schwarz und Weiss in der Dichtung. Auch in erweitertem Sinnzusammenhang fällt generell auf, dass Schwarz mehrheitlich in Bezug auf Weiss und – umgekehrt – Weiss in Bezug auf Schwarz herausgestellt wird. Die Vermischung von beiden zu Grau wie auch die Gleichsetzung beider (z.B. als Leere, als Horror, als Abgrund) sind spezielle Ausprägungen davon.
Dass Schwarz und Weiss auf metaphorischer Ebene keineswegs prinzipiell als Gegensätze zu gelten haben, ist durch das Wort «schwarzweiss» bestätigt, das gleichermassen den Unterschied und die Zusammengehörigkeit von Schwarz und Weiss festhält, dies etwa in Bezug auf schwarzweisse Photo- oder Filmbilder, auf das Nebeneinander von Schwarz und Weiss beim Zebra, bei der Elster (naturgemäss) oder beim Schachbrett (systemisch). Die Relativität des Gegensatzes zeigt sich im Übrigen beispielhaft darin, dass Leere, Nichts, Tod je nach kulturellem Kontext bald mit der Farbe Schwarz, bald mit Weiss assoziiert werden. Mönchs- und Nonnengewänder können, abhängig von Ordensregeln, schwarz oder weiss sein.
Das Eigenschaftswort «schwarz» steht keineswegs nur für die Farbe Schwarz, es bezeichnet konventionellerweise auch – zeichenhaft, symbolisch – so unterschiedliche Phänomene wie Schatten, Abgrund, Nacht beziehungsweise Anarchie, Apokalypse, Hass, Angst, Trauer, Vergessen. Die Ambivalenzen kommen in so unterschiedlichen Begriffen wie «Schwarzfahrer», «Schwarzseher», «Schwarzmalerei», «schwarze Gedanken» zum Ausdruck.

… Fortsetzung hier

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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