Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Kehraus mit Celan (Teil 2)

Kehraus mit Celan
Eine revisionistische Lektüre

Teil 1 siehe hier

Jegliche Art von Hermetismus weckt Neugier, provoziert die Lust am Entziffern, kann zu interpretativem Wahn oder Furor führen. Wie Rainer Maria Rilke und Franz Kafka ist auch Paul Celan zum Gegenstand nicht enden wollender Auslegung geworden – die einschlägige Sekundärliteratur übertrifft sein Werk umfangmässig um ein Vielfaches, und mehr als dies, sie umgibt es mit einer Aura der Abgehobenheit und Unantastbarkeit: Es ist, als betreibe ein internationales Syndikat von Schriftgelehrten konsequent die Sakralisierung des Autors und seiner Texte.
Jedes Wort, jeder Buchstabe, jedes Interpunktionszeichen, aber auch jede dokumentierte Lebensregung Celans kann Anlass zu ingeniöser Exegese werden, derweil kritische Annäherungen und Vorbehalte seltenste Ausnahme bleiben. Eben dies ist der Grund dafür, dass Celan schon zu Lebzeiten höchst erfolgreich war und nach seinem Tod sehr rasch in den Kanon aufgenommen wurde. Nicht in erster Linie die Qualität seiner Texte, vielmehr die Quantität der Kommentare war die Grundlage dafür: Der Nachruhm ist ein Produkt der Nachrede; die permanente (permanent positive) Besprechung des Werks sichert dessen bleibende Präsenz weit eher als das Werk an sich.

… Fortsetzung hier

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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