Leben und Werk
Schreiben als Überlebensstrategie?
Abgebrannte Bibliotheken und sonstwie vernichtete Bücher sind über Jahrhunderte hin namhaft zu machen als gewollte oder ungewollte «Bibliozide»: Vernichtung schriftlicher Kulturprodukte. Der Vergänglichkeit und offenkundigen Zerstörbarkeit solcher Produkte steht seit jeher der hochgemute Glaube an deren wie immer geartetes «Fortleben» als Zeugnisse menschlichen «Schöpfertums» entgegen.
Noch im 20. Jahrhundert, als unliebsame Texte durch stalinistische und nationalsozialistische Säuberungsaktionen millionenfach entsorgt wurden, gab es namhafte Stimmen, die der «Unsterblichkeit» künstlerischer Literatur das Wort redeten – nichts könne deren Wirkkraft einschränken oder gar verhindern: Literatur als «ewiger Vorrat», als «ewige Quelle» – doch wovon und wofür? Das «alte Wahre» und das gleichbleibend Schöne fanden sich im Kanon festgeschrieben.
Solche Zuversicht vermittelt beispielhaft die sprichwörtlich gewordene Sentenz, die Michail Bulgakow in seinem Roman «Der Meister und Margarita» (1929-1940) dem wohlmeinenden Teufel Voland in den Mund legt: «Manuskripte brennen nicht!» Dass Manuskripte, nicht anders als gedruckte Bücher, sehr wohl brennen, ist nicht nur durch beliebig viele Autodafés belegt, es ist auch eine schlichte physikalische Tatsache. Wenn der Teufel diese Tatsache in Abrede stellt, verweist er implizit darauf, dass Texte nicht unbedingt auf materielle Träger (Papier, Buch) angewiesen sind, da sie ja auch «im Kopf» konzipiert, transportiert und aufbewahrt werden können, so lange zumindest, als es Menschen gibt, die ihren Kopf dafür hochhalten. Erst dann könnten demnach literarische (wie auch andere) Schriftwerke als «verbrannt» und damit definitiv als vernichtet gelten, wenn sie vergessen sind.
… Fortsetzung hier …
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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