Leichtes Deutsch
Aus einem Leserbrief: «Dieser Fall kennen nur die, wo dabei warn.» Aus einer behördlichen Verlautbarung: «Den Eingabetermin ist strikt einzuhalten.» Ein Juror bei den Klagenfurter Literaturtagen: «Ich finde das ein wahnsinnig toller Text.» Und so fort – das weithin geforderte «leichte» Deutsch braucht kaum noch gefördert zu werden. Gedacht war es ursprünglich als Behelf für Legastheniker oder fremdsprachige Zuzüger, auch Schulen und Ämter sollten von der neuen Einfachheit profitieren können: Keine Fachausdrücke, möglichst wenig Adjektive und Metaphern, möglichst ohne Konjunktivformen und Nebensätze. Verständlichkeit auf elementarem Niveau hat Priorität, Anspielungen und Ironie sind deshalb zu vermeiden, Verallgemeinerung kommt vor Differenzierung, subjektiver Sprachgebrauch hat Vorrang vor korrekter Orthographie und Grammatik. Die Toleranz für solche «Leichtigkeit» (oder eher doch: Leichtfertigkeit) nimmt merklich zu, das Leichte verfestigt sich zur Norm, zumindest zur Normalität.
Auch Literatur tendiert – nach der Publizistik – offenkundig zu einem immer «leichteren» Deutsch, zu vereinfachter Ausdrucksweise, die nicht allein das Verständnis erleichtert, sondern auch die Verwertung der Texte, die Übersetzung und sonstige Adaptationen. Das schon länger als Fremdsprache propagierte «leichte» Englisch scheint diesen Trend zu verstärken.
… Fortsetzung hier …
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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