Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Poesie der Aufzählung (Teil 5)

Poesie der Aufzählung
Anmerkungen zu Inger Christensens «alfabet»

Teil 4 siehe hier

Gegenstand der rasant expandierenden Textfolge sind Dinge, Fakten, Phänomene, auch chemische oder physikalische Prozesse, vorzugsweise aber Pflanzen und Tiere, die «es gibt», genauer: die es noch gibt, die also der fortschreitenden Vernichtung und dem Diversitätsschwund vorerst entgangen sind: «die Tauben gibt es; die träumer, die puppen, | die töter gibt es; die tauben, die tauben; | dunst, dioxin und die tage; die tage | gibt es; die tage den tod; und die gedichte | gibt es; die gedichte, die tage, den tod». Die litaneiartige Aufzählung des Gegebenen evoziert stets auch die Gefahr seines Verschwindens und gleichermassen die Gefahr seines katastrophischen Überhandnehmens:

die atombombe gibt es

Hiroshima, Nagasaki
verletzte in Hiroshima

Hiroshima am 6.
august 1945

Nagasaki am 9.
august 1945

140’000 tote und
verletzte in Hiroshima

ca. 60’000 tote und
verletzte in Nagasaki

zahlen die stillstehn
irgendwo in einem fernen
gewöhnlichen Sommer

seitdem sind die verletzten
gestorben, erst viele, die
meisten, dann weniger, aber

alle; zuletzt
die kinder der verletzten,
totgeboren, sterbend,

viele, ständig
einige, schliesslich die
letzten …

… Fortsetzung hier

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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