Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Poesie und Poetik des Namens (Teil 13)

Poesie und Poetik des Namens
Beispiele, Analysen, Kommentare

Teil 12 siehe hier

Das Gedenken an den brüderlichen russischen «Feme-Poeten» Ossip Mandelstam bekräftigt Paul Celan in «Die Niemandsrose» durch vielerlei punktuelle Verweise auf russische Realien: auf Skythisches, Kyrillisches, Karelisches, auf Petropolis, Sibirien, Exil, die Oka, die Schwarzerde, aber auch in Form von direkten und indirekten Anspielungen auf Mandelstams Dichtwerke.
Celans Notizen und Entwürfe zu «Die Niemandsrose» lassen erkennen, wie eingehend und umsichtig er sich damals mit russischer Poesie befasst hat, ja, er ging so weit, sich selbst als russischer Dichter zu gerieren: Pawel Lwowitsch Tselan, Russkij poët in partibus nemetskich infidelium, heisst – «Paul Celan, Sohn des Leo, Russischer Poet in deutschen Gebieten der Ungläubigen». Die Bruderschaft mit dem Dichterkollegen wird hier fast schon in ein verwandtschaftliches Verhältnis gebracht; expliziter Beleg dafür ist ein gleichzeitig entstandenes, Fragment gebliebenes Gedicht aus Celans Nachlass an «Bruder Ossip»:

Es spielt der Schmerz mit Worten
er spielt sich Namen zu
er sucht die Niemandsorte,
und da, da wartest du.
Du bist der Russenjude,
der Judenrusse und …

Diese Bruderschaft überblendet Celan in einer «Gauner- und Ganovenweise, gesungen zu Paris emprès Pontoise» (1961, Erstdruck 1963) mit einer andern, weit zurückreichenden Bruderschaft, nämlich der mit dem altfranzösischen Dichter François Villon.

… Fortsetzung am 2.3.2025 …

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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