Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Poesie und Poetik des Namens (Teil 16)

Poesie und Poetik des Namens
Beispiele, Analysen, Kommentare

Teil 15 siehe hier

Verschiedentlich bringt Celan den «Namen» mit dem Atem oder mit der Hand in Verbindung, bestätigt also dessen Lebendigkeit und assoziiert ihn mit dem physischen Händedruck – die partielle lautliche Übereinstimmung von «Hand» und «Mand…» bringt er in den Gedichten der «Niemandsrose» mehrfach zur Geltung, sicherlich im Bewusstsein, dass «Mand…» wie «Hand» gegenläufig auch in «nieMAND» mitklingt.
«Es ist alles anders, als du es dir denkst, als ich es mir denke …»  – unter diesem Titelvers adressiert Celan in direkter Anrede den verstorbenen Ossip Mandelstam und bekräftigt die funktionale Übereinstimmung des Namens mit der Hand, die im Händedruck zum «Unterpfand» werden kann:

                                   …

Die Silbermünze auf deiner Zunge schmilzt,
sie schmeckt nach Morgen, nach Immer, ein Weg
nach Rußland steigt dir ins Herz,
die karelische Birke
hat
gewartet,
der Name Ossip kommt auf dich zu, du erzählst ihm,
was er schon weiß, er nimmt es, er nimmt es dir ab, mit Händen,
du löst ihm den Arm von der Schulter, den rechten, den linken,
du heftest die deinen an ihre Stelle, mit Händen, mit Fingern, mit Linien,
– was abriß, wächst wieder zusammen –
da hast du sie, da nimm sie dir, da hast du alle beide,
den Namen, den Namen, die Hand, die Hand,
da nimm sie dir zum Unterpfand,
er nimmt auch das, und du hast
wieder, was dein ist, was sein war

                                   …

… Fortsetzung am 5.3.2025 …

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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