Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Poesie und Poetik des Namens (Teil 18)

Poesie und Poetik des Namens
Beispiele, Analysen, Kommentare

Teil 17 siehe hier

Zu den meistzitierten und meistrezitierten Namensgedichten der deutschen Moderne gehört Hans Arps Prosagedicht «weh unser guter kaspar ist tot», entstanden zwischen 1912 und 1919, danach mehrfach nachgedruckt unter wechselnden Titeln und in unterschiedlicher Textgestalt; hier die titellose Fassung von 1920 (aus «Der Vogel selbdritt»):

weh unser guter kaspar ist tot
wer trägt nun die brennende fahne im zopf wer dreht die kaffeemühle
wer lockt das idyllische reh
auf dem meer verwirrte er die schiffe mit dem wörtchen parapluie und
die winde nannte er bienenvater
weh weh weh unser guter kaspar ist tot heiliger bimbam kaspar ist tot
die heufische klappern in den glocken wenn man seinen vornamen aus-
spricht darum seufze ich weiter kaspar kaspar kaspar
warum bist du ein stern geworden oder eine kette aus wasser an einem
heißen wirbelwind oder ein euter aus schwarzem licht oder ein durch-
sichtiger ziegel an der stöhnenden trommel des felsigen wesens
jetzt vertrocknen unsere scheitel und sohlen und die feen liegen halbver-
kohlt auf den scheiterhaufen jetzt donnert hinter der sonne die schwarze
kegelbahn und keiner zieht mehr die kompasse und die räder der schieb-
karren auf
wer ißt nun mit der ratte am einsamen tisch wer verjagt den teufel wenn
er die pferde verführen will wer erklärt uns die monogramme in den
sternen
seine büste wird die kamine aller wahrhaft edlen menschen zieren doch
das ist kein trost und schnupftabak für einen totenkopf

Kaspar ist ein männlicher Vorname, der – seltener – auch als Familienname verwendet wird, vorzugsweise in der deutschsprachigen Schweiz, wo Hans Arp bei der ersten Niederschrift des Gedichts ansässig war und wo er sich später, während des Weltkriegs, als Dadaist in Zürich engagierte. Der Name hat keinen Glanz, schon gar keinen Zauber, die einzige valable Assoziation erstellt den Bezug zu einem der drei Könige von Bethlehem, Kaspar (oder Caspar), der im Neuen Testament als Afrikaner ausgewiesen wird. Doch den kann Arp in seinem Abgesang nicht gemeint haben.

… Fortsetzung am 7.3.2025 …

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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