Poesie und Poetik des Namens
Beispiele, Analysen, Kommentare
Teil 21 siehe hier …
Mit „ottos mops” (1963, Erstdruck 1970) hat Ernst Jandl vor einem halben Jahrhundert ein Namensgedicht vorgelegt, das inzwischen mehrfach kanonisiert ist – als Lautgedicht, als Kindergedicht, als Unsinnsgedicht. Otto ist hier nicht der Adressat, er figuriert lediglich als Besitzer und Gesprächspartner seines Mopses. Doch der Name als solcher – Otto ist (wie Anna) ein Palindrom, liest sich also hin und zurück gleich – bildet auch die formale Vorgabe für den Bau des Gedichts: Jeder Vers beginnt mit «otto» (zweisilbig) und enthält im übrigen lauter einsilbige Wörter (Substantive, Verben, Adverbien) mit «o» als einzigem Vokal:
ottos mops
ottos mops trotzt
otto: fort mops fort
ottos mops hopst fort
otto: soso
otto holt koks
otto holt obst
otto horcht
otto: mops mops
otto hofft
ottos mops klopft
otto: komm mops komm
ottos mops kommt
ottos mops kotzt
otto: ogottogott
Mit minimalem Wortaufwand und mit maximaler formaler Strenge bewerkstelligt Jandl hier ein sprachliches Experiment, entfaltet einen fulminanten Sprechtext und erzählt auch noch, zumindest der Spur nach, eine Geschichte, die gleichermassen banal und anrührend ist. Als Widmungsgedicht kann dieser Text nicht gelten, Otto kann für jedermann stehen, aber ebenso gut für niemanden, und zwar dann, wenn «otto» lediglich als Wort und Lautgestalt aufgefasst wird. Die Wahl zwischen «Otto» und «otto» stellt Jandl dem Leser und auch der Leserin anheim.
… Fortsetzung am 11.3.2025 …
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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