Poesie und Poetik des Namens
Beispiele, Analysen, Kommentare
Teil 23 siehe hier …
Und noch ein derartiger fiktiver Eigenname: „Lolita, Licht meines Lebens, Feuer meiner Lenden. Meine Sünde, meine Seele. Lo-li-ta: Die Zungenspitze macht drei Sprünge den Gaumen hinab und tippt bei Drei gegen die Zähne. Lo. Li. Ta.“ Mit diesen Sätzen – man könnte sie auch als Verse bezeichnen – eröffnet Vladimir Nabokov seinen Roman «Lolita» (1955), den er selbst als eine Art „Liebeserklärung“ an die englische Sprache ausgewiesen hat: Lolita, light of my life, fire of my loins. My sin, my soul. Lo-li-ta … Die emphatische Huldigung an die nymphenhafte Lolita, das pubertäre Objekt männlichen Begehrens, ist zu einem der bekanntesten, auch meistzitierten Romananfänge der neueren Weltliteratur geworden.
Nabokov huldigt hier nicht nur seiner verführerischen Protagonistin, er feiert gleichzeitig auch ihren Namen, einen Kunstnamen ohne Tradition und ohne implizite Bedeutung, ein Wort, gefügt aus drei Konsonanten und drei Vokalen – Vorgabe für einen lustvollen Sprechakt: Lolita. Lo-li-ta. Lo. Li. Ta. Das mehrfach anlautende «L» erbringt die Assoziation von Lolita mit Licht, Leben, Lenden und bekräftigt damit vorab in knappster Form die existentielle Bedeutung, die Lolita für den Ich-Erzähler gewinnen wird.
Mit einem Gedicht aus dem Band «Tagesform» (2007) knüpft Felix Philipp Ingold an Nabokovs «Lolita» an, Bezug nehmend sowohl auf die Romanfigur wie auch auf deren Namen:
Lolita
loht als tolles Lied in vielen Armen
und verglüht – der Name
sagt’s – so blond und so kühl wie die Wüste.
Wird sie auf dem Karawanenpfad
erwachsen. Wachsen
also Beinen Wünsche. Läuft das Nymphchen
Gefahr im Alphabet der musischeren
Schwestern. Gestern
noch Schwarm und bereit
reitet sie jetzt das normale Gespann.
Und dann.
Und dann die
Fortsetzung die nie wie immer folgt.
… Fortsetzung am 13.3.2025 …
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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