Vermischt oder geordnet?
Ein herausgeberisches Dilemma
Teil 4 siehe hier …
Novalis war nicht darauf aus, die Konkurrenz zu befrieden, er wollte sie austragen, wollte sie in bald diskursiver, bald lyrischer Schreibweise adäquat ausformulieren, um sie so zu «verschwistern», gelangte dabei jedoch nicht über fragmentarische Notate hinaus. Aber möglicherweise kam er gerade von daher zum Schluss, dass das Fragment als solches die optimale, vielleicht überhaupt die einzige Sprachform sei, die eben diesem fundamentalen Konflikt entsprechen könnte: «Wenn der Philosoph nur alles ordnet, alles stellt, so löst der Dichter alle Bande auf. Seine Worte sind nicht allgemeine Zeichen [wie die wissenschaftlichen Begriffe]. Er bedarf oft wiederkehrender, durch den Gebrauch ausgespielter Worte. Seine Welt ist einfach, wie sein Instrument – aber ebenso unerschöpflich an Melodien.» Fazit: «Poesie ist ein Teil der philosophischen Technik.»
Bleibt die Frage: Soll und kann das von Novalis hinterlassene fragmentarische Rohmaterial durch enzyklopädische Begradigung unter dem Diktat des Alphabets tatsächlich ein besseres Verständnis dafür bewirken? Man darf daran zweifeln. Die einzig authentische, unmittelbar auf den Autor zurückgehende «Ordnung» des Textmaterials ist durch seine Entstehung vorgegeben – die Chronologie. Soviel «Ordnung» sollte eigentlich genügen.
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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