Was ist ein gutes Gedicht?!
Teil 2 siehe hier …
Die hohe Zeit der Nachkriegsdichtung (mit Kaschnitz, Krolow, Eich, Bachmann, Celan) war auch eine hohe Zeit der Dichtungstheorie. Das «gute» Gedicht wurde im Gegenzug zur Dienstlyrik des Nationalsozialismus und des späten Stalinismus vorab anhand formaler Kriterien eruiert, und nicht aufgrund thematischer oder ideologischer Ausrichtung. Die Autoren selbst bemühten sich um eine erneuerte formalistische Poetik, allen voran Max Bense, Helmut Heissenbüttel und Dieter Wellershoff, in Österreich die Grazer Avantgarde – sie traten an unter der gemeinsamen Devise «die Sprache ist Hauptfigur» und wurden sekundiert von kundigen Kritikern, die das «Gute» am Gedicht in dessen Sprachstruktur zu erkennen glaubten, in der «Poesie der Grammatik», im Wortspiel, in Regelbrüchen usf.
«Das alte Gebot der Dichtung, künstlerische Evidenz zu haben», sei «zurückgenommen aus den Bildern und Ideen in die sinnentzogenen Sprach- und Spannungskurven», erklärte 1956 Hugo Friedrich in seiner nachmals vielzitierten Abhandlung zur «Struktur der modernen Lyrik»: «Denn die Sprache wird da gehandhabt wie eine Tastatur, bei der nicht vorauszusehen ist, welche Klänge und Bedeutungen sie hervorbringt.» Und er schloss mit zuversichtlicher Gewissheit: «Auch wenn sie am dunklen, beliebig deutbaren Material erscheinen, können sie zwingend wirken; tun sie es, dann ist das Gedicht gut.»
… Fortsetzung hier …
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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