Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Zum Ende schreiben (Teil 1)

Zum Ende schreiben

 

Wo von Ilse Aichinger die Rede ist und wenn über sie noch geschrieben wird, steht ihre frühe Biographie im Vordergrund, von der ihr Leben und ihre Schreibarbeit bis zuletzt geprägt geblieben sind: Aufgewachsen mit jüdischem Familienhintergrund in Linz und Wien, Grundschule, Klosterschule; nach dem Anschluss Österreichs ständige Gefährdung und Behinderung durch die Geheime Staatspolizei, Studienverbot; während des Kriegs Dienstverpflichtung, Überwachung, gesellschaftliche Isolation; Verlust mehrerer Familienmitglieder durch Deportation und Ermordung.
Nach Kriegsende arbeitete Ilse Aichinger diese kaum zu bewältigenden Geschehnisse im Roman «Die grössere Hoffnung» (1948) auf und entschied sich definitiv für die sogenannte «schöne» Literatur als prekären Beruf, um mit «schlechten», also schlichten Wörtern immer wieder das angeblich Unsagbare wie auch das vorsätzlich Ungesagte zu vergegenwärtigen.
Mit vielen Erzählungen, Hörstücken und Gedichten hat sie dieses Projekt in der Folge vorangebracht, mehrfach unterbrochen durch langjährige Latenzzeiten, doch stets gestützt durch das Wohlwollen der Kritik und mancher Preisgerichte – eine Autorin, die ihre frühe Erfahrung von Krieg und Staatsterror Zeit ihres Lebens wachhielt (oder davon qualvoll wachgehalten wurde), so dass man sie und ihr Werk fast ausschliesslich mit dieser Thematik assoziierte, dabei aber ihren diskreten Humor, ihre absurde Imagination, ihren bald liebevollen, bald aggressiven Lakonismus ebenso verkannte wie ihr vielseitiges Interesse an jenem faszinierenden Gott, der sich gemeinhin in unscheinbarsten Dingen und flüchtigsten Momenten offenbart.

… Fortsetzung hier

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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