Infantilia (IX)

„Hörspiel“ in der Schule – auf der Bühne (in der Aula) ein Tisch, darüber ein bis zum Boden reichendes Tuch, darauf ein Radioempfänger (klobiges Gehäuse, grobes Textil übern Lautsprecher gespannt, das grüne Auge leuchtend), unterm Tisch versteckt drei, vier mitspielende Kameraden, ich als Einziger bin oben, um am Gerät herumzudrehn – von Station zu Station, und jedesmal sagt einer unterm Tisch hervor ein paar Sätze, bricht jäh ab, ein anderer knüpft unmittelbar mit einem völlig andern Text an usw. – die Sätze aus den Bereichen Sport, Wetter, Nachrichten, Interview usw. sind so zusammengeschnitten, dass sich daraus ein witzig sein sollender cadavre exquis ergibt.
Diese frühe, wenn auch noch so unbedarfte Theatererfahrung ist für mich sehr viel später zum Vorbild und zur Anregung geworden für die Technik des Textverschnitts und der literarischen Montage von unzusammengehörigen Versatzstücken.

 

aus Felix Philipp Ingold: Endnoten
Versprengte Lebens- und Lesespäne

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