Nicht enden wollende Nacht fast ohne Schlaf; phasenweise ärgerliche Träume (Esoterikseminar, Bergrennen, militärische Musterung usf.); lese zum Morgen hin von Wittgenstein die sog. geheimen Tagebücher aus der Zeit des 1. Weltkriegs, ohne zu erkennen, weshalb diese peinlichen und nichtssagenden Aufzeichnungen «geheim» gewesen sein sollten; aufsässiger Gottgedanke, täglich das Arbeitspensum verzeichnet – nichts gearbeitet, fast nichts getan, wenig gearbeitet, ziemlich viel gearbeitet usf., doch ohne jeden Hinweis auf den Gegenstand der Arbeit; Briefe aus selbiger Zeit weisen W. als einen leicht irritierbaren, unzuverlässigen, auch undankbaren Zeitgenossen aus; keine Spur von Genialität noch Charme. Was mich zumindest ein wenig erleichtert angesichts der Banalität dessen, was ich in meinen eignen Tagebüchern vorfinde.
aus: Felix Philipp Ingold: Gegengabe
zusammengetragen aus kritischen, poetischen und privaten Feldern
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