KATZE, BÖGEN, BALTHUS
für Felix Philipp Ingold
I
Eine Hand hebt, husch, den Vorhang und
verschwindet wieder. Der Spalt, von Falten
überspült, gibt kurz den Blick frei fürs Kund-
schafteraug, das unterm Brauenbogen alten
Lüsten frönt – bis die Pupille bricht, zerstiebt
im Wimpernwald. So sinkst du hin,
und auch der Ort versinkt, an dem dir liegt –
du fällst und fällst, Heubühne kippt,
knallst aufs Parkett … Glut im Kamin …
Im Sessel sitzt ein junges Ding,
die Beine hochgezogen, Knie zu Kinn,
im Faltenbogen sieht man den Beginn
der Ohren, angeschmiegt ans Fell … Und sie,
den Spiegel in der Hand, sieht ihren eignen Blick,
die Wimpern, sieht den Kater, blau wie nie,
in dessen Augen jetzt das Feuer blitzt.
II
Die Katze kreischt wie im Kamin das Scheit. Das Scheit
kreischt im Kamin, als wär’s ein Kater. Sind
Metaphern gleich Arkaden – umkehrbar? Im Streit
zwei Schwerter, die sich kreuzen: wer gewinnt? –
und…oder ein Computer neben Leonardos Werken…
Aufgabe: bei Sturmwarnung dafür zu sorgen,
dass die Bögen ihren Widerstand verstärken,
statt dem Druck zu weichen … Mach’s mit Worten
und vergleiche: überm Brustansatz der Liebsten
hängt die grösste Perle immer in der Mitte …
Auch das Gewölbe lässt sich dort nur schliessen,
wo im Schlussstein alle Bögen ineinanderschiessen.
III
Sage ich «ja-ja», dann
fall mir ins Wort. Denn
sagen wollte ich: «nein-nein».
Der Blick rutscht vom Kragen
an Falten hinunter, an Borden
und gleitet ins Grübchen – hinein!
Dem Aug ist’s verziehen. Es sieht
über sich, gewölbt, eine Kuppe
und vor sich, gerümpft, den Strumpf
unterm Knie … Die Katze blinzelt müd,
der Schlaf in ihr krümmt sich als Puppe,
als blauer Bogen spannt er ihren Rumpf.
aaaaaaaaaa(1996; aus dem Russischen)
aus: Felix Philipp Ingold: Gegengabe
zusammengetragen aus kritischen, poetischen und privaten Feldern
Schreibe einen Kommentar