Überleben: das kann eine Atemwende bedeuten, ein Dazwischen. Wer weiß, vielleicht nimmt das Leben seinen Gang um einer solchen – einmaligen – Wende willen?
Vielleicht gelingt es – gelingt es mir? – gerade hier, das Fremde vom Fremden zu scheiden; vielleicht schrumpft Haupt gerade hier und macht sich selbst zunichte, vielleicht versagen hier die Redner – für diesen einen kurzen Augenblick?
(»Vielleicht wird hier, mit dem Ich – mit dem hier und solcherart freigesetzten befremdeten Ich, – vielleicht wird hier noch ein Anderes frei?«)
Das Leben erweitern? – Nein.
Sondern mit dem Leben in die Enge gehn; vergehn, bis du »ich« – geworden – bist: »Und setze dich frei.«
(»Die Kunst, also auch das Medusenhaupt, der Mechanismus, die Automaten, das unheimliche und so schwer zu unterscheidende, letzten Endes vielleicht doch nur eine Fremde – die Kunst lebt fort.«)
Bei Celan hat die Kunst für das Leben einzustehn, und nicht – wie bei so manchen minderen Autoren – das Leben für die Kunst; wo die Kunst endet, tritt der Tod ein: das Verstummen wird zum Schweigen.
(Denn was bedeutet schon der Satz: Ich sterbe, wenn nicht die Geschwätzigkeit des Überlebenden?!)
… ist das bißchen »Leben«, das ich auf meiner Seite habe, immer schon vorbei; Vergangenheit.
Auch an den Tod kann ich mich bloß erinnern; weit besser freilich als an alles, was »ich« war.
Von Baudelaire ist – außerhalb der Legende – überliefert, daß ihm der nahende Tod die Sprache (wenn auch nicht die Stimme) verschlagen habe.
»Crénom! Crénom …«, soll er, sterbend, unentwegt geschrien haben ohne für sich – für’s Ich – etwas anderes als den »heiligen« oder den »verfluchten« Namen zu finden.
Soweit war er sich selbst schon abhanden gekommen, daß er nicht mehr ich sagen, sondern nur noch, lallend, über sich hinwegsteigen konnte.
aus: Felix Philipp Ingold: Haupts Werk Das Leben
Ein Koordinatenbuch vom vorläufig letzten bis zum ersten Kapitel.
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