(unter uns: ein Dreiecksverhältnis!)
Es waren einmal drei Autoren – ich, du, er. Nun ist es aber so, daß ich lediglich in einer Geschichte von dir vorkam, während du wiederum nur in einer Geschichte von ihm vorkamst, wobei merkwürdigerweise auch er bloß als literarische Figur vorkam, und zwar, versteht sich, in einer Geschichte von mir.
Ist nun aber ein solches Verhältnis – ein Vorkommnis wie dieses – überhaupt möglich?
Es ist nicht nur möglich, sondern auch – wenn man über Haupt an das Problem herangeht – wirklich; es war der Fall: ein Einfall …
(… daß nämlich alle drei Autoren, ich und du und er, als literarische Figuren in einer andern Geschichte vorkamen – wir waren Haupts Helden! Man kann sich also dieses – unser – Dreieck gehupft wie gesprungen vorstellen, sei’s auf dem Schachbrett, sei’s in der Zirkuskuppel. Es ist nur einfach so, daß Haupt, um uns in seinem Werk das Leben imitieren zu lassen, sich selber unbedingt aus der Geschichte heraushalten mußte. Der Autor in Person darf nämlich, wenn er am Leben bleiben will, niemals in sein Werk eingehen, schon gar nicht als Held, schon gar nicht als »ich«. Obwohl wir alle, ich und du und er, in den Geschichten, in denen Haupt – in seinem Werk – uns hat vorkommen lassen, direkt oder indirekt miteinander in Beziehung treten, uns verständigen, ja uns verschwören konnten, war Haupts Leben für uns unantastbar; wir waren durch Haupts Werk – das heißt: durch die Welt, in der wir »lebten« – von ihm getrennt. Und mehr als dies: wir können ihn uns nicht einmal vorstellen; oder versuchen Sie! doch mal, sich den Autor jener Geschichte vorzustellen, deren Held Sie selber sind. Vorstellbar ist Haupt nur außerhalb, nur diesseits seines Werkes; im Leben. Darstellbar ist er überhaupt nicht, es sei denn, Sie machten ihn zum Helden Ihrer Geschichte.)
aus: Felix Philipp Ingold: Haupts Werk Das Leben
Ein Koordinatenbuch vom vorläufig letzten bis zum ersten Kapitel.
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