Die Wüste, obwohl im wesentlichen Leere, lebt: sie lebt von dem, sie lebt durch das, was in ihr fehlt – Anwesenheit derer, die sie durchqueren, ohne heimisch zu werden in ihr.
Was also lebt in dieser Wüste, ist die negative Anwesenheit, die Anwesenheit der Abwesenden, sichtbar und gesichert in der Spur, die – von wem? von dem wohl, der dort ist, wo jene gewesen sind! – als rasch verwehender Schriftzug hinterlassen wird und die, ununterscheidbar, auf Tote wie auf Überlebende verweist.
So lebt die Wüste stetig hin, indem wir sie begehen.
aus: Felix Philipp Ingold: Haupts Werk Das Leben
Ein Koordinatenbuch vom vorläufig letzten bis zum ersten Kapitel.
WÜSTE
Die Wüste ist
eintönig und lebensfeindlich
denkt man
doch mit der Zeit
findet man
die Fülle in der Leere
Trennen von Un- und Wichtigem
unter endlosem Himmel
und der Wind singt sein Lied
Oasen sind
Leben in der Wüste
und Wüsten sind
echte Oasen im Leben
Geheimnisse der Natur
die atemberaubend berühren
Sandmeere und Luftbilder
Zauber ohne Hektik
Farben wie nirgendwo sonst
Vieles gibt es dort nicht
Vieles gibt es nur dort
Es gibt nichts und alles
Alles im Nichts
Man findet entweder gar nichts
oder sich selbst
Marguerite Widmer-Stünzi 11/2003