Die Kunst poetischen und vollends hermetischen Sprechens besteht darin, die konventionelle, von den verwendeten Wörtern mitgetragene Bedeutung zu relativieren, sie zu verfremden, zu erweitern und damit von Eindeutigkeit möglichst abzuheben. Bemerkenswerte Beispiele dafür bieten außer der mystischen und formalistischen Dichtung auch die Texte geisteskranker Autoren – Scardanelli, Brisson, Wölfli, Wolfson. Die einen wie die andern darf man sprachverrückt nennen. Die höchste Mitte zwischen beiden hält der russische Wortkünstler Welimir Chlebnikow, dessen „verrücktes“ Russisch man auch deutsch (oder in einer andern „Fremdsprache“) als Original lesen kann:
Morok. Jarokij. Tjmytsch
oblatschitsch
Nebitsch swjesditsch jasnitsch oblatschnij
Skastschik. Skasitsch. Syn skasi
I tumannaja Skas naroda
Wosstawala sa dychanijami utra
Nebitsch ismjesez sybkij
Ja semlin no nebitsch swiristel golosok ja dennitsch no
nostschitsch wedjmin
Syn gresitsch junyj gresitel
Syn pesni bylinitsch grjosen.
Buditsch – syn budi. Greschenije grjosjba.
aus Felix Philipp Ingold: Überzusetzen
Versuche zur Wortkunst und Nachdichtung
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