Aller Anfang … so auch dieser … ist schwer. Bisweilen hilft … so auch hier … ein Klassikerzitat, ein geflügeltes Wort über das schwarze Loch hinweg, dessen provozierendes Gähnen wohl jeder kennt, der sich immer mal wieder auf das weiße Rechteck … die rechteckige Weiße … einläßt, um sie … schreibend, sich einschreibend … zu erschließen. Die abweisende Weiße … Papier, Seite, Blatt … zu erschließen, das heißt ja doch nichts anderes, als eine Leere zu schließen und … zugleich … einen Abgrund zu öffnen. »Man kann nicht schreiben«, schreibt Edmond Jàbes, »ohne zuvor die Worte zum Schweigen zu bringen, die uns bewegen. Das weiße Blatt ist auferlegtes Schweigen. Auf diesem Schweigegrund wird der Text geschrieben.«
Paradoxales Unterfangen; denn wer schreibt, behebt ein Defizit und schafft … eben dadurch … einen neuen Mangel. So wie in der Schwärze der Schrift die Leere der Weiße, mithin jene stumme Lehre, welche identisch wäre mit der »Sprache« der Dinge, aufgehoben ist … »aufgehoben« im doppelten Wortsinn von verwahrt und beseitigt … so kann der Schreibende im Geschriebenen nur repräsentativ, nie aber präsentisch vorhanden sein.
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Oder doch? Die neuerdings sich anbietenden Textverarbeitungssysteme, bei denen der Schreibvorgang … losgelöst nun von der sinnlichen Erfahrung der Schriftapplikation auf einen vorgegebenen Träger, unabhängig von der Mechanik des Zeilensprungs und vom Fassungsvermögen eines wie auch immer normierten Seitenformats … simultan als immaterieller Bildschirmtext sichtbar wird, scheinen geeignet zu sein, die bisher üblich gewesenen Schreibhemmungen zu lockern. Und mehr als dies … der Fortfall der eingegrenzten Weiße und der letztlich grenzenlosen Leere des zu beschreibenden Papiers einerseits; anderseits die Unwahrscheinlichkeit, ja Unmöglichkeit, die quantitative Kapazität des Systems … schreibend … jemals auszuschöpfen, führt offenbar dazu, daß für manche Autoren der Horror des Schreibens sich vom Nicht-Anfangen-Können auf das Nicht-Enden-Wollen verlagert. Dafür spricht etwa die Tatsache, daß der im Bereich der Belletristik auffallende Trend zur großen epischen Form namentlich von solchen Autoren forciert wird, die ihre Texte nicht mehr »schreiben«, sondern sie am Bildschirm entwerfen, um sie in der Folge durch einen zugeschalteten … von der Entstehung des Texts jedoch abgekoppelten … Printer ausdrucken zu lassen.
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Wohingegen Gedichte nach wie vor, fast ausnahmslos, »unter der Hand« entstehen … so, als wären sie angewiesen auf die Körperwärme oder auch nur auf die minimale Reibungselektrizität, die der Autor, der auch ich sein könnte, durch seine Schreibbewegung dem blanken Blatt mitteilt.
aus: Felix Philipp Ingold: Freie Hand
Ein Vademecum durch kritische, poetische und private Wälder
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