Franz Hodjak: Ankunft Konjunktiv

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Franz Hodjak: Ankunft Konjunktiv

Hodjak-Ankunft Konjunktiv

CHANSON. MIT FREMDEN ENGELN

Sie warten und hoffen und wissen nicht, worauf.
Sie gehen auf und ab,
aaaab und auf.

Sie hinterlassen kein Zeichen, kein Wort, keine Spur.
Sie gehen auf und ab,
aaarund um die Uhr.

Sie gehen auf und ab,
ganz, ganz leise,
aaaund sehn sich an auf unerklärliche Weise.

Sie können nie schlafen noch warnen, noch weinen.
Sie gehen auf und ab
aaaauf zwei linken Beinen.

Ihre Botschaften kommen an in zerfetzten Schuhn.
Niemand kann sie lesen.
aaaDagegen können sie nichts tun.

Ab und auf gehen sie,
auf und ab,
aaanicht aus Ungeduld, nicht aus Neugier, nicht aus Manie.

Man kann sie bestenfalls vag umschreiben.
Sie gehen auf und ab.
aaaUnd so wird es auch bleiben.

 

 

 

Inhalt

Die Bücher von Franz Hodjak bezeugen, wie der Ausreise aus der rumäniendeutschen Spracheremitage die Ankunft bei uns nur allmählich folgte. Ihr schreibt sich Franz Hodjak mit seinem neuen Gedichtbuch ein Stück weit näher – doch das Ankommen bleibt unsicher, nur eine Möglichkeit: Ankunft Konjunktiv.

Suhrkamp Verlag, Ankündigung

 

Es hätte eine Art Rettung sein können

Franz Hodjak, siebenbürgischer und jetzt in Deutschland lebender Dichter, gab seinen bei Suhrkamp erschienenen Notaten von Ankünften den lakonischen Vermerk: Konjunktiv. Ebenso wie die Titel vorangegangener Prosa- und Lyrikbände Siebenbürgische Sprechübung, Zahltag, Franz, Geschichtenerzähler, Landverlust und Grenzsteine verrät der Titel dieses jüngsten Gedichtbandes etwas über den perspektivischen Fluchtpunkt des Autors im Lebensbild. Der 1992 vollzogene Wechsel nach Deutschland war nicht nur ein Ortswechsel, vielleicht eher ein Drehzwang, ein Bewegungszwang. Der Boden, auf dem der Autor steht, bleibt nach wie vor „ein schmaler Grenzstreifen, aus dem eine die andre / Abwesenheit verdrängt“. Ratlos im Türrahmen verharrend Unruhe, Bewegung, die Möglichkeitsform schlechthin ist das grundierende Element des gesamten Bandes. Das Bild einer durch die geöffnete Balkontür hereingewehten Feder, die im Türrahmen kreiselt und die sich weder für das Hinaus noch das Hinein entscheiden kann, „als wüßte sie / nicht, was sie einlösen soll, ein Versprechen oder einen Fluch oder eine Illusion oder ein Versäumnis“, könnte das Bild von der Situation des Autors selbst sein. Geöffnete Türen bieten im allgemeinen die Möglichkeit, jeweils in zwei Richtungen davonzugehen. In diesem Buch aber legt sich ein Bann über denjenigen, der im Türrahmen steht. Zwar wird nach den Gründen dieser Situation gefragt: „Die Zeit der Ziele, / gab es sie? Und wo lag ihre Wiege?“ und vermutet:

es hätte eine Art
Rettung sein können, wenn wir
die Türe öffnen oder schließen

Nach Antworten jedoch sucht man vergebens. Für die notwendigen Sätze läßt sich keine Sprache finden: „hat noch jemand etwas / zu sagen, jenseits der Angst, die ihn packt?“ In welche Richtung man läuft, wohin sich wendet egal. Gespenstisch ähneln sich die Orte des Niederlassens, „die Schutzengel, träumen in Mülltonnen und die Toten / sind noch immer so // einfallslos, kein Wörterbuch ihrer / Sprache zu verfassen, damit man sich verständigen könnte“. Der vage Versuch, diese Situation durch die Form des Konjunktivs offenzuhalten, könnte ein Notausgang sein. Der Rest ist vom Schutt der Geschichte verstellt. Der Preis für das Unterwegssein wird in der Währung des fliegenden Holländers gezahlt, dem die Landung an einem Ufer verwehrt und so ausschließlich das Unterwegssein zum Ankommen wurde. In der Einsamkeit dieses echolosen Raums zwischen oberem und unterem Horizont beginnt das Gespräch des Dichters mit den Gegenständen, den unverrückbaren Steinen im Mosaik des Ganzen. Das Nachtschattengewächs Sprache erhält einen Körper, mutiert zur Person. Sie aber wendet sich ab und flieht, „aus Angst, sie müßte für uns entscheiden oder sogar uns freisprechen.“ Die Sprache wird von der Angst gepackt, nicht der Sprechende. Er steht bewegungslos im Türrahmen. Testballons, Tastballons Franz Hodjaks Grunderfahrung liegt im rumänischen Siebenbürgen. Einzig in den Gedichten, in denen er seine Herkunft andeutet, liegen Ruhe und Gewißheit, ordnen sich die Worte nach einem klaren Muster.

Gemeinsam,

als wäre es Sprache, zieht man
aus dem Fell
der Schafe die Zecken.

Hier ist kein Ort, für den die „Sprache einen Waffenschein“ benötigte. Der Herbst in Siebenbürgen trägt Trauben:

Wir lagen am Fluß, den Rücken
der Welt zugekehrt

Die Welt bedeutet in diesem Fall auch das realsozialistische Rumänien, auf das Ceaucescu alles kosmopolitisch Weite gern reduziert hätte, dem statt dessen die Welt zu einem amputierten Trabanten schrumpfte, den allein ein „Schwindelgefühl der Geduld“ zuletzt im Kreiseln hielt. Siebenbürgen erhielt so für jeden in ihm Lebenden eine janusköpfige Gestalt. Die eine konnte von der anderen nicht ohne Blutverlust abgelöst werden. Die andere Hälfte war der „enge // Bottich, der / mich in eine seltsame / Freiheit entließ, wo Stacheldraht mich sehn lehrte, und was dahinter / war, schielen“. Hier liegt also nicht nur Hodjaks Geburtsort, sondern auch der Ursprungsort jener nie vollzogenen Ankünfte, die ihn ein Leben lang wie ein Schatten verfolgen. Ob er nach Amsterdam reist, dessen Häusergiebel „weder in den Himmel noch in die Hölle“ reichen, ob nach Paris an den Pont Neuf, wo für über das Wasser hallende Schritte nur die Ungewißheit „Kommen sie? Gehen / sie?“ bleibt. Gedichte sind Testballons, Tastballons. Versuche, das Traumhafte zu fassen, das Fließband anzuhalten, um zu sehen, was genau es befördert.

Cornelia Jentzsch, Berliner Zeitung, 30.5.1998
 

Weitere Beiträge zu diesem Buch:

Jan Koneffke: Randvolles Vakuum
Freitag, 24. 10. 1997

Christian Schuler: Leichte Schritte
Das Sonntagsblatt, 14. 11. 1997

Michael Basse: Hundshitze, Teekultur
Süddeutsche Zeitung, 18.–20.11. 1997

Friedmar Apel: Schau, wohin der Mond fällt
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. 3. 1998

Alexander von Bormann: Der andere Schaffner
Neue Zürcher Zeitung, 21./22. 3. 1998

 

 

Alexandru Bulucz: Erleidenslyrik

„Der Raum hat mich geprägt“: Interview mit Franz Hodjak in Usingen

Eine Lesung  von Franz Hodjak aus unveröffentlichten Texten und ein Gespräch mit den Autoren Werner Söllner und Peter Motzan am 27.5.1992 im LCB.

 

 

Enikő Dácz spricht mit Franz Hodjak über Die Erfahrung der Bewegung

 

Zum 60. Geburtstag des Autors:

Peter Motzan: „Ich wohne in einem Türrahmen“
Ostragehege, Heft 35, 2004

Zum 70. Geburtstag des Autors:

Tom Schulz: Sehnsucht nach Feigenschnaps
Neue Zürcher Zeitung, 26.9.2014

Georg Aescht: Mühlen antreiben, doch welche? Franz Hodjak (70) weiß Letzteres nicht und tut Ersteres erst recht
Siebenbürgische Zeitung, 19.10.2014

Zum 80. Geburtstag des Autors:

Alexandru Bulucz: Meister der Erleidenslyrik
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.9.2024

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Franz Hodjaks Laudatio zum Siebenbürgisch-Sächsischer Kulturpreis 2013 in der St.-Pauls-Kirche Dinkelsbühl.

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