DER AUFRUF
Mein Leben:
ein Guckkasten mit kleinen Landschaften
gemächlichen Menschen
vorüberziehenden Tieren
wohlbekannten wiederkehrenden Szenerien
plötzlich aufgerufen bei meinem Namen
steh ich nicht länger im windstillen Panorama
mit den bunten schimmernden Bildern
sondern drehe mich wie ein schrecklich glühendes Rad
einen steilen Abhang hinunter
aller Tabus und Träume von gestern entledigt
auf ein fremdes bewegtes Ziel gesetzt:
ohne Wahl
aber mit ungeduldigem Herzen
legt eine von der Autorin selbst getroffene Auswahl ihrer Gedichte aus dreieinhalb Jahrzehnten vor. Die Auswahl zeigt die Entwicklung eines erstaunlichen Werks.
Auf die Entstehung ihrer Texte eingehend, sagte die Autorin: „Ich komme von auszen, dringe nach innen vor – erst von da suche ich meinen Weg von innen nach auszen.“ Oder: „Ich schalte, um meine ,Bewusztseinsmaschine‘ in Gang zu bringen, auf Erinnerungspunkte irgendwelcher Vergangenheit, bringe dadurch, wenn es gelingt, etwas ganz intensiv in die Mitte meines Bewusztseins, wo es lebendig dasteht, zu sehen, zu hören, zu riechen, zu betasten, in einer Eigenbeweglichkeit, die es aus dem Zustand des Eingebettetseins in einen Erinnerungslauf befreit. Es steht für sich selber da, … statisch, und zugleich in einem Strahlungskranz von Assoziationsmöglichkeiten.“
Suhrkamp Verlag, Klappentext, 1979
Karl Krolow: Im poetischen Kraftfeld
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.4.1979
Kurt Marti: o. T.
Reformatio, Juni 1979
Beatrice von Matt: Mächtige Redefiguren
Neue Zürcher Zeitung, 13.8.1979
Marie Theres Nölle: Flug und Verharren
Zürichsee-Zeitung / Allgemeiner Anzeiger / Grenzpost, 4.7.1987
Reinhard Priessnitz: o. T.
Norddeutscher Rundfunk, 28.4.1979
P. Schmid: Drei Jahrzehnte Poesie
Die Furche, 30.5.1979
Hans Dieter Schmidt: Immerhin das Wichtigste
Main-Echo, 19.9.1979
Rita Terras: Friederike Mayröcker: Ausgewählte Gedichte 1944-1978
World Literature Today, Heft 54, 1980
Liesl Ujvary: Gedichte sind eine Lebensform
Die Presse, 7./8.7.1979
Liesl Ujvary: o. T.
Sender Freies Berlin, 22.7.1979
Liesl Ujvary: Gedicht als Lebensform
Siegfried J. Schmidt (Hrsg.): Friederike Mayröcker, Suhrkamp Verlag, 1984
Düsseldorf: Ein großes Treffen der Dichter soll es werden, das dreitägige Poesiefest im Düsseldorfer Geburtshaus Heinrich Heines an der Bolkerstraße vom 23. bis zum 25. September: Durs Grünbein und Michael Krüger werden unter anderem kommen und lesen, auch Cees Nooteboom, Lutz Seiler und Oswald Egger. Das Motto aber hat – als eine Art Schirmherrin der Poesie – die Grande Dame der deutschsprachigen Dichtkunst ersonnen, die Wiener Lyrikerin Friederike Mayröcker (86): „also war mir als flöge eine weiße Taube vorüber…“
Lothar Schröder: Welchen Geist wollen Sie mit Ihrem Motto für das Poesiefest im Heine Haus beschwören?
Friederike Mayröcker: Die Taube ist ja zunächst der Inbegriff des Friedens. Und dabei denke ich natürlich auch gleich an Picassos Friedenstaube. Meine Affinität zur bildenden Kunst ist besonders groß und für meine Dichtung wichtig. Ich habe aber auch an den Heiligen Geist gedacht, der den Dichter inspiriert. Ich finde, ohne eine Inspiriertheit kann es kein richtiges Schreiben geben. Denn letztlich ist die Poesie nur ein Hauch, ein Wind. Wenn ich solche nächtlichen Einflüsterungen habe, muss ich sie immer gleich festhalten – sonst weht dieses Geheimnis am Tage gleich wieder weg.
Schröder: Ist Poesie also auch etwas Flüchtiges?
Mayröcker: Na ja, die Dichtung kann vorbeiziehen, wenn man nicht offen ist für sie. Dann muss sie sogar vorbeiziehen. Und bei mir ist die Situation und Stimmung sehr oft so, dass ich gar nicht schreiben kann.
Schröder: Hilft Ihnen beim Schreiben irgendein Ritual, ein besonderer Ort oder eine besondere Zeit?
Mayröcker: Das ist der frühe Morgen, um vier oder fünf Uhr; und dann fange ich gleich an zu schreiben – also noch im Bett. Meine Stimmung und meine Verfassung ist in dieser frühen Stunde dann meist eine wehmütige.
Schröder: Wird die Dichtung für Sie auch zu einem Selbstgespräch?
Mayröcker: Eigentlich nicht. Es braucht immer eine Ansprache, immer ein Du. Für mich ist alles Dichten vielmehr ein langer Versuch, etwas festzuhalten; und oft gelingt genau das leider nicht.
Schröder: Sie haben einmal selbst die Frage nach dem Zweck des Dichtens gestellt und auch danach, ob am Ende nicht doch alles vergeblich ist.
Mayröcker: Es kommt immer auf die Qualität an. Aber auch dann gilt: Wenn man sehr lange schon und auch viel geschrieben hat, werden es am Ende vielleicht vier oder fünf Gedichte sein, die überleben; mehr nicht. Ich habe viele hundert Gedichte geschrieben, und ich muss damit leben können, dass es wahrscheinlich nur wenige sind, die sich dem Leser auch eingeprägt haben.
Schröder: Ist es wichtig, Gedichte auswendig aufsagen zu können?
Mayröcker: Ich selbst kann merkwürdigerweise keines meiner Gedichte aufsagen, nicht einmal sehr kurze. Aber grundsätzlich ist das Memorieren von Lyrik schon eine sehr gute Aufgabe und auch eine Übung. Besonders für junge Menschen. Denn damit wandeln sich Gedichte zu einem geistigen Besitz, den man mitnehmen kann.
Schröder: Leben wir eigentlich in poesiefernen Zeiten?
Mayröcker: Im Gegenteil. Ich mache so viele Lesungen, und dabei merke ich zunehmend, wie besonders ganz junge Menschen der Lyrik sehr nahe kommen können. Das ist schön und ermutigend, welche Bedeutung Verse für junge Leser wieder bekommen.
Rheinische Post, 10.9.2011
Hans Ulrich Obrist spricht über die von ihm kuratierte Ausstellung von Friederike Mayröcker Schutzgeister vom 5.9.2020–10.10.2020 in der Galerie nächst St. Stephan
Friederike Mayröcker übersetzen – eine vielstimmige Hommage mit Donna Stonecipher (Englisch), Jean-René Lassalle (Französisch), Julia Kaminskaja (Russisch) und Tanja Petrič (Slowenisch) sowie mit Übersetzer:innen aus dem internationalen JUNIVERS-Kollektiv: Ali Abdollahi (Persisch), Ton Naaijkens (Niederländisch), Douglas Pompeu (brasilianisches Portugiesisch), Abdulkadir Musa (Kurdisch) und Valentina di Rosa (Italienisch) und Bernard Banoun – im Gespräch mit Marcel Beyer am 6.11.2021 im Literaturhaus Halle.
räume für notizen: Friederike Mayröcker: Frieda Paris erliest ein Langgedicht in Stücken und am Stück, Juliana Kaminskajas Film das Zimmer leer wird gezeigt. Die Moderation übernimmt Günter Vallaster am 29.1.2024 in der Alten Schmiede, Wien
Fest mit WeggefährtInnen zu Ehren von Friederike Mayröcker Mitte Juni 2018 in Wien
Sandra Hoffmann über Friederike Mayröcker bei Fempire präsentiert von Rasha Khayat
Im Juni 1997 trafen sich in der Literaturwerkstatt Berlin zwei der bedeutendsten Autorinnen der deutschsprachigen Gegenwartslyrik: Friederike Mayröcker und Elke Erb.
Protokoll einer Audienz. Otto Brusatti trifft Mayröcker: Ein Kontinent namens F. M.
Daniela Riess-Beger: „ein Kopf, zwei Jerusalemtische, ein Traum“
Katalog Lebensveranstaltung : Erfindungen Findungen einer Sprache Friederike Mayröcker, 1994
Ernst Jandl: Rede an Friederike Mayröcker
Ernst Jandl: lechts und rinks, gedichte, statements, perppermints, Luchterhand Verlag, 1995
Bettina Steiner: Chaos und Form, Magie und Kalkül
Die Presse, 20.12.1999
Oskar Pastior: Rede, eine Überschrift. Wie Bauknecht etwa.
Neue Literatur. Zeitschrift für Querverbindungen, Heft 2, 1995
Johann Holzner: Sprachgewissen unserer Kultur
Die Furche, 16.12.1999
Nico Bleutge: Das manische Zungenmaterial
Stuttgarter Zeitung, 18.12.2004
Klaus Kastberger: Bettlerin des Wortes
Die Presse, 18.12.2004
Ronald Pohl: Priesterin der entzündeten Sprache
Der Standard, 18./19.12.2004
Michael Braun: Die Engel der Schrift
Der Tagesspiegel, 20.12.2004.
Auch in: Basler Zeitung, 20.12.2004
Gunnar Decker: Nur für Nervenmenschen
Neues Deutschland, 20.12.2004
Jörg Drews: In Böen wechselt mein Sinn
Süddeutsche Zeitung, 20.12.2004
Sabine Rohlf: Anleitungen zu poetischem Verhalten
Berliner Zeitung, 20.12.2004
Michael Lentz: Die Lebenszeilenfinderin
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.12.2004
Wendelin Schmidt-Dengler: Friederike Mayröcker
Elfriede Jelinek, und andere: Wer ist Friederike Mayröcker?
Die Presse, 12.12.2009
Gunnar Decker: Vom Anfang
Neues Deutschland, 19./20.12.2009
Sabine Rohlf: Von der Lust des Worte-Erkennens
Emma, 1.11.2009
Herbert Fuchs: Sprachmagie
literaturkritik.de, Dezember 2014
Andrea Marggraf: Die Wiener Sprachkünstlerin wird 90
deutschlandradiokultur.de, 12.12.2014
Klaus Kastberger: Ich lebe ich schreibe
Die Presse, 12.12.2014
Maria Renhardt: Manische Hinwendung zur Literatur
Die Furche, 18.12.2014
Barbara Mader: Die Welt bleibt ein Rätsel
Kurier, 16.12.2014
Sebastian Fasthuber: „Ich habe noch viel vor“
falter, Heft 51, 2014
Marcel Beyer: Friederike Mayröcker zum 90. Geburtstag am 20. Dezember 2014
logbuch-suhrkamp.de, 19.1.2.2014
Maja-Maria Becker: schwarz die Quelle, schwarz das Meer
fixpoetry.com, 19.12.2014
Sabine Rohlf: In meinem hohen donnernden Alter
Berliner Zeitung, 19.12.2014
Tobias Lehmkuhl: Lachend über Tränen reden
Süddeutsche Zeitung, 20.12.2014
Arno Widmann: Es kreuzten Hirsche unsern Weg
Frankfurter Rundschau, 19.12.2014
Nico Bleutge: Die schöne Wirrnis dieser Welt
Der Tagesspiegel, 20.12.2014
Elfriede Czurda: Glückwünsche für Friederike Mayröcker
Manuskripte, Heft 206, Dezember 2014
Kurt Neumann: Capitaine Fritzi
Manuskripte, Heft 206, Dezember 2014
Elke Laznia: Friederike Mayröcker
Manuskripte, Heft 206, Dezember 2014
Hans Eichhorn: Benennen und anstiften
Manuskripte, Heft 206, Dezember 2014
Barbara Maria Kloos: Stadt, die auf Eisschollen glimmt
Manuskripte, Heft 206, Dezember 2014
Oswald Egger: Für Friederike Mayröcker zum 90. Geburtstag
Manuskripte, Heft 206, Dezember 2014
Péter Esterházy: Für sie
Manuskripte, Heft 206, Dezember 2014
Wilder, nicht milder. Friederike Mayröcker im Porträt
Einsame Poetin, elegische Träumerin, ewige Kinderseele
Die Presse, 4.12.2017
Claudia Schülke: Wenn Verse das Zimmer überwuchern
Badische Zeitung, 19.12.0219
Christiana Puschak: Utopischer Wohnsitz: Sprache
junge Welt, 20.12.2019
Marie Luise Knott: Es lichtet! Für Friederike Mayröcker
perlentaucher.de, 20.12.2019
Herbert Fuchs: „Nur nicht enden möge diese Seligkeit dieses Lebens“
literaturkritik.de, Dezember 2019
Claudia Schülke: Der Kopf ist voll: Alles muss raus!
neues deutschland, 20.12.2019
Mayröcker: „Ich versteh’ gar nicht, wie man so alt werden kann!
Der Standart, 20.12.2019
Hannes Hintermeier: Zettels Träumerin
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.5.2024
Michael Wurmitzer: Das Literaturmuseum lässt virtuell in Mayröckers Zettelhöhle schauen
Der Standart, 17.4.2024
Barbara Beer: Hier alles tabu
Kurier, 17.4.2024
Anne-Catherine Simon: Zuhause bei Friederike Mayröcker – dank Virtual Reality
Die Presse, 18.4.2024
Paul Jandl: Friederike Mayröcker: Ihre Messie-Wohnung in Wien bildet ein grosses Gedicht aus Dingen
Neue Zürcher Zeitung, 17.6.2024
Sebastian Fasthuber: Per Virtual-Reality-Trip in die Schreibhöhle der Dichterin Friederike Mayröcker
Falter.at, 9.7.2024
Fabian Schwitter: Von Fetischen und Verlegenheiten
Kreuzer :logbuch, Oktober 2024
Friederike Mayröcker – Trailer zum Dokumentarfilm Das Schreiben und das Schweigen.
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