Wer eignete sich besser als Oskar Pastior, eine literarische Publikationsreihe zu eröffnen, die das Buch mit der Compact Disc, das Auge mit dem Ohr verbindet? Man muß Oskar Pastior gelesen und gehört haben. Dazu bietet seine „Gimpelschneise in die Winterreise-Texte von Wilhelm Müller“ eine gute Gelegenheit. Sprachliche Versuche, die Sirenen zu verführen.
Stücke wie Landschaften zu schreiben, so Gertrude Steins Vorsatz, das gilt auch für diese 1921 geschriebene See- und Alpenlandschaft, mit Blick von einem Wellenkamm zum andern Gipfel, in 24 Szenen oder Bildern, Ansichten einer sich wiederholenden Sprechhandlung – ein Stück Improvisation und damit ein Fall für Oskar Pastior, der das Nachsprechen für die Hörfassung ganz wörtlich nimmt.
Auf dem Schreibtisch von Oskar Pastior fand sich nach seinem Tod ein Stapel Manuskripte: ein ausgefunkeltes Spektrum lyrischer Texte, das zwölf Gedichte aus „Les Fleurs du Mal“ von Charles Baudelaire in jeweils fünf Erscheinungsformen gleichzeitig intoniert. In ihnen tritt nicht nur der von Pastior stets entfesselte Reiz der Buchstaben und Wörter ins hellste Licht, sondern auch die Tragweite seiner Themen, die man ja nur allzu gern überliest.
GRÜBCHEN – reib dich am hymen – eisbeutel! / andre musen sich am riesen reimen / bist gemüse du, reisig, oder was weiß man
RECHNUNG VON HEUTE – mit zehn war ich zehn / mit zwanzig rund dreißig / mit dreißig kaum zwanzig
ABRAKADABRA, NACHMALS – abrakadabra, nachmals / tartar, nachmals kandahar- / kardan (als das paar am dach
MIT TUTEN UND MIT SAUSEN – Mit Tuten und mit Sausen ist Tinnitus am Rhein. Es ist kein / Karneval, er ist kein Overall, er ist nur ein lindgrüner Ohrwurm