Ich veröffentliche diesen ersten Gedichtband von Ulf Stolterfoht, weil ich selten mit solchem Wohlgefallen dem befremdlich vertrauten Eigenleben der Sprache gelauscht habe. Es stöbert, steubt, stubbst und stabreimt, so daß ich spüre: Es gibt Zusammenhang, ich selbst bin Fleisch von diesem Fleische, in mir sprießt Sprache genau so. Wie könnte sonst aus all der Sprache, die schon vor mir war und außer mir ist, ich werden? Aus der Begegnung von Fachsprachen der Geologen, Grammatiker, Philosophen und Poeten mit dem eigenen krummen Denken setzt Stolterfoht Gedichte zusammen, deren Schönheit überraschend und deren Witz der Sinn des Unverstandenen ist.
„Alles ist Material,“ meint Nicolai Kobus vorausschauend „Hauptsache, es kommt als Wort daher. Und so wird denn auch manisch montiert, kompiliert und persifliert, eingedampft und angereichert, dass einem Hören und Sehen vergeht. Nicht, weil man es nicht mehr ertrüge, sondern weil einem die Textgebilde nahe legen, man möge sich, um zu folgen, schleunigst von den üblichen Lesegewohnheiten verabschieden.“
Ulf Stolterfoht beherrscht das Kunststück, Gedichte zu schreiben, die mit allen Wassern der philosophischen und poetologischen Mühlen gewaschen sind – und uns doch zu unterhalten – oder gerade deshalb: weil er sie auf eine Mühle leitet, mit der er nicht einfach zum Klappern beiträgt, sondern zu dessen Erkenntnis.
Diese, nunmehr vierte, „fachsprachen“-Lieferung umfasst 81 nagelneue Texte, darunter politisch Tendenziöses wie die „Kampflieder aus Nord-Württemberg“ oder neun „Gedichte für eine neue Gesellschaft“; dann nimmt uns der Dichter bei der Hand und geleitet uns sicher durch „Kritische Wälder“, durch Oskar Pastior-, Peter Waterhouse- und Reinhard Döhl-Geflechte, um schließlich ganz überraschend in Altaussee zu landen. Insgesamt „womöglich noch verwegener als seine Vorgänger – darüber hinaus aber liefert uns Ulf Stolterfoht erstmals einen konsistenten Lebensentwurf!“ (Artur Verweyser in „Syndikalismus jetzt!“)
„holzrauch über heslach“ ist ein langes, ethnologisches Gedicht. In neun Teilen berichtet es von einem Bezirk im Süden Stuttgarts, wesentlich sprachlich errichtet, seiner Gründung und Besiedlung durch einen Stamm von Katzenartigen, ihren Kämpfen und Ritualen, ihrer Sprache, ihren Drogen und ihrer Musik, bis hin zum Untergang dieser autochthonen Population im Jahre 1979. Dafür bekam Ulf Stolterfoht den Peter Huchel-Preis 2008.