einmal sind von anatomischen tischen
die apokalyptischen reiter durch mein gesicht
aaaaagezogen
nun ist es verbogen
habe es abgenommen und in eine hand gelegt
kann’s kaum verwinden
dass sie ein stilleben trägt
warte bis mir ein neues wächst
die reiter warten mit mir mit
ihr rückzug steht fest
dann hab ich zwei schalen, eine waage
in die ich mein leben werfen kann
soweit zum wiedergang
Kerstin Preiwuß
− Editorial
PREMIERE
Gedichte von Kerstin Preiwuß | Claudia Gabler | Andre Rudolph | Nora Bossong
PORTRÄT
− Dorothea Grünzweig
Vorbemerkung von Michael Braun
Gedichte: traum mit vielen trieben | Die Mutter liegt im Dämmerzimmer | Schnürgaumen | eisland
− Norbert Hummelt
Vorbemerkung von Michael Braun
Gedichte: feuer | schnee in berlin | strom | sie kommen
− Norbert Lange
Vorbemerkung von Cornelia Jentzsch
Gedichte: Drillich / Triller | AmselDROSSELfunks p r ay (Re: VO GEL KAT A LOG) | Tau | Suchbild (Studioversion)
− ULJANA WOLF
Vorbemerkung von Cornelia Jentzsch
Gedichte: dust bunnies | „look on my card“ | log last lied list lump | (z)et (z)oo (z)u
ESSAY
− Michael Braun: Ein Lied aus reinem Nichts. Anmerkungen zum Sprachstoff der Jungen Lyrik
DOSSIER
− Verleihung des Hölty-Preises für Lyrik der Stadt und der Sparkasse Hannover 2008 an Thomas Rosenlöcher
Martin Rector: Laudatio auf Thomas Rosenlöcher
Thomas Rosenlöcher: Der schöne May ist mir so weggeschlüpft. Hölty-Dank
Vita Thomas Rosenlöcher
Bibliographe Thomas Rosenlöcher
RECHERCHE
− Lyrik-Veröffentlichungen der Jahre 2008 und 2009
Die Idee zu unserer Zeitschrift Gegenstrophe. Blätter für Lyrik entstand in Zusammenhang mit dem im September 2008 erstmals in Hannover vergebenen Hölty-Preis für Lyrik. Es erschien uns sinnvoll, über eine mögliche Dokumentation des Preises hinaus, ein Forum für Lyrik zu etablieren – und durchaus auch angezeigt, gerade weil die Möglichkeiten zur Publikation von Gedichten abnehmen.
Lyrik ist komplex und doch die am leichtesten zugängliche aller Literaturgattungen. Den Tönen und Klängen der Musik und ihren Beschwörungen nah, kann man sich ihrer Sprachmusik überlassen oder ihren etymologischen Verzweigungen und Quellen nachspüren, auch ihrer Richtung, ihren Impulsen folgen. Dies soll nicht nur Gegenstrophe dokumentieren, sondern auch das jährlich stattfindende Lyrikfest des Literaturbüros Hannover im Künstlerhaus, zu dem die Blätter zur Lyrik jährIich publiziert werden.
Das Lyrikfest steht alle zwei Jahre im Kontext des Hölty-Preises. Deswegen ist unser „Dossier“, das sich Veranstaltungen, Tagungen und Diskussionen zur Lyrik widmet, immer dann der Dokumentation des Hölty-Preises vorbehalten. Die Rubrik „Premiere“ bietet Raum für den Erstdruck von Gedichten neuer, bisher wenig bekannter Autorinnen und Autoren. Im „Porträt“ werden, jeweils mit einer kritischen Einführung versehen, Lyriker und Lyrikerinnen vorgestellt, die auf dem Lyrikfest gelesen haben. In der Rubrik „Essay“ finden sich Analysen und Interpretationen von Kritikern und Literaturwissenschaftlern sowohl zu übergreifenden Themen als auch zu einzelnen Autorinnen und Autoren oder zu Gedichten. Die Rubrik „Recherche“ dient der bibliographischen Erschließung aktuell erschienener Lyrik-Publikationen.
Michael Braun, Kathrin Dittmer, Martin Rector, Vorwort
erscheint jährlich im Herbst als Forum für Lyrik und Lyrikrezeption. Dieser Band enthält erstveröffentlichte Texte von Nora Bossong, Michael Braun, Norbert Hummelt, Cornelia Jentzsch, Norbert Lange, Martin Rector, Thomas Rosenlöcher und Andre Rudolph sowie Texte und Gedichte von Claudia Gabler, Dorothea Grünzweig, Kerstin Preiwuß und Uljana Wolf, dazu eine ausgewählte Bibliographie aktuell erschienener Gedichtbände.
Werhahn Verlag, Klappentext, 2009
− Zeitschriftenlese. Michael Buselmeiers Streifzug durch aktuelle literarische Zeitschriften. −
Eine neue Zeitschrift ist anzuzeigen, ein Jahrbuch eher, etwas blässlich Gegenstrophe. Blätter für Lyrik getauft, herausgegeben von Michael Braun, Kathrin Dittmer und Martin Rector, und zwar im Zusammenhang mit dem im September 2008 erstmals in Hannover vergebenen Hölty-Preis. Die Herausgeber sind bemüht, über die Dokumentation des Preises hinaus ein Forum für Lyrik zu etablieren. Zwar mangelt es, angesichts der verschiedensten Zeitschriften, nicht an Möglichkeiten zur Publikation von Gedichten, doch erscheint das einflussreiche, von Christoph Buchwald 1979 begründete Jahrbuch der Lyrik seit 2009 nicht mehr, und vielleicht kann die Gegenstrophe ja diese Lücke ausfüllen.
Die neue Publikation scheint dafür gerüstet. Die erste Ausgabe ist jedenfalls kenntnisreich und übersichtlich gegliedert: Unter der Rubrik „Premiere“ werden Gedichte bislang wenig bekannter Autoren vorgestellt. Die „Porträts“ widmen sich Dichtern, die 2008 beim Lyrikfest in Hannover gelesen haben: Dorothea Grünzweig, Norbert Hummelt, Norbert Lange und Uljana Wolf. In der Rubrik „Essay“ analysiert Michael Braun unter dem schönen Titel „Ein Lied aus reinem Nichts“ den „Sprachstoff“ der Jungen Lyrik. „Gute Dichtung“, heißt es dort etwas apodiktisch, beginne „mit dem Totalverlust aller Gewissheit.“ Sie müsse „vertraute Sprach-Strukturen aus den Angeln heben, sie dynamisieren und semantischen Zerreißproben aussetzen.“
Im Zentrum der ersten Gegenstrophe steht naturgemäß die Dokumentation des Hölty-Preises 2008, den der 1947 in Dresden geborene und dort lebende Lyriker Thomas Rosenlöcher erhielt. In seiner Laudatio arbeitet Martin Rector drei Motivkomplexe heraus, um die Rosenlöchers Gedichte kreisen: der blühende Garten, die höhere Anwesenheit der Engel und die banalen Requisiten des Alltags (wie Seife und Klappstuhl).
Idylle als Mangel
Wer dieser Ludwig Christoph Heinrich Hölty eigentlich war, wissen selbst Germanisten nur selten, auch wenn seine Wendung „Üb’ immer Treu und Redlichkeit“ noch hier und da ironisch zitiert wird. 1748 bei Hannover geboren, studierte er in Göttingen, wo er Mitbegründer des Hainbunds war, und starb bereits 1776, erst 27 Jahre alt. Etwa 140 Gedichte haben sich von Hölty erhalten. In seiner Dankrede widmet sich Rosenlöcher einfühlsam Höltys Gedichten.
Für Rosenlöcher ist der Hainbündler Hölty ein Idylliker. Wenn man das Idyll als Ausdruck von Mangelerfahrung begreift, trifft das auch zu. Viele seiner Gedichte sind melancholisch „auf das Ende zugesprochen“, also in Todesnähe geschrieben. Man könnte Hölty auch als ewig Einsamen vorstellen, dessen Werk schon auf Lenau und sogar auf Trakl voraus weist.
(…)
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