DIE KÖRBE
für John Montague, den kosmischen Bruder1
Zu den Festen des Namenspatrons
umkreise ich auf den Märkten,
einen von den wenigen Bauern,
der noch Körbe verkauft,
die er mit seinen Händen gemacht hat.
Ich kaufe immer mehr als einen,
ohne um den Preis zu feilschen.
Mich fasziniert diese geduldige Arbeit.
Und überdies sind ja nie genug da
für die Früchte des Gartens.
Aber die Meinen geben vor,
nicht mehr zu wissen, wohin damit,
und werden zornig.
Ich liebe das alte Handwerk
und fürchte, dass es verschwindet.
Schön wäre es, wenn der Friseur
nicht den Barbier umbrächte.
3. August 2004
Der Garten von Gerardo Vacana – Einführung von M. Carlin am 17.10.2008 in Frosinone2
Der Garten von Gerardo Vacana – Interview mit G. Vacana am 17.10.2008 in Frosinone3
Nach Gerardo Vacanas „opera prima“, dem Gedichtband GRUBENGAUL, der 1974 erschien und Texte aus den Jahren 1967 bis 1973 enthält, ist der Lyrikband DER GARTEN aus dem Jahr 2008 das zweite Werk des Dichters aus der Ciociaria, das ich übersetzt habe.
Mehr als 40 Jahre liegen zwischen den beiden Werken.
Was mich einst reizte, Vacanas ersten Gedichtband zu übersetzen – die Übersetzung erschien 2009 im Verlag Österreichisches Literaturforum in Weißenkirchen in der Wachau –, das war, wie ich damals in meinem Vorwort dazu schrieb, die Schlichtheit des lyrischen Diskurses, dessen Thematik konsequent dem Materiellen, Physischen verhaftet bleibt und sich in keiner Zeile zum lehrhaft Metaphysischen versteigt; das war auch, dass der Autor geflissentlich den poetisierenden „hohen Ton“, das Spiel mit dem vag Bedeutungsträchtigen der Wörter vermeidet und, dem Konkreten unverdrossen treu, fast ohne Metaphern und Vergleiche auskommt…
Das, was derart, zumindest in meinen Augen, die Poetik des Autors von GRUBENGAUL ausmacht, trifft in noch viel höherem Maße auf die Machart der Texte in seinem letzten Gedichtband L’ORTO zu. Vacana setzt sich zwar in den zahlreichen Gedichtbänden seiner literarischen Karriere immer wieder mit dem Menschen und dessen Stellung in der Gesellschaft, mit der Landschaft, vor allem mit „seiner“ Ciociaria, mit der Liebe und der Religion auseinander; auch ihm sind die „human matters“ und die Innenwelt des Menschen, die ja im Mittelpunkt des Interesses der Lyrik aller Länder und Zeiten stehen, stets ein Anliegen gewesen, wenn auch, in meinen Augen, nie das ihm wichtigste. In DER GARTEN allerdings weist er ein ganzes Buch lang dem Menschen und seinen Befindlichkeiten entschieden eine untergeordnete Rolle zu. Der Dichter bescheidet sich in seinem jüngsten Buch konsequent mit einem einzigen Gegenstand: mit dem, zwar vom Menschen gemachten, aber doch von ihm nie ganz beherrschbaren, geheimnisvoll bleibenden Natur-Phänomen des Gartens.
(Der Übersetzer dieses Buchs ins Deutsche steht übrigens dem unlösbaren Problem gegenüber, dass das Italienische zwei Wörter für den deutschen Begriff „Garten“ hat, „giardino“ – der Blumen- und Ziergarten – und „orto“, der Gemüse- und Nutzgarten. Im Zentrum von Vacanas lyrischem Interesse steht immer der Gemüse- und Nutzgarten.)
Was die zumeist kurzen, in der Regel einseitigen, formal und sprachlich anspruchslosen, also eingängigen Texte von DER GARTEN so reizvoll macht – was für ein Vergnügen, einmal zeitgenössische Gedichte zu lesen, die sich schon nach einmaligem Lesen dem Verständnis erschließen! –, das ist ihre durchaus raffinierte, diskrete Schlichtheit, ihre behutsam didaktische Lakonik, die an Kalenderverse aus früheren Zeiten oder an Bauernregeln gemahnen, das ist die unverstellt pragmatische Annäherung an die zivilisatorische Institution des Gartens, der einst den Menschen oft – und nicht nur in Kriegszeiten – das Überleben ermöglichte, das ist Vacanas erstaunliche Naivität des lyrischen Beschreibens und Beratens, die sich immer wieder als ungebrochen, echt herausstellt, das ist letzten Endes auch die unzeitgemäße Bescheidenheit, mit der Vacana über das derart alltägliche, unspektakuläre Sujet, wie es eben ein Gemüse- oder Nutzgarten irgendwo in der Nähe eines Hauses auf dem Land oder in der Stadt ist, so einfach, so selbstverständlich, aber so eindringlich zu DICHTEN versteht…
Gerardo Vacanas Buch DER GARTEN ist ein Werk, das mir als Übersetzer die nicht immer leichte Arbeit daran zu einem reinen Vergnügen gemacht hat. Für den heutigen Leser, der noch bereit ist, Natur wahrzunehmen, der die Arbeit im Garten als Bereicherung empfindet, wird das Buch zweifellos nicht nur ein literarisches Lesevergnügen sein, sondern möglicherweise sogar ein praktischer Ratgeber.
Hans Raimund, Hochstrass, im März 2010, Vorwort
David Axmann: Wider-Klang der Welt-Betrachtung
Wiener Zeitung, 3.4.2015
Hans Raimund im Interview mit Gerhard Winkler für die Literatur-Edition-Niederösterreich am 13.4.1999 in Hochstraß.
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