Gerhard Falkner: Bemerkungen zum Gedicht von Ulf Stolterfoht

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Kern“

Im Kern

– Zum Gedicht von Ulf Stolterfoht. Auswahl aus Ulf Stolterfoht: fachsprachen XIX–XXVII. –

 

 

 

 

ULF STOLTERFOHT

„zierliche bienen“
„didaktische biber“
„wehrhafte(s) pferd“
„nistelnde elstern“
„ein wenig käuzchen heut nacht“
„eigentlicher geweidefisch“
„gewissermaßen kuh in kuh“
„kein ammernschlag“
„auch heißt es eisen hunden rotten“

Ulf Stolterfoht: fachsprachen XIX – XXVII

 

Vignetten neuer deutscher Dichter

Jeder kann heute (12. Februar 2004) Dichter werden, schreibt der Dichter Stolterfoht, und jeder kann heute abend, am 17. Dezember 2004 hören, wie das geht oder geschieht, ringt oder klingt, ob im Lufthansa-Hemd oder Literaturhaus, er kann Zeuge werden der konfrontativen Bedrohung: Grauhudel ante Schwalminger, und zumindest heute Abend, am 17. Dezember 2004, darf vom Dichter nicht behauptet werden: Und keine Sau kümmert sich drum.

Der Dichter des Gedichts „journal einer reise ins innere der kuh“, Ulf Stolterfoht, ist gelehrter Sophist, Seziest, Rabulist, Pastiorist, vielleicht auch Autist, bestimmt jedenfalls Autor, Erreger und Direktor heimtückischer Fachsprachen, u.a. zur Anwendung gebracht für das Besingen „der Zerstörung der Fische durch das Wasser“.
Da Stolterfoht schreibt, ist er, seiner eigenen Schlussfolgerung folgend, verleibt, was zum Glück nicht heißt, verlebt, aber dennoch so etwas wie ein fleischgewordenes Hoppla für den Hybridgenerator.
Was soll das heißen, fragen Sie sich vielleicht: Die Schnatter, das Abspiel, der Spul.
Das heißt erst einmal gar nichts anderes als das, was es heißt, was dasteht, ohne Wallungswert, ohne innere Resonanz, ohne Sicht auf eine Seelenlandschaft, und vielleicht sogar ohne einen Anflug von Kunst.
Stolterfoht ist ein Anti-Elegiker…
Der Text, abgesteckt mit poetischen Eckdaten wie: optisch geschlossener Vers, querschlägiger Binnenreim, Assonanzen en masse etc. ist mehr oder weniger ein Durchgangslager für emigrierende und immigrierende Sprachen, oft mit rasantem Humor verhört, in schnellen Schnitten bewegt und insgesamt mit „etwas weniger schrunst“ als das vermeintliche Edelgedicht.
Während die gepfählten Köpfe der deutschen Geistesgeschichte, Hamann, Hartknoch, Herder u.v a. über den Textspiegel hinausragen, als hielten sie Ausschau nach einem rettenden Ufer, verrichten im Textinneren Schmalzhexen mithilfe von Terminologien unterschiedlichster Provenienz ihr sinisteres Spiel der Verkettungen, Entkettungen, Aushebelungen, Zerstückelungen, Fachsprachen oder Verlachsprachen und werfen ihre Vorgriffsreime und Rückgriffsreime gegen die hermetische Bresche.
Die Schachzüge von kristallinen Vorzeigegedanken geschehen inmitten eines Bestiariums geschmeidiger Füchse, zierlicher Bienen, wehrhafter Pferde, didaktischer Biber, jaulender Eulen und kurzweiligen Hinweisen auf Hölderlins Lyrikprogramm.
Obwohl man Stolterfoht bei Gott nicht nachsagen kann, er sei ein Naturlyriker, hat er, verglichen mit den anderen Lyrikern heute Abend, die alle drei jedenfalls viel eher in diese Richtung tendieren, das bei weitem höchste Tieraufkommen.
Die „masse schmeichelt sich bis hoch ins tier“ heißt das in seinem eigenen Satz.
Und wer nicht weiß, was ein „milchender Olm“ ist, dem ist eben nicht zu helfen.

Gerhard Falkner, Park – Zeitschrift für neue Literatur Berlin, Heft 63, Juni 2009

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