über dichtung. wie man seine art gewinnt, ein
erzählgedicht. über dichtung. wie lautet die kun-
de. bitte. akzeptiere. ihre schiere unkenntnis
darüber. daß es wahr war. wenn es zeit ist da-
für. plazieren sie. das klavier. hier. vorbehaltlich
sie. sei wirklich. ziemlich leidlich. ein vergnügen.
was deren. kunde. bestätigt. daß er. gesträuch.
und blumen. züchter war. und laß es. teilweis.
besser. sein. hier zu sein. sicher. Ist es. ein fehl-
ler. berühmt zu sein. ebensowenig. sollten sie.
sich. ohne ich. mit einem mal. mehr. butter. bor-
gen. noch geradezu. um pilze. bitten. bzw. nicht
einmal scherzen. betreffs eines harnisch. für sie.
oder stufen. sie mag. nach allem was man so hört.
trotzdem. leidlich achtsam sein. auf die leichte.
oder leichthin. fordern. es zu sein. nach ihrem be-
lieben. ist es wirklich gut. gut ausgewählt. zu haben.
noch hätte es. verdruß. für sie. bedeutet. nachlässig.
beäugt. zu werden. noch hatten sie. saatgut vergeu-
det. es beginnt. wie man seine art gewinnt. was
bewirkt. daß dichtung spricht. ein erzählgedicht.
über dichtung. und freundschaft. ununterbrochen.
von deren eindruck. sei oft schon erzählt. dieses.
in summa. war ihnen ein vergnügen. versteht sich.
veröffentlicht posthum 1956, im sechsten Band der Yale Edition of the Unpublished Writings of Gertrude Stein, ist fast vollständig aus dem Bewußtsein der Leser verschwunden und nur noch Stein-Spezialisten ein Begriff, obwohl dieses Gedicht das fehlende Bindeglied darstellt zwischen den beiden radikalsten Texten Gertrude Steins, den Tender Buttons von 1914 (Deutsch erstmals 1979; 2004 in der wunderbaren Neuübersetzung von Barbara Köhler) und den Stanzas in Mediation (1932; unübersetzt). Gemeinsam ist diesen drei Texten der Versuch, ihre Bestandteile so hoch zu organisieren, daß sie keines Verweissystems außerhalb ihrer selbst mehr bedürfen, um zu funktionieren. Untersuchungen in Selbstverkörperung und Selbsterläuterung also, und wo die Tender Buttons den Hebel vor allem unterhalb der Wortebene ansetzen, im Bereich der Phoneme und Morpheme, handeln die Stanzas oberhalb der Wörter, im Syntaxgelände. Die Arbeit am Wort bleibt im wesentlichen dem hier vorliegenden Gedicht vorbehalten…
Ulf Stolterfoht, Vorwort
steht formal zwischen den Prosastücken „Tender Buttons“ und den „Stanzas in Meditation“, zu denen es unmittelbare Vorarbeit ist. Erst ein Mal posthum 1956 in Amerika veröffentlicht, ist diese zweisprachige Ausgabe die erste Wiederveröffentlichung des Originaltextes. Die Übersetzung durch Ulf Stolterfoht ist eine ebenso genaue wie poetisch durchgearbeitete Reverenz an die Steinsche Welt ganz aus Wörtern.
Urs Engeler Editor, Ankündigung, 2005
− Ulf Stolterfoht übersetzt Gertrude Stein. −
1931 stellte der Kulturkritiker Edmund Wilson Gertrude Stein in eine Reihe mit James Joyce, Marcel Proust, William Butler Yeats und T.S. Eliot, obwohl Stein damals noch keiner breiteren Leserschaft bekannt war; denn erst ihre im Sommer 1932 in sechs Wochen verfasste „Autobiography of Alice B. Toklas“ und der von Virgil Thomson nach ihrem Libretto komponierte Broadway-Erfolg Four Saints in Three Acts von 1934 sollten sie wirklich berühmt machen. In avantgardistischen und in spezialisierten universitären Kreisen war ihr Name 1931 jedoch längst ein Stern. Grund genug für sie, schon damals auf ihre Art über Ruhm nachzudenken, genauer über das Verhältnis von Dichtung und Ruhm und über die damit zusammenhängenden Gegenstände. So entstand „Winning His Way“, ein Langgedicht von über 50 Seiten, verfasst in der Sommerfrische in Bilignin, veröffentlicht aber erst 1956, zehn Jahre nach dem Tod der Dichterin. Nun legt Urs Engeler eine Edition vor, die neben der links gesetzten deutschen Übersetzung von Ulf Stolterfoht rechts das amerikanische Original herlaufen lässt.
„Winning His Way“ charakterisiert der Untertitel als „A Narrative Poem of Poetry“, als „ein erzählgedicht über dichtung“. Es gehört von der Textart her, wie etwa die Bände Tender Buttons (1914) und Stanzas in Meditation (1929–32), zu jenen typischen experimentellen Stein-Texten, in denen die Autorin jenseits aller Gefälligkeit im Steinbruch von Wortschatz und Syntax „zur geräuscherzeugung“ arbeitet. Aus den Fund- und Verweisstücken entsteht ein in sich selbst ruhendes, schwingendes Texterzeugnis, eine „instinktiv. und allgemein“ gesetzte Welt ganz aus Wörtern. Gegen das Ende des Meta-Meta-Texts über Dichtung heisst es:
was ist dichtung. das ist dichtung. sich nicht. zu verweigern. sie zu hören. noch. sich weiter drum. zu scheren. da wäre es nett. genauer. zu wissen. was dichtung ist. das. ist dichtung. zart gebaut. und erfreulich.
Steins Poesie verzichtet auf semantische Engführungen; sie erzeugt einen blühenden Garten der Zeichen, ohne sich – dokumentarisch oder fiktiv – irgendwo festzulegen: „einen richtig netten garten hast du mir da hingestellt. voll von dingen. die mir freude bereiten. für mich. ein grossartiges gefühl“, scheint dazu die Dichterin des berühmten Rosensatzes wie zu sich selbst zu sagen. Aber mit Gertrude Steins Rosen und Gärten ist es solcherart bestellt, dass man sie gemäss einem Hinweis ihres Biografen John Malcolm Brinnin „nicht ‚lösen‘, sondern nur hinnehmen“ kann. – In der neuen Edition von „Winning His Way“ gestaltet sich der Hin- und Widergang zwischen Übersetzung und Original als fruchtbares Leseabenteuer, da der 1963 in Stuttgart geborene und heute in Berlin lebende Lyriker und Übersetzer Ulf Stolterfoht, Autor der dreibändigen Gedichtsammlung „fachsprachen“, sich innovative Freiheiten nimmt, ohne das Original aus den Augen zu verlieren. So übersetzt er Steins „That. It. Was oftener. / Thinking. In their heart. Sublime. / Nicely. Known“ mit „kam es. ihrerseits. vermehrt. zum herzensdenken. himmelhoch. wohl. bekannt“; oder, rüd und kühner noch, den Vers „Seriously. Meaning. Fame“ mit „kein scheiss. wir sprechen. von ruhm“.
Auch wenn man Stolterfoht die vom Original abweichende konsequente Kleinschreibung und die Nichteinhaltung der Zeilenbrüche ankreiden mag, welche die Verse zur Prosa einplättet, so muss man anderseits die frische Erfindungskraft seiner Übersetzung bemerken und den intellektuellen Konterpart respektieren, den sie dem Original bietet. Und loben muss man ihre Heiterkeit, welche die dissoziative Weite der von Gertrude Stein geschaffenen unverkrampften Textatmosphäre sinnreich unterstützt.
− Gertrude Steins wundervolles Erzählgedicht Winning his Way. −
Selbst Leser, die sich mit der klassischen Moderne vertraut glauben, kennen von ihr kaum mehr als jene Zeile von Rose, die eine Rose, eine Rose ist – und denken ansonsten vor allem an ihren berühmten Kreis in der Pariser Rue de Fleurus, wo sich die prominentesten Erneuerer in Farbe und Wort einfanden, Matisse, Picasso und Braque, Apollinaire und die Autoren der „Lost generation“, wie Gertrude Stein selbst sie taufte, John Dos Passos und Ernest Hemingway. Einzig James Joyce, der nicht weit weg im selben Quartier wohnte, hielt sich fern vom Salon der experimentellen Übermutter, wie auch Stein gegenüber dem innovativen Iren ihre Vorbehalte hatte:
Joyce ist gut. Er ist ein guter Schriftsteller. Die Leute mögen ihn, weil er nicht zu begreifen ist und jeder ihn verstehen kann. Aber wer war zuerst da, Gertrude Stein oder James Joyce? Vergessen Sie nicht, dass mein erstes großartiges Buch, Three Lives, 1908 publiziert wurde. Das war lange vor Ulysses. Doch ein bisschen hat Joyce doch erreicht. Sein Einfluss ist allerdings eher begrenzt.
Ein Zitat, das nicht nur Steins Ruf als Exzentrikerin erhellt, das nicht nur von einem vor Gesundheit berstenden Selbstbewusstsein zeugt, sondern tatsächlich etwas von jener Wertschätzung widerspiegelt, die ihrem dichterischen Werk, nicht nur von ihr selbst, seit jeher entgegengebracht wurde und noch immer wird. Ein großes Publikum konnte Stein nie erreichen, doch ihre Tender Buttons beeinflussten ganze Generationen von nachfolgenden Autoren – angefangen mit Ernest Hemingway, der ihr Manuskript abtippte.
Ulf Stolterfoht hat nun ein kaum bekanntes, auch im englischen Sprachraum seit langer Zeit nicht mehr gedrucktes Langgedicht Steins ins Deutsche übertragen – Winning his Way, ein „Erzählgedicht über Dichtung“, das erst zehn Jahre nach dem Tod der Dichterin zusammen mit den (noch unübersetzten) Stanzas in Meditation veröffentlicht wurde. Dass es wie bei den meisten Texten Steins nicht um eine wortwörtliche, sinngemäße Übertragung gehen kann, liegt auf der Hand, denn gerade aus ihrer zu engen Bindung an Sinn und Syntax wollte Stein die Wörter lösen. Das zwingt dem Übersetzer so viele Freiheiten auf, dass ein zweiter Schöpfungsakt in der Zielsprache, eine Dichtung nach den Vorgaben Steins am gewinnträchtigsten ist. Die „absichtslose Offenheit“, die Stolterfoht in seinem knappen Vorwort bewundernd herausstreicht, ist so auch seiner Fassung eigen.
Angesichts der Schwierigkeiten, die Steins assoziative, sich vom Klanglichen leiten lassende Schreibweise bietet, kommt er immer wieder zu überraschenden und äußerst glücklichen Lösungen, etwa wenn aus der Passage „Finding it. / An aunt. / No one. Mentions ants“ das deutsche „eine amme. zu finden. keiner. erwähnt. / ameisen“ wird. Noch fugenloser, wenn auch dankbarer die folgende Stelle: „zu keiner zeit. würds naheliegen. dass man sie wirklich hörte. her- / de. wie zählt man kühe“ („At no time. Should they. Suggest. / That they were very well heard. / Herd. How are cows. Counted“). Auch der Kalauer „A little poem. Says. A Turk. / Can. Work“, den Stolterfoht mit „ein kleines gedicht. sagt. / ein lappe. kann. klappen“ überträgt, kann als Beispiel dienen. Anderswo macht er aus der Not eine Tugend und kompensiert Unmöglichkeiten, indem er die deutsche Dichtung nach Steinschen Prinzipien anreichert, ob „kindness“ zu „gefallfall“ und „strangeness“ zu „merkwürde“, ob aus „Doubling. Action“ ein saloppes „doppel. moppel“ wird oder ob die „Hurt strawberries“ sich in etwas noch Schöneres verwandeln, nämlich in „verheerte. erd- / beeren“.
Bei alldem könnte Winning his Way doch weit weniger radikal als beispielsweise die Tender Buttons erscheinen, wäre da nicht die verstörende Neuerung der exzessiven Interpunktion, die den Text ohne Rücksicht auf die Satzführung und -melodie in kleinste Partikel unterteilt, was ihn abgehackter, zugleich aber auch gelenkiger und beliebig drehbar macht. Unterstützt wird dies durch sehr knappe, oft nur aus einem einzigen Wort bestehene Zeilen. Die größte übersetzerische Freiheit besteht demnach auch darin, die Zeichensetzung zwar beizubehalten, die Kurzzeilentechnik aber zugunsten einer aus sechs langen Zeilen gefügten Strophe (wie sie Stolterfoht auch in seinen Fachsprachen-Gedichten verwendet hat) aufzugeben. Vielleicht, so könnte man mutmaßen, wird so über Gebühr erleichtert, was auch bei Stein möglich, aber doch bedeutend mühsamer ist: Die Punkte schlicht zu überlesen und dem erzählerischen Fluss zu folgen. In der Tat nämlich weist Winning his Way, wie es ja schon der Untertitel verkündet, stark narrative Elemente, gar ein umfangreiches Personal, darunter Lolo, Frederic, Herman und andere, auf – wenn auch sicherlich keine stringente Handlung. Stattdessen hält Stein immer wieder inne, um sich ihrer Grundthemen Dichtung, Freundschaft, Ruhm zu versichern, setzt sie immer wieder an, wiederholt Titel und Anliegen ein ums andere Mal. „ein langes erzählgedicht. kann. unterbrechung. verweigern“, heißt es. Umgekehrt ist zu fast jedem Zeitpunkt ein Einstieg möglich. Ein hoher Grad an Abstraktion ist in diesem Strom ebenso zu erwarten wie das unvermittelte Auftauchen überaus sinnlicher Ingredienzen, eines schwarzen Huhns, eines Stückchens Seide oder der vielfach (auch als Selbstzitat ihrer großen Erfolgszeile, der Steinschen Singleauskopplung) genannten Rose.
Natürlich kann Steins poetisches Verfahren mitunter ermüdend wirken. Selbst dann noch aber staunt man über die Virtuosität, mit der sie ihrem Leser im besten Wortsinn auf den Geist zu gehen versteht. Hängen bleiben dort letztlich nicht nur die klanglich-assoziativen Kabinettstückchen, sondern auch herrlich absurde, ja alberne Einfälle, reizvolle Reflektionen und eine Vielzahl dichtgefügter Passagen und Zeilen, von denen folgende vielleicht am schönsten sind:
ich habe ernsthaft über
feigen und stachelbeeren nachgedacht. und frage mich ob sie mir zu-
stimmen.
3. Erlanger Literaturpreis für Poesie als Übersetzung 2009 an Barbara Köhler und Ulf Stolterfoht.
Zwiesprachen: Swantje Lichtenstein spricht über Gertrude Stein am 24.1.2017 9m Lyrik Kabinett, München
Hans Magnus Enzensberger: Überlebenskünstlerin Gertrude Stein
Brigitte Schwens-Harrant: Gertrude Stein: the Making of Sprache
Die Furche, 21.7.2021
Brenda Haas: Gertrude Stein – Eine komplexe Pionierin
dw.com, 27.7.2021
Lorina Speder: Gertrude Stein hat früh den Begriff von Queerness geprägt
queer.de 3.2.2024
Nuria Langenkamp: Die Frau, die Picasso und Hemingway gross machte
Neue Zürcher Zeitung, 10.2.2024
Ulf Stolterfoht liest 2009 im Aufnahmestudio von lyrikline.org.
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