GEHEIMMISSION ,VAN GOGH‘
die operation erstürmte leinwand
blieb stecken.
deine selbstporträts:
mörderische projektile.
gesprengt: museen und akademien
in trümmern.
in deinen augen funkeln trompeten
von engeln mit zerplatzten lungen.
da du deiner schläfe
den dosenöffner näherst.
Predrag Bogdanović Ci
Übersetzung Michael Speier
MISSION IMPOSSIBLE: VINCENT VAN GOGH
Die Offensive zur Eroberung der Leinwand
wurde gestoppt.
Deine Selbstporträts
waren die verheerendsten Geschosse.
Eine langanhaltende Detonation
riss Museen und Akademien nieder.
In deinen Augen schimmern die Posaunen
der Engel mit den gebrochenen Lungenflügeln.
Während du einen Dosenöffner
an deine Schläfe hältst.
Predrag Bogdanović Ci
Überstzung: Marcus Roloff
VINCENT VAN GOGH: UNDERCOVEREINSATZ
Der Eroberungsfeldzug gegen die Leinwand
zerrieben.
Tödlicher nie eine Kugel
als deine Selbstporträts.
Museen und Akademien mit Sprengstoff
dem Erdboden gleichgemacht.
Dein Glanz in den Augen: die sieben
Posaunen der Engel nach dem Lungenkollaps.
Jetzt setzt du den Büchsenöffner
dir an die Schläfe.
Predrag Bogdanović Ci
Übersetzung Marcel Beyer
Ein schneebedecktes Feld. Doch 6 Flöckchen lassen sich darin erkennen. Ein „dichtes Land der Dichter“ (Lorenc!), aber im Süden, wo es kalt ist, wo es die Taiga nicht gibt, dafür doch Kriege und Frieden „alle 27 Jahre im Durchschnitt“ (Geschichte!). Dort fließt die Donau, man hört sie zwischen den Flüchen der Flüchtlinge aus diesem oder jenem Krieg (Handke!). Allgegenwärtig und (deswegen?) unkenntlich, unmerklich, ein nicht zu bewältigendes Hindernis, so wie die Spree, wenn man flussaufwärts eigene Literatur exportieren will. Es sei denn, eine Hand wird gereicht, eine Laterne angemacht, ein Hinweis geflüstert. Und alles wird gut, nema problema (нема проблема). Flussabwärts läuft (schwimmt, fließt, bewegt sich) Fortschritt, Ideen, Kultur, Technik, Geld, gelegentlich auch Tote und Seine Magnifizenz Krieg, Nebenwirkung der sturen Zielstrebigkeit. Zwei Funktionen der Balkannaht: Sie weist auf die Grenzen hin und hält das Ganze zusammen.
Im Süden, wo es kalt ist, spricht man kyrillisch (Beyer!). Man ist immer spät dran, sogar die Feiertage sind zwei Wochen zu spät, nichts funktioniert, lediglich Ostern fällt gelegentlich richtig… und falsch sind tako evropske (тако европске) Kategorien, vor allem, wenn man unter der Haarspalterei leidet. Die richtigen Verhaltensweisen sind immer die unseren, richtig und falsch sind Sachen der Lust und Gewohnheit. In der Literatur sogar des (guten/richtigen?) Geschmacks. Gemeinsame Interessen sind selten, wenn sie durch die Liebe zur Literatur zustande kommen, freut man sich. Und dann ist alles leicht, man versteht sich, begegnet sich mit Humor, man ignoriert sich kaum mehr. Und die Sprache des Anderen wird richtig gut verstanden, sie ist dann nicht mehr falsch. Und es wird ehrlich gelacht, wie mit einem Verwandten, der lange abwesend war und nun zurückgekehrt ist.
Alte Metapher: ,,Nemci – die Stummen, Sloveni – die Sprechenden“ (oder die Ruhmreichen, oder die Partygeilen (salopp!)). Wie im Orakel macht ein Komma den Unterschied: hermetisch ist die Sprache der Dichter immer wenn sie schreiben öffnen sich die Türen. Und jeder spricht die seine, auch wenn sie aus dem Süden kommen, wo es kalt ist. Nicht auf drei Sprachen hat sich das südslawische Babylon entzweit, die Sprachen der Dichter waren es (so viele es nur gab, und wenige waren es nicht in der „dichten Landschaft der Dichter“). Miteinander sprechend, füreinander dichtend, konnten sie sich nicht mehr verstehen (und hier und jetzt verstehen wir uns, die 14 (Aus-)Erwählten(!)). Andere Sitten, andere Schulen, Traditionen, gleiche Pflichtlektüre, ähnliche Verssucht. Vor allem aber – unterschiedliche Dichterfreunde. Die Unseren sprechen noch immer unsere Sprache. Auch wenn die eigene einem lieber ist. Auch wenn die gleiche Sprache nicht bedeutet, dass man sich verstehe. In ihren Zügen tragen sie alle eigene Geschichten, eigene Gedanken, eigene Musik, eigene Wiederholungen. Pathos der Sprechenden, das den Stummen zum Vorschein kommt. Wenn ihr es hört, erkennt ihr es gleich, außer wenn es im Humor steckt oder sich durch heidnische Rufe in die alanische Heimat schleicht (ja, Bobrowski, Alanen und nicht Sarmaten!). Und es kommt gerne vor, wenn die Rede von Zebressen und Störchen im Schnee ist oder von den Doppelgängerküchen, von Dachsen oder Büschen. Und immer mit ihm auch die Melancholie der Partymenschen vom Süden, wo alles, tief im Minus, dicht beschneit ist.
Hans Thill, Nachwort
– Sibirien und Serbien. So weit auseinander ist es doch nicht.
Und die Sprache ist gleich…
– Ganz nah, doch! Und ja, die Sprache ist tatsächlich ähnlich. Fast gleich.
Aus dem Gespräch zwischen einer Australierin
und einem Österreicher am Osteuropa Institut der FU Berlin
Wer sind die Serben? Was ist die Serbische Poesie? Diese Fragen passen normalerweise nicht in eine „nationale“ Anthologie, die sich mit der Poesie eines Landes beschäftigt, auch wenn eine solche Anthologie bekanntlich oder angeblich, abhängig von der Perspektive, diesen Fragen am besten Rechnung tragen kann. In vielen Büchern der Reihe Poesie der Nachbarn kann man von der Poesie eines Landes oder einer Sprache ausgehen. Doch wenn es um den Balkan oder den Westbalkan, das ehemalige Jugoslawien oder Süd-/Osteuropa geht, sind weder die Sprache noch die Länder aufgrund (oder vielmehr infolge) der gemeinsamen Geschichte so leicht auseinanderzuhalten. Die Literaturen dieses Kulturraums lassen sich nicht so leicht (oder nur sehr begrenzt) in das Prokrustesbett der sturen nationalstaatlichen Kategorien des Westens bzw. Westeuropas legen. Viel mehr als um die Ethnie/das Volk/die Nation/den Staat oder gar die Sprache (und in manchen Fällen gar die Religion) geht es hier um das Selbstbewusstsein und um die eigene Entscheidung, als Schriftsteller zu etwas zu gehören und somit für etwas zu stehen, das man mit einem Begriff bezeichnet oder verbindet (der wiederum für ein Land oder eine Sprachheimat steht). Die unsichtbaren Unterschiede sind dabei entscheidend, denn vor allem durch die Literatur werden sie artikuliert. Und wenn es schon um „für-etwas-stehen“ geht, also um die Frage der Repräsentanz, so muss man weiterfragen, wofür die Gedichte der hier vorgestellten, Dichterinnen und Dichter stehen und was sie einem deutschen Leser in ihren unterschiedlichen Übersetzungen vermitteln. Die obigen Fragezeichen seien hier also richtig, obwohl man kaum oft genug daran erinnert werden kann, dass solche Gretchenfragen (woher eigentlich?!) zu verbannen sind, wenn man nicht zum Kommissär oder gar Gründer einer religiösen oder ideologischen Zensurbehörde werden will.
Im Voraus soll gewiss sein: Dieses Buch verspricht auf keinen Fall, dass der Leser zufriedengestellt wird. Im Gegenteil rechnet es mit seiner Unzufriedenheit, es hofft auf Irritation des Lesers, es will und wird ihn darauf drängen, dass er sich auf die Suche nach Alternativen zu den hier vorgestellten Autoren begibt. Das Buch soll Neugier wecken, eine Ohrfeige den Erwartungen und ihren Horizonten verpassen, die Literaturwissenschaftler und Slawisten mit ihren Absichten zu einer Vivisektion der Poesie (sowie alle, die es ignorieren) verhöhnen. Und ja, wir stehen bei den Autoren und deren Gedichten, und würden keinen einzigen durch einen anderen ersetzen. Und doch leiden wir darunter, dass wir nicht noch weitere hinzufügen konnten, sondern uns mit dem endlichen Umfang des Buchs und der gegebenen Zeit für die Arbeit abfinden mussten.
Die in der vorliegenden Anthologie vertretenen Autoren lassen sich nicht einem ideologischen Klan, einer poetischen Schule oder literarischen Bewegung zuordnen. Sie stammen aus verschiedenen literarischen Verbänden, was jedoch außer vielleicht politischer, und das nur zum Teil, keine wirkliche Auswirkung auf deren Lyrik hat. Somit stecken sie den Raum (das poetische Kontinuum!) von den Revolutionären starker Worte zu den Ästheten der Sprache mit zierlichen Bildern ab, sie gehören zu verschiedenen Generationen und standen im Laufe ihrer Entwicklung sehr oft unter vollkommen ungleichen literarischen und politischen Einflüssen. Einige von ihnen sahen sich persönlich als Vertreter der politischen und andere wiederum der künstlerischen Bewegungen oder besuchten bestimmte Lyrikschulen, deren Lehren, Ideologien und Politiken sie dann aber letztendlich aufgaben. Alle zusammen stehen sie vor allem für die Vielfalt serbischer zeitgenössischer Lyrik, für den Kommunikationsraum, der sich durch seine Teilnehmer als serbisch definiert oder sich sogar als solchen dementiert, für die Sprache, welche ihnen allen gemeinsam ist und sie die ihre nennen, und für die Verse, die sie auswendig können und in Pausen (während sie im Garten des Edenkobener Poesiepalastes diskutierten oder am Frühstückstisch des Hotels saßen) vortragen.
Die Dichterinnen Milankova und Ristović zeichnen sich zwar durch unterschiedliche Poetiken aus und gehören verschiedenen Generationen an, entstammen aber beide wichtigen serbischen literarischen Dynastien, denn ihre Väter waren bekannte serbische Autoren Momčilo Milankov und Aleksandar Ristović. Beide Dichterinnen bestimmen die Poesielandschaft Serbiens mit ihren eigenen und charakteristischen Stimmen, die sich auf sehr individuelle Weise entwickelt haben. Sie sehen sich stolz in ihren literarischen Familientraditionen, aber poetisch doch sehr unterschiedlich zum Schaffen ihrer Väter. Durch ihr Schaffen öffnet sich der Blick des deutschen Lesers für die weiblichen Töne in der serbischen Poesie der Gegenwart. Ihre Themen unterscheiden sich selbstverständlich: Milankova, serbische Schriftstellerin deutscher Herkunft (die hier zum ersten Mal in dieser Sprache erscheint), anfangs in der Tradition der modernen serbischen Nachkriegsdichtung stehend, welche von Autoren wie Vasko Popa oder Miodrag Pavlovic dominiert wurde, nahm einen eigenen Weg, indem sie sich von amerikanischen Beat-Tönen der 70er Jahre anhauchen ließ, unter anderem dank ihres Aufenthalts in Allen Ginsbergs School. Sie fand einen eigenen Ausdruck, der sich in ihrem Werk durch die persönlichen Töne auszeichnet, während die Themen einerseits in die Antike greifen und andererseits den Alltag überdenken. Ob wir in ihren Gedichten den Gedanken Kleopatras begegnen oder den lyrischen Betrachtungen über die Architektur der Wohnblöcke, immer folgen wir einer weiblichen Stimme, die fast vertraulich die teuren Geheimnisse preisgibt. Ana Ristović ist in Deutschland und in der literarischen Szene Westeuropas schon seit einiger Zeit präsent und relativ oft zu Gast. Ihre Poetik spricht den Leser mit ihren spezifischen (Sprach-)Bildern an. Gelegentlich durch einen düsteren Humor gekennzeichnet und mit absurden Metaphern verbunden, ist in ihrer Poesie ein kühler, distanzierter Blick festzustellen. Mit ihrer Themenwahl scheut sie weder den Medienalltag noch scheut sie sich vor einer polemischen Sicht auf Erscheinungen aus der (Kultur-)Geschichte, behält aber immer eine persönliche Haltung und sehr oft eine leicht ironische Ansicht, welche auch für den Leser unentbehrlich ist.
Die männlichen Dichter unterscheiden sich voneinander nicht nur hinsichtlich ihrer Poetik, sondern auch bezüglich ihrer Themenauswahl. Predrag Bogdanović Ci und Jovan Zivlak gehören der Generation jener Dichter an, welche sich anfangs unter dem Einfluss der großen Erneuerer der serbischen modernen Poesie entwickelte. Predrag Bogdanovic war einer der Anführer der großen Studentendemonstrationen des Jahres 1968. Als Folge seiner subversiven Arbeit musste er nach dem Scheitern des studentischen Aufstands das Land verlassen und flüchtete nach London, wo er sich mit der Jugendkultur des (aus der damaligen jugoslawischen Sicht) kapitalistischen Westens vertraut machte. Zurück in Jugoslawien und nach dem Absitzen der Gefängnisstrafe, zu welcher ihn die kommunistische Regierung verurteilt hatte, setzte er seine literarische Tätigkeit fort, beeinflusst einerseits durch die für damalige Begriffe fortschrittliche Rock ’n’ Roll-Kultur (sogar mit Anklängen aus dem Punk) und andererseits von der Rückkehr zu vormodernen Motiven der serbischen oralen Tradition. Das soziale Engagement, die Begeisterung für das Motiv des Rebellen (entweder gegen die gesellschaftliche oder die natürliche Ordnung) und manchmal sogar religiöse Themen erscheinen in seinem Werk fast gleichmäßig. Im Gegensatz dazu spielen in der Lyrik Jovan Zivlaks die metaphysischen Probleme eine große Rolle. In seinen Gedichten wird (gerne auch mit philosophischen Begriffen) das Dasein des Dichters diskutiert. Durch die französische postmoderne Theorie geprägt, nicht zuletzt wegen der jahrelangen Leitung einer Zeitschrift für Theorie und Literatur, erscheint in seinen Gedichten oft das Motiv des Verschwindens, des Todes, der Vergänglichkeit. Eine Reflexion jenseits des Konflikts dominiert sein Schaffen, das trotz der gelegentlich starken Bilder von eher melancholischen Tönen des erlebten Kulturpessimismus beherrscht wird. Eine weitere Eigenschaft seiner Poesie ist die sehr reiche aber implizite Referenzwelt, welche die grauen Töne der rohen Umgebung mit abstrakten Konzepten verbindet.
Miljurko Vukadinović verortet sich in den oralen und literarischen Traditionen des Balkans zwischen den rumänisch-dakischen und serbisch-maesischen Kulturkreisen. Seine jahrelange übersetzerische Tätigkeit aus dem Rumänischen und ins Rumänische, die elliptische und spielerische Mundart seiner südserbischen Heimat sowie der Einfluss, den die klokotristische Bewegung in den siebziger Jahren auf ihn ausgeübt hatte, bestimmen den Tenor seiner Poesie. Mit den Ähnlichkeiten zwischen dem Vor- und Postmodernen spielend, behandelt er sowohl die gesellschaftlichen Fragen als auch die wichtigen historischen Ereignisse, welche er auf diese Weise entkontextualisiert und somit als Groteske oder Absurdität darstellt. In eine andere Richtung geht wiederum Vojislav Karanović: In der Poesie dieses Dichters und Journalisten steht die (selbst-)reflexive Erörterung im Vordergrund. Sein Werk ist oft von einer authentischen Melancholie durchdrungen, die in konkreten Ereignissen verankert ist. Das abstrakte Nachdenken zeugt von einem zerebralen Zugang zur Poesie, der zu verborgenen Pointen führt. Seine stillen Töne, seine persönlichen Einsichten lassen die Gefühlswelt durchscheinen, welche er durch die intellektuelle Epidermis seiner Poesie auf den ersten Blick verbirgt.
Die Gedichte selbst, um auf die anfangs gestellte Frage zu antworten, stehen ausschließlich für ihre Autoren. Ihre Unterschiede bzw. der Mangel an Ähnlichkeiten zwischen ihnen soll dazu beitragen, dass sich der deutsche Leser die serbische Dichtungslandschaft mit ihren Dickichten und Öden, ihren Hügeln und ihrem Flachland näherbringen lässt. Aber im Unterschied zu den Originalen besitzen die in diesem Band enthaltenen Nachdichtungen nicht eine Sprache. In jedem einzelnen Gedicht sind weitere präsent, es entsteht in jedem Gedicht eine Polyphonie, welche als Folge der Anreicherung von Autorenstimmen durch die fremden Töne zustande kommt. Denn jedes übersetzte Gedicht enthält zusätzlich die Wortwahl und Deutung des Interlinearübersetzers, welche vom deutschen (Nach-)Dichter wieder durch die eigene ersetzt wurden. Die Gespräche zwischen den deutschen und serbischen Dichtern, die nachträgliche Deutung durch die Autoren selbst, welche für die Suche nach Lösungen manchmal weniger hilfreich waren, aber den nach-schöpferischen Prozess unterstützt haben, brachten eine weitere eigene Stimme ins Gedicht (denn die Deutung-Autoren waren nicht mehr die Dichter-Autoren). Das Ergebnis dieses komplizierten Zwischenspiels verbirgt nicht das ursprüngliche Gedicht in einem Knäuel fremder Sprachen und Stimmen. Es zeigt seine unterschiedlichen Möglichkeiten und lädt den Leser dazu ein, neugierig zu sein. Der Besuch serbischer Poeten in Deutschland ermöglichte einen Gegenbesuch deutscher Dichter in die Arbeitsstube der Gäste. Die Geschenke der Gäste, die Gegengeschenke der Gastgeber sind in diesem Buch versammelt.
Hans Thill, Nachwort
Im Sommer 2016 arbeiteten sechs deutsche und sechs serbische Dichter gemeinsam an der Übertragung der von mir interlinear übersetzten Gedichte ins Deutsche. Ich hatte das Glück, nicht nur an der Rohfassung dieser Übersetzungen zu arbeiten, sondern auch der Feinarbeit der deutschen Poeten zuzusehen. Davor aber, während der Erstübersetzung, musste ich mit den serbischen Dichtern über deren Werke sprechen, um möglichst korrekt von der intentio auctoris berichten zu können. Darin bestand meine philologische Begleitung als Beitrag zu unserer gemeinsamen Arbeit an der vorliegenden Anthologie.
Dankbarkeit für die Aufnahme Serbiens in diese Reihe gilt Hans Thill, der uns alle organisatorisch, menschlich, literarisch und nicht zuletzt önologisch (und in jeder anderen Hinsicht) während dieser Woche unterstützt hat. Außerdem möchte ich mich bei Marcel Beyer bedanken, dessen Hinweis den serbischen Band vielleicht schneller in die Wege geleitet hat, und der sich der Arbeit während dieser Woche vollkommen hingegeben hat, obwohl gerade am ersten Tag unserer Begegnung bekannt wurde, dass er der Träger des Georg-Büchner-Preises im folgenden Herbst sein würde und ihn deswegen Tausende Journalisten umkreisten. Michael Speier, ein alter Freund und Unterstützer der serbischen Poesie (und Poeten), der auch als Nachdichtet an der Werkstatt beteiligt war, hat einige Gedichte, die den Weg in die vorliegende Anthologie nicht finden konnten, in seiner Zeitschrift Park untergebracht und somit noch mehr Ergebnisse unserer gemeinsamen Bemühungen der Welt präsentiert. Dafür ist ihm die serbische Dichterszene sehr erkenntlich.
Einige schöne Freundschaften sind während unserer Arbeitswoche zustande gekommen. In diesem Sinne bin ich froh, dass ich mich mit Ilma Rakusa so gut verstand und ein Jungsches Erlebnis mit ihr und anderen Dichtern erfahren konnte: Während des Ausflugs unserer Gruppe nach Heidelberg waren wir, ganz unerwartet, auf eine Gastausstellung des Moskauer Literaturmuseums gestoßen, die sich mit der Literatur aus den Zeiten kommunistischer Revolution und insbesondere mit Ossip Mandelstam beschäftigte. In den Tagen davor hatten wir in unseren Gesprächen mehrmals diesen Autor erwähnt. Welch eine Überraschung war es, ihn dann auf diese Weise doch wirklich getroffen zu haben. Eine Notiz, die von der surrealistischen Natur der literarischen Arbeit zeugt. Im Übrigen sind ich und die anderen serbischen Autoren sehr froh, dass wir so angenehme Dichterkollegen und Menschen wie Kerstin Preiwuß, Marcus Roloff und Nadja Küchenmeister kennenlernen konnten. Ein besonderes Zeichen bekam ich am letzten Tag unserer Arbeit nach der Vorstellung des Projekts am Fachbereich für Translation-, Sprache und Kulturwissenschaft in Germersheim, als Prof. Kelletat, der liebe Andreas, mir das Buch meines Vaters zeigte, welches er von ihm noch vor meiner Geburt bei einer ähnlichen, also literarischen, Gelegenheit bekam. Für diesen Moment bin ich besonders dankbar.
Nicht zuletzt gilt der Dank aller serbischen Gäste auch Lisa Schwesinger für ihre warme Allgegenwärtigkeit, Hilfsbereitschaft und Sorge um all die Gäste des Künstlerpalastes Edenkoben. Die serbischen Schriftsteller hoffen außerdem, dass sich die Praktikantin Jennifer Jost, die auf uns aufpassen musste und uns hin und her fuhr, (auch!) nach dieser Erfahrung weiterhin mit den Schriftstellern und der Kultur beschäftigen wird. Von allen serbischen Autoren habe ich den Auftrag bekommen, Frau und Herrn Habermehl zu erwähnen, unter deren kulinarischen Obhut wir während unseres Aufenthaltes standen. Dank ihrer Mühe haben wir alle an menschlicher Größe gewinnen können, ohne das metaphorisch meinen zu können. Letztendlich soll auch dem eigentlichen Hausherren Gruß und Dank für die Erlaubnis, an diesem Ort zu arbeiten, zuteilwerden: Seiner Majestät, dem Kater Nero.
Jan Krasni, Nachwort
Und wenn auch (noch längst) nicht vergessen, lassen die serbischen Dichter*innen in ihren hier versammelten Gedichten, die Konflikte und den Krieg, von denen ihr Land im 20. Jahrhundert gezeichnet war, hinter sich und widmen sich den großen poetischen Fragen genauso wie den unscheinbaren Dingen. Der 29. Band der Reihe Poesie der Nachbarn stellt sechs herausragende Lyriker*innen vor und lädt dazu ein, die Themen, Gedanken und Formen der serbischen Lyrik kennenzulernen.
Mit Gedichten von Predrag Bogdanović Ci, Vojislav Karanović, Ivana Milankov, Ana Ristović, Miljurko Vukadinović und Jovan Zivlak übersetzt von Marcel Beyer, Nadja Küchenmeister, Kerstin Preiwuß, Ilma Rakusa, Marcus Roloff und Michael Speier nach Interlinearversionen von Jan Krasni. Poesie der Nachbarn ist ein Projekt des Künstlerhauses Edenkoben der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur in Kooperation mit der Landes-Stiftung Arp Museum Bahnhof Rolandseck.
Wunderhorn Verlag, Ankündigung
Informationsseite für Poesie der Nachbarn
Hans Thill zum Internationalen Lyrikertreffen Münster 2021 mit seinem Statement „Pathos“.
Hans Thill liest sein Gedicht „Kühle Religionen“.
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