„WÖRTER STELLEN MIR NACH / ICH STELLE SIE VOR“
– Vorbemerkungen zur Werkstatt Lyrik Rose Ausländer. –
Rose Ausländer hat uns mit ihrem Nachlass eine poetische Werkstatt hinterlassen. Der Blick in die Manuskripte und Typoskripte, die als handwerkliche Vorlage überliefert sind, zeigt nicht allein Lesarten ihrer Bearbeitung, sondern offenbart uns den Nachvollzug eines poetologisch reflektierten Schreibens, das mit ästhetischer Sensibilität das poetische Handwerk verfeinert und mit sprachkritischem Engagement überarbeitet. „Schreiben ist Trieb“, wenn dieses Bekenntnis von Rose Ausländer auch eine schreibende Ekstase und Unmittelbarkeit der kreativen Einlassung suggeriert, so untermauert ihr sprachhandwerklicher Prozess des dichterischen Schreibens eine künstlerische Bewusstheit, die einem poetischen Geniestreich widerspricht und eine dem Bildhauerischen vergleichbare Sprachgestaltung widerspiegelt. Schreiben generiert sich bei Rose Ausländer als Prozess. Poetische Wirklichkeitsfindung und die Metamorphose der Sprachfindung sind eingebunden in eine reflektierte Schreibpoetik, die ihrer dialogisch geprägten Lebenspoetik entspricht so wie es ihr poetisch und existentielles Credo pointiert ausspricht.
Ich habe, was man Wirklichkeit nennt, auf meine Weise geträumt, das Geträumte in Worte verwandelt und meine geträumte Wortwirklichkeit in die Wirklichkeit der Welt hinausgeschickt und die Welt ist zu mir zurückgekommen.1
Um die Bewusstheit dieses Schreib- und Lebenskonzeptes deutlich zu machen, kann man die gedankliche Struktur dieses Bekenntnisses wie folgt abbilden.2
Die Interdependenz in der Ichfindung zwischen Leben und Schreiben spiegelt sich in der syntaktischen Struktur dieses Bekenntnisses und in der gedanklichen Struktur des Credos, die den Zusammenhang zwischen Selbstfindung im Schreiben (Atmen im Wort), dem Dialog mit sich selbst (das Geträumte/Erinnerte), den Dialog mit der Sprache (verwandeln der Wortwirklichkeit) und den gesuchten Dialog mit der Wirklichkeit der Welt abbildet. Die Korrelation zwischen der existentiellen und poetischen Wirklichkeits- und Identitätsfindung Rose Ausländers soll auch dieses Strukturbild spiegeln. Als Beispiele für das Zusammenspiel von poetischer, poetologischer und existentieller Identifikation in der Metamorphose des Schreibens, als Belege für das Hadern Rose Ausländers mit dem Leben und mit der Sprache in ihrer poetischen Werkstatt sowie für das Reflexionsspiel in ihren poetologisch geprägten Gedichten werden Quellen eingeblendet, die für die Beschreibung von Rose Ausländers „Werkstatt Lyrik “ hilfreich sein können.
Lyrische Ich-Findung – poetologische Standortbestimmung
Warum ich schreibe?
Weil Wörter mir diktieren: schreib uns. Sie wollen verbunden sein, Verbündete. Wort mit Wort mit Wort. Eine Wortphalanx für, die andere gegen mich. Ins Papierfeld einrücken wollen sie, da soll der Kampf ausgefochten werden. Ich verhalte mich oft skeptisch, will mich ihrer Diktatur nicht unterwerfen, werfe sie in den Wind. Sind sie stärker als er, kommen sie zu mir zurück, rütteln und quälen mich, bis ich nachgebe. So, jetzt laßt mich in Frieden. Aber Wörter sind keine fügsamen Figuren, mit denen man nach Belieben verfahren kann. Ich hätte sie mißverstanden, behaupten sie, sie hätten es anders gemeint. Sie seien nicht auf der richtigen Stelle untergebracht, murren sie. Scheinheilige, die friedfertig und unbewegt auf der weißen Fläche stehen. Das ist Täuschung. Hart sind sie, auch die zartesten. Wir sehen uns an, wir lieben uns. Meine Bäume, meine Sterne, meine Brüder: in diesem Stil rede ich zu ihnen. Sie drehen den Stil um, greifen mich an, zwingen mich, sie hin- und herzuschieben, bis sie glauben, den ihnen gebührenden Platz eingenommen zu haben. Warum schreibe ich? Weil ich, meine Identität suchend, mit mir deutlicher spreche auf dem wortlosen Bogen. Er spannt mich. Ich bin gespannt auf die Wörter, die zu mir kommen wollen. Ich rede mit ihnen zu mir zu dir, rede dir zu, mich anzuhören. Die Welt stellt mir hinterlistige Fragen. Meine Wörter antworten ihr offenherzig mit Fragen. Geheimschriftlich blättert sich mein Leben ab, Blatt für Blatt: Jahre, die sich Verse auf das undurchdringliche Woher-Wohin? machen. Ich lege Rechenschaft ab, über mich, meine Umgebung, Zustände, Zusammenhänge.3
Psychologisch auf mich selber bezogen: (Ich suche mich, glaube mich gefunden zu haben, verliere mich wieder, suche mich. Die stete Identitätssuche.) Natürlich kann ich mich selber nur subjektiv sehen und beurteilen, auch bei größter Bemühung um Objektivität bleiben wir ja ichbefangen. Gefangene unserer Gedanken, Emotionen, geistigen Grenzen, Fähigkeiten und Lebensumstände […]
Das Ästhetische meiner schreibenden Existenz betreffend: Ich bin an erster und letzter Stelle Lyrikerin, wodurch, wie ich sagte, meine Situation noch erheblich erschwert ist. Ich habe, wie alle Schriftsteller, im Laufe meines Lebens verschiedene Stilphasen durchgemacht und durchlitten, denn nichts kommt einfach vom Himmel ohne Kampf und Krampf, Arbeit und Verzweiflung – auch ein bißchen Freude. Ich begann (wie fast alle Dichter) mit traditioneller Lyrik. Meine früheren Einflüsse waren Goethe, Heine, später und weit nachdrücklicher Hölderlin, Rilke, Trakl, Kafka. Aber auch in meinen früheren Gedichten verwendete ich oft eigene Metaphern und Bilder. Ein Kritiker hat vor einem Jahr in einem Heft der Akzente richtig festgestellt, daß die berühmte Metapher aus Paul Celans Todesfuge: „schwarze Milch“ von mir stammt (aus meinem Lyrikbuch Der Regenbogen). Mein stärkstes Erlebnis, das einzig schöne, während der Naziverfolgung in Czernowitz, 1942–43, war die Begegnung mit Paul Celan, dessen erste Gedichte mich tief beeindruckten. Ich bin mir aber keiner Beeinflussung meiner Lyrik durch seine bewußt, ich ging einen anderen Weg, ich meine formal stilistisch: einen offeneren, zugänglicheren. Unsere Motive freilich sind oft die gleichen, die zentrale Idee: der Tod – mit den dazugehörigen Gedanken: Krieg, Angst, Horror, Entfremdung, Einsamkeit, Vergeblichkeit, unsere entmenschte, entmenschende Zeit. – Seither haben mich viele Dichter nachhaltig beeindruckt: die amerikanischen Lyriker Stevens Wallace, E.E. Cummings, T.S. Eliot (die alle ein gutes Alterswerk hinterließen), besonders nah sind mir Ungaretti und der Nobelpreisträger Pablo Neruda, von den deutschen Dichtem: der frühe Günter Eich, Nelly Sachs, und in den letzten Jahren fühle ich mich besonders den Dichtungen von Marie Luise Kaschnitz und Peter Huchel verbunden. Benn und Brecht habe ich immer bewundert, aber sie kamen mir nicht sehr nah.
Ich habe niemals nach einem Programm geschrieben, tue es auch jetzt nicht […] Ich schreibe in Schüben. Nach dem letzten Krieg konnte ich mehrere Jahre keine Zeile zu Papier bringen. Plötzlich – ich wohnte von Ende 1946 bis 1964 in New York –, ohne äußeren Anlaß, fing ich an, amerikanische Lyrik zu schreiben, arbeitete daran einige Jahre, bis der Impuls ebenso plötzlich verschwand, wie er gekommen war. Ein Teil jener Gedichte ist in amerikanischen literarischen Zeitschriften erschienen. Vor etwa vierzehn bis fünfzehn Jahren begann ich wieder, deutsch zu schreiben, ganz von vom. Freie Verse, thematisch und stilistisch grundanders als meine Vorkriegslyrik. Über die Qualität darf ich mich selbst ja nicht näher äußern – ich halte sie für besser als die meiner frühen Arbeiten. Von der technischen Seite besehen: ich schreibe jetzt knapper, straffer, bevorzuge das kurze und mittellange Gedicht, zuweilen kommen aber auch längere Texte zustande. Die Wahl der Form des Gedichtes überlasse ich dem Instinkt oder der Intuition. […]
Mein Arbeitstempo ist sehr schnell und sehr langsam: Die erste Fassung eines Textes – Lyrik oder Kurzprosa – erfolgt meistens in wenigen Minuten. Dann beginnt die tagelange, wochen- und manchmal jahrelange Arbeit, das Be- und Umarbeiten. Von manchen Gedichten mache ich zwanzig Fassungen, bis eine mich befriedigt – oder keine. […]
Jeder Schriftsteller macht Entwicklungen durch, seine Schreibweise ist Veränderungen unterworfen wie sein Körper, seine Einsichten und Erfahrungen. In diesem Sinne schreibe ich jetzt nicht wie vor zehn, vor zwanzig Jahren oder wie vor dem letzten Weltkrieg. Aber ich glaube sagen zu dürfen, daß ich mir im Grunde auch als Schriftstellerin, richtiger als Lyrikerin, treu geblieben bin. Die Beurteilung meines Besser- oder Schlechterwerdens überlasse ich den Kritikern und der ,Nachwelt‘.4
SÄTZE
Kristalle
unregelmäßig
kompakt und durchsichtig
hinter ihnen die Dinge
erkennbar
Diese Sucht
nach bindenden Worten
Satz an Satz
weiterzugreifen
in die bekannte
unbegreifliche
Welt (7/181)
ZWISCHENZEILWORT
Viel Gedichte gefunden
aber
Ich suche das Wort
Zwischenzeilwort
im bunten Buchstabentanz
Konsonanten Vokale
Vokabeln ich taste
die Weite und Tiefe
der Wörter
suche erfinde
das verstohlene
Wort (14/177)
SPRACHE
Was du verschweigst
spricht dich frei.
Nimm deine Träume in acht
sie überreden
verraten dich.
eine Meute toller Tiere
Fallen dich Silben an
flüchte zu den Beschützern
den Gegensilben
Von Begierde zu Bild
Ichworte Duworte
die dich verwandeln.
Ich war einmal anders
sagst du dem Spiegel
er glaubt es dir nicht.
Sand im Schuh
auf dem Weg zu den Wassern
immer im Gespräch
mit der Atemzeit (SLB 59)
WORTE II
Mund
Mund der spricht
spricht Worte helle harte
verständliche
unbegreifliche
Worte
Mund an Mund
blühen Worte
behauchte
zu den Sternen geblasene
Worte
Sie fallen ins Gras
steigen auf mit dem Nebel
fallen herab mit dem Regen
willig
unwillig
sprühende
schwerfällige
Worte
abgerissen
aneinandergereiht
zusammengewachsen
Hauch in Hauch
die unverstandenen
ewigen Worte (14/159)
SCHREIB
Pakt mit dem klugen Spötter
er gibt dich Hexen preis
sie tanzen dich
ins blendende Nichts
Was du schreibst verschluckt
der Augenblicksmoloch
er reißt dir
die Sätze vom Finger
Deine Feder sträubt sich
beim Niederschreiben von heiligen Namen
sie wollen ruhen in ihren Atomen
In Atem gehalten von Metamorphosen
die Toten haben nicht Zeit
deine Fragen zu beantworten
Am Himmel stehn unverständliche Zeichen
vielleicht auch deine Handschrift
der Text diktiert von wem
Schreib
es bleibt dir
nichts übrig (14/181)
NICHTS BLEIBT WIE ES IST
Ich träume mich satt
an Geschichten
und Geheimnissen
Unendlicher Kreis aus Sternen
ich frage sie
nach Ursprung Sinn und Ziel
sie schweigen mich weg
Den Orten die ich besuche
gebe ich neue Namen
nach den Wundem
die sie mir offenbaren
Nichts bleibt wie es ist
es verwandelt sich
und mich (11/151)
Gedichtwerkstatt Biographische Notiz
In der begrenzten Zeit eines Kolloquiums im Rahmen der Gedenkveranstaltungen zum 100. Geburtstag der Dichterin wurden Gedichte für die Referenten ausgewählt, die den Bearbeitungsprozess in die Interpretation einbeziehen und, wenn möglich, das Konzept der Schreibwerkstatt Rose Ausländers charakterisieren sollten.
Ein poetischer und handwerklicher Bezugsort sollte die Gedichtwerkstatt Biographische Notiz von Rose Ausländer sein.5
Am Beispiel des Gedichts „Biographische Notiz“ kann man Rose Ausländers Arbeitsweise besonders anschaulich nachspüren. Gestaltungsauffälligkeiten und Überarbeitungsprinzipien, von ersten Vorformen bis zu einer zum Druck freigegebenen Fassung, lassen sich in einem direkten Vergleich aufzeigen. Die Beobachtungen an diesem Gedicht sind repräsentativ für Rose Ausländers selbstkritischen Umgang bei der Redaktion ihrer Gedichtentwürfe und können auf andere Fassungsvergleiche übertragen werden.
Das Gedicht „Biographische Notiz“ ist markiert durch eine kreisförmige Rede, die Gedichtanfang und -ende umschließt:
Ich rede
red ich
ich lebe.
Die biographische Notation beginnt zunächst mit beschreibenden Erinnerungsbildern, ausgewählt nach biographischen Leitmotiven: Pruth, Buchen, Stern, Nacht, Luft, Zeit, die durch traumatische Erinnerungssignale angereichert werden: Blutbuchen, Galgenzeit, brennende Nacht. In den verschiedenen Fassungen des Gedichts folgt Rose Ausländer einer fortschreitenden Reduktion. Sie konzentriert die Verse auf wenige Hinweise mit Signalfunktion: bluttriefende Buchen werden zu Blutbuchen.
Auf dem Weg von der Prosaskizze zum fertigen Gedicht verknappt sie die Satzbildungen, der erzählende Stil wird zurückgenommen, Sprachbilder verdichten sich, werden mehrdeutig (Naturbilder erhalten Erinnerungstraumata).
Die rhetorische Rahmung führt zu einem dialektischen Kompositionsprinzip: Ich rede – ich rede nicht – fliegend – ich wohne nicht – ich lebe. Biographische Findungen werden dadurch gebrochen. Dichotomisch gegenübergestellt. Diese selbstbekennenden Markierungen der biographischen und zeitgeschichtlichen Notiz rufen Mit- und Nebenbedeutungen hervor. Die brennende Nacht und der Pruth schließen Heimat, Kindheit, aber auch Krieg, Verfolgung und Heimatverlust mit ein. Ein gelber Stern verweist auch auf jüdisches Stigma, Ghetto und Shoah.
Auch das Ausgeblendete, Nicht-Gesagte öffnet sich dem Assoziationsraum des Lesers: nicht [über Rosen] red ich. Das Ausgeblendete wird lebensbedeutsamer durch die Verknappung bzw. Auslassung von Bedeutungsverweisen wie z.B.: nicht über Rosen – nicht über das verbotene Rosenwort von zornigen Engeln bewacht. Die poetisch betonte Auslassungsrede (nicht über) markiert das ausgeblendete Bezugsfeld (Rosen) deutlicher und setzt diese Nicht-Rede kontrastiver von der Zeichengebung der ersten Rede (Strophen 1–3) ab, die traumatische Erinnerungen notiert.
Rose Ausländer verformt eine strophenbetonte Versordnung, die rhetorisch komponiert ist: z.B. Luftschaukel / Europa Amerika Europa oder ich rede – nicht… rede ich.
Ein Interpretationsresumee aus den Bebachtungen der Überarbeitungen sei gewagt: Besonders im Vergleich zur Prosakurzschrift dieses Gedichtes mit dem Einleitungsgestus Ich komme (vs. Ich rede) wird die kreisförmige Zusammenführung der unbeständigen Lebensbiographie deutlich, die im Ungewissen und Fremden Balance sucht. Die übergeordnete Bedeutungsebene der Selbstrede wird entsprechend der Überschrift existentiell ausgedeutet. Das lyrische Ich ,überlebt‘ schreibend, sucht in der vorläufigen Bestandsaufnahme eine Identifikationsbalance. Der Redezirkel wird zu einer experimentierenden Selbstbestimmung, die Erinnertes und Gegenwärtiges mit einer Zukunftssuche verknüpft. Daher ergibt sich nur ein autobiographisches Statement, eine Notiz und kein autobiographisches Vermächtnis oder Testament.
Hypothesen zu den Arbeitsweisen Rose Ausländers aufgrund der Beobachtungen zur poetischen Überarbeitungswerkstatt.
Aus diesen Werkstattvorgaben möchte ich die Arbeitshypothese ableiten, dass die Werkstattarbeitsprinzipien von Rose Ausländer folgendem Lyrikkonzept folgen:
Rose Ausländer fordert von sich im Schreibprozess eine Abstimmung zwischen ihrer erinnerten und im Entwurf geträumten Wirklichkeitsspiegelung sowie Icherfahrung und der poetischen Wortfindung, der Verwandlung des Geträumten in einer Wortwirklichkeit.6
– Rose Ausländer experimentiert gestaltend mit Gedichtentwürfen, um die genannte poetische Selbstbestimmung Ich lebe in meinem Mutterland Wort in der lyrischen Sprachgebung formgebend bzw. in dialogischer Rede hervorzuheben.7
– Rose Ausländer versucht in den Überarbeitungen, ihrer traumgebend bzw. erinnernd gefundenen Notate (Vorfassung, „Notizen“) eine stringente sprachbildnerische, d.h. metaphorisch konzentrierte, mehrperspektivische und bedeutungspolyphone Sprachgestaltung zu geben, die Erlebnishaftes lebenskonzeptionell ausspricht. Dabei sucht sie eine selbstreflexive Aussprache. Aufgrund der traumatisch und paradox erfahrenen Wirklichkeitsprägungen findet Rose Ausländer zu einer Sprachbildlichkeit bzw. poetischen Rhetorik, die eine dialektische, kontrapunktisch angelegte Sprachschöpfung bevorzugt.8
– In der Alterslyrik verdichtet sich diese poetische Sprache zu einer bewussten Sprachredundanz, die zunehmend aphoristisch geprägt ist.9
Harald Vogel
– Vorwort
Harald Vogel
– Schreiben war Leben. Überleben. Rose Ausländers Lebenscredo
– Immer zurück zum Pruth. Der erinnernde Dialog in der Poesie Rose Ausländers
– Wörter stellen mir nach / Ich stelle sie vor. Vorbemerkungen zur Werkstatt Lyrik Rose Ausländer
– Mein Gedicht / ich atme dich / ein und aus. Der Dialog mit der Sprache: Atemworte. Werkstattbericht aus der Arbeit am Nachlass Rose Ausländers
– Durch Bilder gehen. Rose Ausländers Malergedichte: ein Werkstattbericht aus dem Nachlass
– … in die richtige Belichtung und Perspektive rücken. Zum poetologischen Diskurs zwischen Rose Ausländer und Peter Jokostra
Michael Gans / Harald Vogel
– Sie gab ihm eine Aprikose… Die poetische Werkstatt Rose Ausländers. Ein Lernarrangement für den Deutschunterricht
– Zwei Arten Gedichte aufzuschreiben. Rose Ausländer und Hilde Domin – ein Werkstattvergleich….
Michael Gans
– Ich komme zurück / zum Brunnen. Das Erinnern in Rose Ausländers Spätlyrik
Kerstin Klepser
– Rose Ausländers „Bachfuge“. Eine poetisch und musikalisch konstituierte Lyrik-Werkstatt
Harald Vogel
– Bachs Fuge – „Bachfuge“. Poetologische Korrespondenz zur musikalischen Partitur – Rose Ausländers Dialog mit Johann Sebastian Bach
– Anhang
Seit dem Gedenken an Rose Ausländers 100. Geburtstag 2001 ist es wissenschaftlich wieder stiller um die Beschäftigung mit dem Werk der Czernowitzer Dichterin geworden. Dagegen werden ihre Gedichte nach wie vor von einem vielfältig motivierten Leserkreis wahrgenommen und das lyrische Werk erfolgreich verlegt.
Die Herausgeber möchten mit diesem literaturwissenschaftlichen Handbuch wieder aufmerksam machen auf eine Besonderheit ihres Werkes, die durch den Nachlass gegeben ist. Er befindet sich im Heinrich-Heine-Institut der Stadt Düsseldorf und wird von der Universität Düsseldorf mitbetreut.
Der lyrische Nachlass enthält nicht nur die im Original überlieferten und von Rose Ausländer übergebenen Originalmanuskripte und Typoskripte, sondern auch die zum Teil zahlreichen Korrekturfassungen von eigener Hand der Autorin bzw. der maschinenschriftlichen korrigierten Fassungen, die zum Teil mit stenografischen Anmerkungen versehen sind.
Es ergibt sich dadurch die einmalige Chance, bei einer so bedeutsamen Lyrikerin wie Rose Ausländer die Genese der Gedichte zu verfolgen und damit den schöpferischen Arbeitsprozess nachzuvollziehen.
Mit Genehmigung des Nachlassverwalters von Rose Ausländer, Helmut Braun, konnte zum ersten Mal eine Kopie dieser Gedichtwerkstätten an einer Hochschule zur wissenschaftlichen und didaktischen Bearbeitung bereitgestellt werden. Unter unserer Betreuung dieses umfangreichen Konvolutes von Manuskripten und Typoskripten wurde eine Arbeitsstelle Werkstatt Lyrik Rose Ausländer an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg eingerichtet, in der die Erfassung für eine wissenschaftliche Auswertung vorgenommen wurde.
Begleitend zu dieser Aufarbeitung wurde das Konzept einer wissenschaftlichen und didaktischen Werkstattarbeit exemplarisch entwickelt und wurden einzelne Werkstattanalysen vorgenommen, die zugleich das Schreib- und Lebenskonzept der Dichterin in die Analyse einbezogen haben. Neben dem germanistischen Interesse, einen Einblick in die poetische Genese der Gedichte der deutsch-jüdischen Exilautorin zu gewinnen und Rose Ausländer im literaturwissenschaftlichen Kontext zu positionieren, motivierte die Werkstatt auch zu einer innovativen Beschäftigung mit ihrem Werk für den Literaturunterricht.
Unsere konzeptionellen Beiträge, Vorträge und Materialien für zahlreiche internationale Symposien, die u.a. im Kontext der Gedenkveranstaltungen stattfanden, sollen mit diesem Band zusammenfassend vorgelegt werden und zu neuer Werkstattarbeit am Nachlass anregen.
Die Herausgeber bereiten die Digitalisierung dieses wertvollen Nachlassmaterials vor, um so auch den Bestand zu sichern. Der Zustand der Papiervorlagen im Heinrich-Heine-Institut gefährdet die Originale. Die Kopiervorlagen ermöglichen noch eine adäquate Vorlage zum Einscannen. Ein Probelauf erlaubt erfolgversprechende Prognosen, wenn die Finanzierung sichergestellt wird. Auch um diese anzuregen, möge der Werkstattband einen motivierenden Einblick in die Chancen dieser Nachlasssicherung vermitteln. Dankenswerter Weise hat die Wüstenrot-Stiftung die Weiterarbeit am Digitalisierungsprojekt ermöglicht.
Besonders in der Zeit der computergenerierten Autorenarbeit wird es zukünftig erstrebenswert, eine Textgenese prozessorientiert nachzuvollziehen. Die am PC arbeitenden Gegenwartsautoren speichern ihre Korrekturen kaum mehr für eine spätere Auswertung ab. Es wäre schade, wenn die besonders reichhaltig dokumentierte Textbearbeitung bei Rose Ausländer nicht im Bestand gesichert werden könnte. Bis zu einer zweistelligen Anzahl von Korrekturvorfassungen der über 2.000 Gedichte gehören zum Nachlass von Rose Ausländer.
Es wäre auch wünschenswert, dass durch die Digitalisierung eine standortunabhängige, auch internationale Zugriffsmöglichkeit bei nachgewiesenem und kontrolliertem Interesse ermöglicht würde. Auch wissenschaftliche Kooperationen könnten profitieren.
Da unsere Werkstattarbeit auch die Deutschlehrerausbildung im Blickfeld hat, sollen damit Sprach- und Literaturwerkstätten für den schulischen Bereich angeregt werden. Die Möglichkeiten des Zugriffs auf Gedichte, ihre Fassungen und Kontexte sind mit der biografischen, zeitgeschichtlichen und schreibprozessualen Ausgangslage bei Rose Ausländer besonders vielfältig und gestaltungsreich. Wir haben in der Auswahl der Themen daher bewusst das Spektrum variiert.
Der instruktive Beitrag von Kerstin Klepser soll dabei auch in ihrer interdisziplinären Vertiefung mit der Musikdidaktik diesen fächerübergreifenden Aspekt anregen.
Die vorgestellte Untersuchung zu den Malergedichten erschließt Möglichkeiten für eine solche Projektarbeit im Fach Bildende Kunst.
Die vergleichende Darstellung von Rose Ausländers Schreib- und Lebenskonzept mit dem der Lyrikerin Hilde Domin zeigt, wie aufschlussreich eine vergleichende Werkstattarbeit den künstlerischen Bewusstseins- und Gestaltungsprozess der beiden Lyrikerinnen beschreiben kann. Die Herausgeber haben dazu eine eigene Publikation vorgelegt. Auch von Rose Ausländer selbst genannte Vorbilder und Anreger könnten für eine vergleichende Untersuchung herangezogen werden. Im Leseportrait „Rose Ausländer lesen“ sind dazu Vorschläge vorgestellt worden.
Als weitere Orientierung dienen die beigefügte biografische Übersicht zu Rose Ausländer und ein umfangreiches Primär- und Sekundär-Literaturverzeichnis.
Dem Nachlassverwalter Helmut Braun danken wir für die Aufnahme unseres Werkstatt Lyrik Bandes zu Rose Ausländer in die wissenschaftliche Publikationsreihe der Rose-Ausländer-Gesellschaft.
Harald Vogel und Michael Gans, Vorwort
Harald Vogel: „Schreiben war Leben. Überleben“
Harald Vogel, Michael Gans und Kerstin Klepser: Werkstatt Lyrik Rose Ausländer, Verlag Ralf Liebe, 2017
Harald Vogel: „Immer zurück zum Pruth“
Harald Vogel, Michael Gans und Kerstin Klepser: Werkstatt Lyrik Rose Ausländer, Verlag Ralf Liebe, 2017
Erika Schuster: „… von einem Strahl irdischer Gnade“
Die Furche, 9.5.2001
Angelika Overath: „Ich wohne nicht, ich lebe“
Neue Zürcher Zeitung, 11.5.2001
Lothar Schröder: „Der Tod macht mich unsterblich“
RP.online, 3.1.2018
Katja Nau: Mach wieder Wasser aus mir
taz, 3.1.2018
Gisela Blau: Immer unterwegs
tachles, 2.1.2018
Stefan Seidel: Worte zum Leben
Der Sonntag, 3.1.2018
Harald Vogel mit seiner Lyrik Bühne zu Erich Fried.
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