„ICH, BERTOLT BRECHT…“.
Stationen einer poetischen Selbstinszenierung1
I.
Aus einer Augsburger Frühlingsnacht, ein paar Lenze vor uns, stammt ein kleines lyrisches Notturno, „Serenade“. Die 82 Jahre, die das Gedicht seit seiner Entstehung im Frühjahr 1916 auf dem Buckel hat, überspielt es mit viel Grazie und Charme, und besonders an einem Maienabend in der Kreßlesmühle zu Füßen von Perlachturm und Rathaus gelesen, wirkt es jugendlich, frisch und buchstäblich nur einen Steinwurf weit von uns entfernt.
SERENADE
Jetzt wachen nur mehr Mond und Katz
Die Menschen alle schlafen schon
Da trottet übern Rathausplatz
Bert Brecht mit seinem Lampion.
Wenn schon der junge Mai erwacht
Die Blüten sprossen für und für
Dann taumelt trunken durch die Nacht
Bert Brecht mit seinem Klampfentier
Und wenn ihr einst in Frieden ruht
Beseligt ganz vom Himmelslohn
Dann stolpert durch die Höllenglut
Bert Brecht mit seinem Lampion.
– Soweit das Nachtstück eines 18jährigen Dichters, ein Poem nicht nur über, sondern auch von Eugen Berthold Friedrich Brecht,2 sich selbst im Gedicht beim Namen nennend (beim noch recht neuen Dichternamen: Bert Brecht), zugleich sich von sich selbst distanzierend, sich poetisch objektivierend in der dritten Person:3 ein lyrisches Selbstporträt mit Lampion, mit Gitarre, mit Maienduft, mit fernem Höllenfeuer als stimmungsvoller Lichtquelle und biographischem Erwartungshorizont zugleich. Am realistischen Hintergrund des Gedichts ist kaum zu zweifeln; so ähnlich haben sich, das ist vielfach bezeugt,4 die Nachtschwärmereien des Augsburger Bohemiens und seiner Freundesclique auf den Wegen zwischen Plärrer und Gablers Taverne, zwischen Lechauen und Oblatterwall tatsächlich zugetragen: Zwei Frühlinge später, am 11. Mai 1918, Brecht ist inzwischen 20, heißt es noch immer, und jetzt ganz außerliterarisch, im Brief an den Freund Caspar Neher, der noch als Kriegsfreiwilliger an der Front ist:
Wir zünden nachts auch Lampions an und ziehen durch die Stadt zu den schönen Mädchen und machen Musik, heulen wie die Wölf!5
Lampions, Gitarren und Serenaden also noch immer, und nicht nur im Gedicht; die sogenannte „Brecht-Clique“ ist damals in der Stadt ziemlich berüchtigt für diese illuminierten, sangesfreudigen Eskapaden.6
Zugleich und trotz dieser erkennbaren biographischen Hintergründe vibriert das kleine Notturno förmlich von literarischen Stilisierungen und Überhöhungen; es lebt ganz aus der artistischen Inszenierung eines bohèmehaften Lebensgefühls, aus antithetischen Zuspitzungen und vor allem: aus einem unverkennbar romantischen Grundgestus. Das zeigt sich insbesondere an der ganz literarisch-zitathaften Gegensatzspannung, die unseren Text strukturiert: Auf der einen Seite die ordentlich-philiströse Sphäre solider Bürger (das Gedicht nennt sie, sein Publikum gleich einbeziehend: „Ihr“), die Sphäre von Leuten, die sich bei Tag mit schwäbischem Fleiß ins Zeug gelegt haben, die daher auch wissen, wozu die Nacht da ist („Die Menschen alle schlafen schon“), und die in ihrem kollektiv-angepaßten Wohlverhalten dem nächsten Werktag und auf lange Sicht einem sicheren „Himmelslohn“ entgegenschnarchen. Auf der anderen Seite die Nachtsphäre des antizyklisch, in Gemeinschaft mit „Mond und Katz“ durch die menschenleere Stadt und über ihr ebenso leeres Repräsentationszentrum, den Rathausplatz, schleichenden Dandys mitsamt den Requisiten seiner poetisch-amourösen Abenteuer: ein traumwandlerischer promeneur solitaire, ein Einzelgänger mit Lampion, ein Müßiggänger mit Gitarre. Unschwer hört man die Reminiszenzen an den Ton von Heines Buch der Lieder: „Im wunderschönen Monat Mai, / Als alle Knospen sprangen, / Da ist in meinem Herzen / Die Liebe aufgegangen“7 – so beginnt ja Robert Schumanns Heine-Zyklus Dichterliebe, op. 48; bei Brecht wird daraus der erwachende „junge Mai“, in dem „die Blüten sprossen für und für“ und durch den nun, ebenfalls erwacht, sprossend, taumelnd, trunken, der orgiastische Musensohn mit seinem Klampfentier trottet, ein kleiner Zarathustra oder wenigstens ein anderer Taugenichts.8 Oder auch: „Der Trunkene im Frühling“ wie in Mahlers „Lied von der Erde“. Natürlich tragen zur Aura des Außenseiterischen und Unbürgerlichen in unserem kleinen Text die tierisch-verfremdenden Bewegungsverben maßgeblich bei, die das lyrische Nachtgespenst namens Bert Brecht zu einem etwas grotesken, ein wenig absonderlichen, aber doch nicht ungraziösen und insgesamt mit gutmütiger Ironie gezeichneten poetischen Fabelwesen stilisieren: zuerst das „Trotten übern Rathausplatz“, dann das trunkne „Taumeln […] durch die Nacht“ in animalischer Gemeinschaft mit dem „Klampfentier“, schließlich gar das dereinstige „Stolpern durch die Höllenglut“, wenn alle frommen Schläfer längst in himmlischem Frieden ruhen werden: So unbeholfen, instabil und liederlich dieses Taumeln, Trotten, Stolpern auch sein mag und so gewiß es an kein seliges Ende führen wird…, sosehr folgt hier doch andererseits ein besonderes Individuum mit fast kindlicher Unbeirrbarkeit seinen eigenen Gesetzen, seinem eigenen Tag/Nacht-Rhythmus, seinem eigenen Weg. Der beharrliche, refrainartige Schlußvers mit der Rede von „Bert Brecht mit seinem Lampion“ oder, in der Mittelstrophe, von „Bert Brecht mit seinem Klampfentier“ gibt ebenso wie die in alle Ewigkeit verlängerte Langzeitperspektive des Gedichts, vom nächtlichen Augsburger Rathausplatz anno 1916 bis zur künftigen Höllenglut in saecula saeculorum, zu verstehen, wie aussichtslos das Unterfangen wäre, diesen romantischen Nachtwandler aus seinem Eigensinn in die Sphäre der Konventionen zurückzuholen, ihm die üblichen Gangarten, die normalen Sprechweisen (oder auch das rechtzeitige Zubettgehen) beizubringen. Und zumindest durch diese eigensinnige Beharrlichkeit gewinnt Brechts Jugendgedicht, bei allem Flair seiner poetisch-romantischen Stilisierung, auch einen Zug von ernsthafter Selbstreflexion, wird es zur Besinnung auf die früh erfahrene eigene Besonderheit und Andersartigkeit. Hier bespiegelt, wie immer spielerisch, ein Ich sich selbst.
Als lyrisches Selbstporträt gehört Brechts charmantes kleines Notturno in ein kulturelles Feld von faszinierender Weite: Denn „Literarische und künstlerische Selbstbildnisse, Entwürfe und Repräsentationen des Selbst in verschiedenen ästhetischen Medien und zu verschiedenen historischen Zeiten“ – das wäre ein sehr großes, facettenreiches, interdisziplinär ergiebiges Thema, es könnte (mitsamt seinen philosophischen und kulturgeschichtlichen Implikationen) ohne weiteres einen akademischen Sonderforschungsbereich oder ein Graduiertenkolleg beschäftigen und wäre diesen Aufwand, glaube ich, auch wert. Daß der Anteil der einzelnen Künste an einem solchen Projekt unterschiedlich gewichtig ausfiele, liegt auf der Hand. Völlig offenkundig wäre der Beitrag der Bildenden Kunst: von Malerei, Zeichnung, Photographie. In diesen Medien hat die Geschichte des Selbstporträts einen zentralen und außerordentlich gewichtigen Stellenwert.9 Man braucht buchstäblich nur die Namen zu nennen, und fast unwillkürlich stehen jedem die großen Selbstbildnisse dazu vor Augen: Dürer, Tizian und Tintoretto, Rembrandt, Rubens und Chardin, Gauguin, Cézanne, van Gogh, Picasso, Matisse, Paula Moderssohn, Max Beckmann, Lovis Corinth, Käthe Kollwitz bis hin zu Francis Bacon, Horst Janssen, Georg Baselitz, Cindy Sherman – kein Zweifel, die Geschichte der neuzeitlichen Malerei, Graphik, Photographie ließe sich mit einer Überfülle von Material als die Geschichte der Selbstdarstellung ihrer wichtigsten Repräsentanten schreiben, und das als eine Gipfellinie von Meisterwerken.10 – In der Musik, die keine primär darstellende Kunst ist, wäre die Präsenz selbstrepräsentativer Techniken gewiß etwas weniger evident, aber möglich und vorhanden ist die Lust zur tönenden Selbstverewigung gleichwohl: von der Freude an der Variation des eigenen Namens in der b-a-c-h-Motivik Bachscher Fugen oder in den allgegenwärtigen d-es-c-h-Signaturen in Dmitri Schostakowitschs Partituren über persönliche Konfessionen in Streichquartetten wie Bedřich Smetanas Aus meinem Leben, Leoš Janáčeks Intimen Briefen oder Alban Bergs Lyrischer Suite bis hin zu biographischen Programmen großer sinfonischer Partituren wie Tschaikowskys Pathétique oder Richard Strauss’ Symphonia domestica oder Ein Heldenleben. – Im Bereich der Literatur wird man beim Thema Selbst-Repräsentation11 natürlich zuallererst an die großen Paradigmen der Lebensbeschreibung denken, an die Traditionsstränge der Autobiographik in ihren verschiedenartigen Ausprägungen:12 etwa an die kanonischen Muster der Introspektion und der zergliedernden Seelenkunde von Augustins Confessiones bis zu Rousseaus Confessions oder an den objektiveren, welthaltigeren Gegentypus, wie ihn vor allem Goethes Dichtung und Wahrheit verkörpert mit seiner episch ausgebreiteten Darstellung einer prominenten Individualität in der Weite und Verflochtenheit ihrer epochalen Weltverhältnisse. Nicht zu vergessen alle Arten von fließenden Übergängen hinüber zu fiktionalen Gattungen, vor allem zu den großen autobiographisch inspirierten Romanen vom Anton Reiser bis zu Portrait of the Artist as a Young Man und von der Recherche du temps perdu bis zu Wolfgang Koeppens, Thomas Bernhards, Elias Canettis oder Martin Walsers autobiographischer Prosa.
Mit der Lyrik freilich, der unser Brecht-Zyklus ganz gewidmet ist, hat es in diesem Zusammenhang eine besondere, fast paradox anmutende Bewandtnis: Einerseits gilt im Spektrum der großen literarischen Gattungen und ihrer Poetik gerade die Lyrik zu wesentlichen Teilen traditionell als ,Ich-Aussage‘, als eine durch ihren auszeichnenden Bezug auf Subjektivität und Individualität charakterisierte Form literarischer Rede. Aber, so die von Hegel bis zu Käte Hamburger13 und Theodor W. Adorno14 variierte Grundüberzeugung: Gerade diese ich-nahe Rede, in der „sich der Mensch in seiner subjektiven Innerlichkeit selber zum Kunstwerk“15 wird, soll zugleich das Allerallgemeinste sein, das jedes Gemüt Affizierende. Das berühmte „lyrische Ich“16 wäre demnach eine denkbar allgemeine, die Projektion und die Identifikation jedes beliebigen Lesers begünstigende Instanz, eine Hohlform von Subjektivität, die jedem beliebigen nachempfindenden Subjekt als Resonanzboden und seelisches Echo dienen könne. Das lyrische Ich als das allgemeinste Ich, das Jedermanns- oder Jederweibs-Ich: Jeder kann in einem Vers wie „Und meine Seele spannte / Weit ihre Flügel aus“ mitfliegen, jeder sich in der Zeile „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ verlieren.
Das mag alles so sein. Und doch ist nicht zu bestreiten, daß es auch in der Lyrik einen umfangreichen Traditionsstrang von Porträt-17 und Selbstporträt-Gedichten im engeren Sinne gibt, Gedichte also, deren Ich-Aussage oder deren sonstiger personaler Bezug zunächst einmal einem je bestimmten und einzelnen Ich gilt, das in manchen Fällen (und von solchen soll hier die Rede sein) identisch ist mit dem individuellen, historisch-biographischen Ich des Autors. In diesem Typus eines lyrischen Sprechens ad me ipsum wird in einem spezifischeren Sinne „Ich“ gesagt, sei es, daß deutliche und gewollte autobiographische Referenzen einen Bezug herstellen auf die Vita, auf bestimmte biographische Konstellationen oder auch auf äußere Attribute, physiognomische Charakteristika dieses bestimmten Autor-Ichs, sei es, daß das Ich im Gedicht sich selbst beim bürgerlichen Namen des empirisch-realen Autors nennt, daß das lyrische Ich sich individuell identifiziert als: „Je, Françoys Villon, escollier…“18 oder „I, Walt Whitman…“19 oder „Yo, Rafael Alberti“20 oder eben als: „Ich, Bertolt Brecht“.
Die Geschichte der neuzeitlichen deutschen und europäischen Lyrik auch einmal aus diesem Blickwinkel, nämlich als Geschichte der lyrischen Selbstdarstellung ihrer wichtigsten Dichter, zu schreiben, wäre ein äußerst reizvolles Unterfangen, für mich ein Lieblingsprojekt, zu dem ich seit ein paar Jahren das Material zusammentrage und das ich in absehbarer Zeit in der Doppelgestalt einer Gedichtanthologie und einer komparatistischen Monographie zu vollenden hoffe. Freilich muß ich heute ganz darauf verzichten, die weiteren historischen Abmessungen dieses Feldes auf einer Linie von Andreas Gryphius bis zu Ernst Jandl auch nur zu skizzieren, und auch für strengere gattungstheoretische Erörterungen ist hier nicht der Ort: Wir sind ja nicht für ein paar Abende aus dem universitären Elfenbeinturm ausgebrochen und in das urbanere Ambiente einer ,Kulturmühle‘ übersiedelt, nur um dieses gastliche Gelände alsbald mit dem schweren Geschütz der Literaturwissenschaft zu umstellen und es womöglich in akademisches Besatzungsgebiet zu verwandeln. Daher wäre es mir die bei weitem sympathischste Leitvorstellung für diesen Vortragsabend, wenn Sie sich ihn als einen gemeinsamen Spaziergang durch eine Galerie von Selbstbildnissen (oder jedenfalls: durch einen besonders reich bestückten Saal dieser Galerie) dächten, nur daß die Porträts, die wir dabei zu sehen bekommen werden, zur Abwechslung einmal nicht mit Farbe oder Zeichenstift auf Leinwand entworfen sind, sondern im Material der Sprache, mit Worten, Sätzen, Versen auf einem Blatt Papier oder einer Buchseite. – Aus dieser Leitvorstellung folgt ein zweiter Gedanke: So wie Sie, wenn heute abend ein Kunsthistoriker zu Ihnen über die Selbstporträts bedeutender Maler spräche, zu Recht von ihm erwarten würden, daß er Ihnen diese Bilder zunächst und vor allem einmal zeigte, sie sinnlich erfahrbar machte, so glaube auch ich, daß meine Aufgabe bei diesem gemeinsamen Flanieren durch eine lyrische Porträtgalerie darin bestehen könnte, Ihnen einige besonders bemerkenswerte Exemplare aus meiner Sammlung lyrischer Selbstbildnisse zu präsentieren, um Sie en passant auf die eine oder andere Schönheit oder Besonderheit daran hinzuweisen oder Ihnen den Hintergrund einiger Porträts ein wenig deutlicher zu machen. Dabei werden wir das Tempo unserer ,Führung‘ natürlich ein wenig variieren; vor einigen lyrischen Selbstbildnissen werden wir etwas länger verweilen als vor anderen…
II.
Brechts lyrische Selbstdarstellungen gehören nach Quantität wie Qualität zu den ganz großen Exempla dieses Genres; in der gesamten Literaturgeschichte der europäischen Neuzeit dürfte es nur sehr wenige Dichter geben, deren Œuvre eine ähnlich große Zahl und eine ebenso reiche experimentelle Vielfalt lyrischer Selbstbespiegelungen, aber auch poetischer Selbsterfindungen aufweist. Verwundern kann das eigentlich niemanden, denn eine hohe, durchaus narzißtisch gefärbte Disposition zum Rollenspiel, zur Selbstinszenierung, vielleicht auch zur Selbstmaskierung ist kaum je zu übersehen, wo Brecht sich in einer seiner vielen exemplarischen Rollen ausprobiert und öffentlich ausstellt: als der Stückeschreiber, der Weise, der Lehrer, der Augsburger, als Träger prägnanter Künstlernamen, Kosenamen, Epitheta oder als Träger nicht minder unverkennbarer Markenzeichen: der Schiebermütze, der Nickelbrille, der Zigarre usw. – längst kann man, falls man Nachahmungsgelüste verspürt, diese Devotionalien ja in eigenen Brecht-Shops21 erwerben. Es genügt, pars pro toto an die 1927 von Konrad Reßler aufgenommenen, lange verschollenen, seit ihrem späten Wiederauftauchen aber förmlich allgegenwärtigen Fotoporträts mit dem schwarzen Ledermantel und der dicken Virginia-Zigarre zu erinnern,22 an das unverschämt und genüßlich Posierende darin, die unverhohlene Liebe zur Macho-Pose (und, wie die erfolgreiche Augsburger Jubiläumsaktion projekt brecht mantel von Sepp Strubel und Silvio Wyszengrad bewiesen hat:23 auch an das Ansteckende, kreativ Anregende in dieser Selbststilisierung), es genügt, sich an diese Ikonen einer äußerst erfolgreichen autopoiesis zu erinnern, um einen angemessenen Begriff von Herrn Bertolt Brecht als einem geborenen Selbstsemiotiker, einem Meister des self-styling zu bekommen. Und daß nun obendrein, dieser ebenso aufwendigen wie andererseits ausgesprochen ökonomischen Inszenierung der eigenen Kunst-Figur zum Trotz, gerade Bert Brecht in Phasen seines Œuvres ein Advokat der Entindividualisierung, der Auslöschung des (bürgerlichen) Subjekts, seiner Reduktion auf die kleinste Größe oder gar seines völligen Untergehens im Kollektiv war, macht den Sachverhalt nur noch pikanter oder paradoxer (oder sollen wir vornehm sagen: ,dialektischer‘?).24
Brecht jedenfalls, so die These, die wir im folgenden am poetischen Material verifizieren wollen, war auch in seiner Lyrik (und zwar durchgängig in all ihren sehr verschiedenen Phasen) ein begnadeter Selbst-Darsteller, einer der überragenden Selbstporträtisten in der Lyrik der Moderne. Die Zahl der Gedichte, die von der eigenen Person handeln, sie poetisch in Szene setzen, ist außerordentlich groß; Gedichte, denen die Signatur „Ich, Bertolt Brecht“ eingeschrieben ist, finden sich in allen Werkphasen (weit vor und lange nach der Ballade „Vom armen B. B.“, die die Formel berühmt machte). Brechts lyrische Selbstdarstellungen aus dem Zeitraum mindestens von 1916 bis wenige Monate vor dem Tod, 1956, belegen ein lebenslanges Bedürfnis nach Selbstvergewisserung, Selbststilisierung, wohl auch nach Selbstrechtfertigung; sie zeigen aber ebenso den außerordentlich wandlungsfähigen Künstler, einen wahren Proteus nicht nur des lyrischen Sprechvermögens im allgemeinen, sondern eben auch der Erfindung immer neuer poetischer Selbstbilder, personae und Masken im besonderen.
Freilich: Auch aus diesem reichen Arsenal poetischer Selbstentwürfe erfährt man nicht, wer Brecht ,wirklich‘ gewesen ist, man kommt ihm auch hier nicht hinter die (vermeintliche) Schliche; eher schon kann einen gelegentlich der Verdacht anwandeln, diese ganze Galerie von Selbstbildnissen diene wohl nicht zuletzt gerade der Abwehr solch indiskreter Nachforschungen und Zudringlichkeiten. Immerhin aber kann man aus diesen Entwürfen ,Brechts Brecht‘ kennenlernen, eine zu verschiedenen Zeiten sehr unterschiedlich gestylte Wunsch-Ich-Figur, eine vom Lyriker Bert Brecht geschaffene Kunst-Figur namens B. B. oder Bertie oder Bidi oder Biti oder „der Augsburger“ oder „Herr Bertolt Brecht“ oder „Ich, Bertolt Brecht“ usw. Und man kann erkennen, daß diese künstlerische Ich-Projektion zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Kontexten ganz unterschiedliche Funktionen und Zwecke erfüllt: bisweilen, und begreiflicherweise vor allem im Jugendwerk, eher die Funktion der narzißtischen Selbstbespiegelung und Selbstvergewisserung, ineins damit sehr oft die der nach außen gerichteten Provokation, der Abschreckung, aber auch, wie wir sehen werden: der Anziehung durch Abschreckung. Seit den dreißiger Jahren verstärkt sich die Neigung zu einer durch das Exempel der eigenen Biographie beglaubigten, gleichsam dokumentarischen Lehr- und Vorbildhaftigkeit. Und ein Element der Selbst-Idealisierung und auch der Apologetik fehlt in keiner Werkphase ganz.
Bei unserem Versuch, den Selbstporträtisten Brecht zu porträtieren, ihm bei seiner literarischen Selbstbeobachtung über die Schulter zu schauen, können wir uns an drei deutlich abgrenzbaren Phasen der lyrischen Selbstdarstellung orientieren, die nicht von ungefähr mit markanten Zäsuren der Biographie übereinstimmen: Da sind zunächst die lyrischen Porträts der Augsburger und Münchner Frühzeit, dann, davon erstaunlich verschieden, die biographischen Gedichte im Zeichen der Hinwendung zum Marxismus und unter dem Eindruck von Nazizeit, Weltkrieg und Exil, schließlich eine Reihe von späten Porträts aus den letzten Lebensjahren in der DDR, autobiographische Gedichte von einer ganz ausgeprägten Altersmelancholie, vielleicht auch Altersweisheit.
III.
Vom jungen Brecht der Augsburger Lyrik bis hin zur Hauspostille,25 die sowohl die künstlerische Zusammenfassung wie aber auch den Abschluß dieser Periode darstellt, stammt die insgesamt reichhaltigste und kräftigste Produktion lyrischer Selbstbildnisse: Besonders die frühen Gedichte dieser Periode spiegeln eine große adoleszente Neugier auf sich selbst, die Faszinationen, aber auch die Selbstzweifel und Irritationen eines genialischen jungen Mannes, der seine Besonderheit intuitiv erfaßt hat, aber nicht ebenso sicher weiß, wie er mit ihr umgehen und sie im sozialen Verkehr zur Geltung bringen soll. Vielfach zu belegen ist ein ausgeprägtes Interesse am eigenen Gesicht, dem eigenen Aussehen, am eigenen Bild. Schon früh läßt Brecht sich Masken abnehmen,26 und noch im Dezember 1939 notiert er, die wenigen Habseligkeiten des Exils inventarisierend, mit erkennbarem Stolz:
Ich besitze […] Gips- und Erzabgüsse meines Gesichts und Kopfes.27
Ebensogern läßt er sich von Caspar Neher porträtieren (nicht ohne präzise Anweisungen zu geben)28; in einem Brief an den Freund von Anfang Februar 1918 heißt es bettelnd:
Könntest Du nicht das famose Seelenporträt von meiner Wenigkeit als Bazi auf der blumigen Wiese mit den unendlichen Knien ein wenig farbig machen? Das wäre wundervoll; denn das Bleistiftbildchen will ich nicht aufhängen: es könnte verblassen. Diese Bitte liegt mir leider sehr am Herzen.29
Ähnlich endet der eingangs zitierte Lampion-Brief an Neher vom 11. Mai 1918 mit der narzißtischen Schlußfloskel:
Schaust Du nicht bald wieder einmal mein Gesicht an? Es ist lohnend. Dein alter Bert Brecht.
Im Postskriptum dann der generöse Zusatz:
Du hast ebenfalls ein sehr schönes Gesicht.30
Mit dieser Faszination durch Gesichter (und besonders durch das eigene lohnende Antlitz) geht beim Augsburger Brecht ein ausgeprägtes Interesse an der eigenen Wirkung einher, eine Gespanntheit auf den eigenen Reflex im Urteil der anderen, aber auch der Versuch, diesen Eindruck zu beeinflussen: Typisch in seiner Mixtur aus Narzißmus und unverkennbarer Ich-Unsicherheit ist der Brief an Neher vom 30. Dezember 1917:
Kannst Du mir nicht schreiben, für was Du mich hältst? Ich habe Dir Urteil über Urteil über Dich hinausgeschickt; aber Du hast nie über mich geschrieben. Wenn Du glaubst, es müsse mir genügen, daß Du mir überhaupt schreibst, ist das bitter für mich. Hältst Du mich für einen Kunstkritiker? Und für weiter nichts? Ich frage nicht nur aus Eitelkeit [Man darf getrost lesen: „Ich frage nicht nur aus Eitelkeit“!W. F.]. Aber es ist so still im Land. Ich höre immer meine eigene Stimme. Sie könnte heiser werden. Ich glaube nicht, daß aus nichts etwas wird, aber aus wenig kann sich viel entwickeln. Ich glaube nicht, daß Du wissen kannst, ob nichts oder etwas da ist. Du kannst also ruhig wahrhaftig urteilen! Ich will nicht wissen, was ich bin. Sondern: Für was Du mich hältst! Bitte schreib darüber! Ich werde etwas irr an Verschiedenem.31
Von dieser Unsicherheit, das eigene Bild in den Augen der anderen betreffend,32 läßt sich noch vieles wiederfinden selbst in dem Grabstein-Gedicht von 1933 mit seinem scheinbar so forschen Versuch, vorsichtshalber sogar das postume Erinnern der anderen im vorhinein festzulegen. Die berühmt-berüchtigten Zeilen: „Ich benötige keinen Grabstein, aber / Wenn ihr einen für mich benötigt / Wünschte ich, es stünde darauf […]“ usw.33 Und diese Unsicherheit sollte man immer im Gedächtnis behalten, wo die lyrischen Selbstporträts des frühen Brecht sehr grelle und prahlerische und scheinbar grandios selbstbewußte Töne anschlagen. Man muß kein Psychologe sein, um zu erkennen, daß in diesen resoluten, keineswegs zimperlichen Gesten der Selbstanpreisung auch manche Labilität und Verletzlichkeit überspielt werden soll. (Dazu passen ja auch die vielen übereinstimmenden Berichte, die Brecht in seinem tatsächlichen Verhalten insbesondere auch gegenüber Frauen als sehr viel zurückhaltender und scheuer, als höflicher, aber auch entschieden konventioneller schildern, als er sich selbst, wie wir gleich sehen werden, in seinen lyrischen Selbstporträts entwirft).
Diese frühen Selbstbildnisse aus Brechts Augsburger Lyrik nun sind charakterisiert durch eine eigentümliche Überlagerungstechnik: Einerseits nehmen sie ihren Ausgang in der Regel bei erkennbaren biographischen Konstellationen, einem Augsburger Lokalambiente (wie dem nächtlichen Rathausplatz der „Serenade“) oder dem unmittelbaren Zirkel der Kumpane, zu dessen Gebrauch sie auch wiederum gedacht sind: als Lieder zur Klampfe von Bert Brecht und seinen Freunden.34 Die Gedichte haben insofern sicherlich ein Element von Erlebnisdichtung und Gebrauchslyrik, jedenfalls einen ziemlich direkten lebensweltlichen Bezug. Andererseits sind diese realen Anstöße überformt durch vielfältige Lektürereminiszenzen und Stilimitationen von der Bibel über die Vagantendichtung des François Villon bis hin zu Anleihen beim lyrischen Idiom Walt Whitmans und Arthur Rimbauds; die biographischen Gegebenheiten erfahren dadurch eine sehr ausgeprägte literarische Überhöhung und Verfremdung: Das Kunst-Produkt namens Bert Brecht, das in diesen frühen Gedichten wieder und wieder beim Namen gerufen wird, entsteht aus dem Echo fremder literarischer Stimmen – auch der „arme B. B.“ ist direkter intertextueller Widerhall von „le pauvre Villon“ –, und meist erscheint die lyrische Kunst-Ich-Figur des frühen Brecht in sehr ausgeprägten, grellen Stilisierungen zum Exoten, Indianer, Neger oder Wilden, zum Sünder oder auch zum Tier, durchgängig aber jedenfalls in der Perspektive des Grotesk-Anderen und Fremdartig-Besonderen. Ein Außenseiter in mannigfacher Kostümierung.
An den folgenden Selbstbeschreibungen fällt sofort ins Auge, wie hier zwar von wiedererkennbaren Realien oder eben vom eigenen bürgerlichen Namen ausgegangen wird, wie die Bilder dann aber sehr rasch fremd werden und expressiv verschwimmen. Kennzeichnend für diese Porträts ist ein orgiastischer Vitalismus, in dem die metaphorischen Sphären etwa des Humanen und des Animalischen verfließen und die festen Ich-Konturen sich in einem ekstatischen Lebensstrom aufzulösen scheinen. Das lyrische Ich namens Bertolt Brecht scheint gleichsam osmotisch in den Bezirk einer orgiastischen, alles aufsaugenden Allnatur ohne feste Grenzen hinüberzudiffundieren. Ein unbetiteltes Fragment von 1921,35 durchaus eindrucksvoll in seinem Mut zur Häßlichkeit der eigenen Zeichnung, beginnt mit den Zeilen:
OH, DER ARME BERTHOLD BRECHT aufgewacht! in fremden Häusern früh um vier Uhr, laufend in die Küche mit Augen glotzend wie Stachelbeeren, er preßt das Gesicht an die kühlen Scheiben, platt und schleimig wie ein Frosch…
Ähnlich der sog. 19. Psalm mit dem Zusatztitel „Eisenbahnfahrt“,36 dessen lyrische Sprache ebensosehr durch das formale Modell der biblischen Psalmen37 wie durch das Vorbild Rimbauds beeinflußt ist; bemerkenswert besonders das Changieren von Außen- und Innensicht im Blick auf das eigene Ich, überhaupt die Metaphorik des Gleitens, Spiegelns und Hinüberfließens, daneben die exotische Dichotomie vom Ich als Indianer inmitten rauchender Bleichgesichter und in alledem die Stilisierung des Indianer-Ichs zum Dandy, der sich der Sphäre bürgerlicher Tätigkeit entzieht und statt dessen so lange als moderner Eisenbahn-Flaneur durch die Gegend fährt, bis er allmählich mit der Landschaft verwächst:
1
In dem gleitenden Zug zwischen Glasfenstern mitten im Grünen, sitzt ein sanftes Indianergesicht: das bin ich.
2
Den ganzen Sommer ist es in den Eisenbahnzügen zu sehen, in den Ebenen, zwischen schwatzenden Weibern und rauchenden Bleichgesichtern, mit dem Blick über die Wiesen.
3
Ich arbeite nichts im Sommer, ich fahre nur herum und lauf ins Grüne, aber im September schon ist mein Gesicht eine Landschaft und dann bin ich am ruhigsten im Jahr.
Deutlich von Walt Whitman beeinflußt38 ist das psalmodierende und ekstatische Sprechen des Gedichts „Gesang von mir“,39 eine direkte Titelanleihe bei der berühmten Großabteilung „Song of Myself“ der Leaves of Grass. Hier waltet ein sehr kräftiger Sensualismus und Erotismus; das Ich des Dichters, diesmal zum Neger verfremdet, wird zu einer Art von kosmischem Wahrnehmungsorgan, zu einem magischen Medium, das selbst die toten Dinge (wie eine Gitarre) wieder in ihre natürlichen Aggregatzustände zurückverwandeln kann und sich durch seine offenbar schrankenlose Fähigkeit zur Kommunikation und zur Animation auszeichnet, zu einer Belebung toter Materie durch dichterische Benennung und Versprachlichung, durch den poetischen Gesang.40 Nicht zuletzt darin besteht die panerotische Anziehungskraft dieses schwarzen Orpheus:
1
Die Haut hängt mir in Fetzen vom Leib, der ist dünn wie bei einer Heuschrecke, ich bin wie ein Neger im weißen Hemd, meiner Verlockung für die weißen Frauen. Ich bin in warmen Tümpeln gelegen wie ein Haselnußstock, ich bin gut fürs Bett, ich sage es euch.
2
Ich spiele die Gitarre und die Vergangenheit der Saiten wacht wieder auf unter meinen großen Händen: es sind Därme von Vieh, die Gitarre singt viehisch, es ist ein großes Tier, das mir am Leib hängt wie eine Zecke, und es schreit wohltönend, wenn ich es würge. Dazu singe ich kleine Lieder, die ich von den Bäumen pflückte am Morgen.
[…]
6
Ich aber tanze wie die Neger um die Kupfersonne, indem ich mein Darmvieh quäle und das Geschrei der Äcker imitiere sowie das Seufzen der Kühe beim Beischlaf.
[…]
Ein weiteres Beispiel solcher bizarren Selbstbeschreibung, Selbstverzerrung: das Gedicht „Hier steht Bertold Brecht au einem weißen Stein“ von 1921.41 Abermals dieselbe lustvolle Dehumanisierung des eigenen Selbst in der Kumulation grotesker Bilder der Verworfenheit, des Ausgesetzt- und An-den-Pranger-gestellt-Seins, das Ganze diesmal gerahmt durch eine pseudomittelalterliche Sünder- und Büßerpose im Stil Villons:
HIER STEHT BERTOLD BRECHT auf einem weißen Stein
Fleischfressender Esel, bußfertiges Schwein
Halber Niggergötze und halber Affe
Maulheld, Zutreiber, Speichellecker und Pfaffe
Zahnlos vom vielen Brombeernschlecken
Katzbalgerei und Zähneblecken
O lacht ein gutes Lachen
Und weint ein Weinen echt
Und macht ein Kreuz in der Luft über
Den armen Bertold Brecht. […]
Dergleichen gibt es mehrfach auch als Gruppenporträt wie etwa in dem Hauspostillen-Gedicht „Von den Sündern in der Hölle“;42 hier wird die ganze Augsburger Clique moritatenhaft durchgehechelt („der Müllereisert“, „der Kaspar Neher“, „George Pfanzelt“, „die liebe Marie“, jeder mit einem grotesk-bänkelsängerischen Schicksal behangen), bis hinunter zum größten aller Sünder, der naturgemäß die unwürdige Klimax bildet:
Und dort im Lichte steht Bert Brecht
An einem Hundestein
Der kriegt kein Wasser, weil man glaubt
Der müßt im Himmel sein.
Jetzt brennt er in der Höllen
Oh, weint ihr Brüder mein!
Sonst steht er am Sonntagnachmittag
Immer wieder dort an seinem Hundestein.
Ein weiteres regelmäßiges Ingrediens der frühen Selbstbildnisse ist eine ausgesprochen derbe Sexualität, ein ekstatisches ,Baalsches‘ Lebensgefühl, in dem sich der junge Poet zu einem förmlichen Dämon der Geilheit zu stilisieren und dadurch Anstoß und Aufsehen zu erregen sucht. Im „4. Psalm“43 heißt es:
Was erwartet man noch von mir?
Ich habe alle Patiencen gelegt, alles Kirschwasser gespien
Alle Bücher in den Ofen gestopft
Alle Weiber geliebt, bis sie wie der Leviathan gestunken haben.
Ich bin schon ein großer Heiliger, mein Ohr ist so faul, daß es nächstens einmal abbricht.
Hier wird, reichlich großsprecherisch und – wie man gegen die ostentative Abgebrühtheit des Textes betonen muß – in der durch keinerlei reale Lebens- und Liebeserfahrung gedeckten Pose des ,Alles schon gehabt‘ eine erotische Selbstanpreisung zelebriert, die man ruhig angeberisch nennen kann: Die kraftmeierisch-aggressive Sprache hat einen eigentümlich männerbündischen Zug und wohl auch ein Element von überspielter Unsicherheit und verbalerotischer Ersatzbefriedigung (wie ja Brecht noch Jahre später seine deftigsten pornographischen Sonette immer dann schreiben wird, wenn seine Frauen ihn wieder einmal sitzengelassen haben). Ähnliche Hyperbeln eines grellen machismo im Gruppenporträt der Freunde und ihrer nächtlichen Heldentaten in den Lechauen, einer Männerphantasie, deren phallozentrisches Bramarbasieren nur durch die distanzschaffende Fiktion einer kokett-erstaunten recherche du temps perdu halbwegs erträglich gemacht wird:
Aus VERBLICHENEN JUGENDBRIEFEN
Geht hervor, daß wir nicht schliefen
Eh das Morgenrot verblich.
Frühe auf den braunen Ästen
Hockten grinsend in durchnäßten
Hosen Heigei, Cass und ich. […]
Braunen Sherry in den Bäuchen
Und im Arme noch das Säuchen
Das uns nachts die Eier schliff.
Zwischen Weiden tat ein jeder
In den morgenroten Äther
Einen ungeheuren Schiff.44
Auch das ist ohne jeden Zweifel sehr, sehr unanständig und vulgär, kaum mehr als halbstarke bis höchstens dreiviertelstarke Kraftsprüche: die Zelebration einer wilden Augsburger Männerfreundschaft in ihrer hormonellen Sturm und Drang-Phase, besiegelt durch das vom Sonnenaufgang illuminierte Urinieren im Quartett. Was hier so ungeheuer mannesstolz beschifft wird, sind die bürgerlichen Konventionen von Moral und Anstand, und es wäre der ultimative Triumph des Gedichts, wenn seine prüden Leser sich darüber aufregten. Heigei, Cass und B. B. in ihren durchnäßten Hosen würden dann wohl noch etwas breiter grinsen oder noch höhere Triumphbögen schiffen.
Und was sagen die Leute zu so einem, was sagen besonders die Frauen? Nun, auch das stellt das Enfant terrible sich vor – und diese Vorstellungen steigern seine Selbstzufriedenheit ins Unermeßliche. Tatsächlich inszeniert sich Brecht in einer ganzen Reihe früher Gedichte in der Außensicht, er intoniert gleichsam den Chor der von B. B. Befremdeten und Faszinierten und imaginiert sich selbst in diesem den anderen unterstellten Schock als den großen Befremdlichen (und darin Faszinierenden). Die fassungslosen Reaktionen der anderen werden gleich mitinszeniert, werden diesen gewissermaßen als ihre Rolle in einem sehr asymmetrischen Spiel zudiktiert. Im Schock der anderen feiert der poète maudit wahre narzißtische Orgien seiner grandiosen ,Alterität‘.
Nehmen wir zum Beispiel das Gedicht „Anna redet schlecht von Biti“ von 1920 oder 1921.45 Es besteht im wesentlichen aus einer ansehnlichen Liste von Vorhaltungen gegenüber einem (offenbar gleichwohl, ja am Ende gerade deshalb geliebten) Scheusal namens Biti:
Eingebildet bis zum Platzen
Faul wie ein Ameisenbär
Nichts als seine Eier kratzen
Und das Maul aufreißen der
Tabakrauchen, Zeitunglesen
Schnapsgesäuf und Billardspiel
Hundskalt und ein großes Wesen
Und kein menschliches Gefühl
Und nichts als mit Huren lumpen
Und zum Schiffen noch zu faul
Grinst er, sieht man seine Stumpen
Keinen Zahn hat er im Maul […]
usw. usf. bis zur (kaum überraschenden) Prophezeiung, daß es mit so einem Parasiten notwendig ein schlimmes Ende nehmen werde.
Der seinerzeitigen Geliebten und baldigen Ehefrau Marianne Zoff, der kultivierten Operndiva (deren Aufmerksamkeit Brecht sich zuerst sicherte, indem er in einer Opernkritik nicht ihre Stimme, sondern ihre Beine rühmend hervorhob),46 Marianne Zoff also ist die „Gardinenpredigt“47 von November/Dezember 1920 in den Mund gelegt: Wiederum ein ellenlanges, genüßlich heruntergebetetes Sündenregister mit allen erdenklichen Vorhaltungen gegenüber dem Ungepflegten, unbürgerlich Abstoßenden, diesmal kulminierend in dem Stoßseufzer: Wenn er bei alledem doch nur nicht so unwiderstehlich erotisch wäre!
GARDINENPREDIGT
Sei doch einmal ein netter Junge
Und paß auf deine arme Lunge!
Und sei so artig und honett
Und laß die Zeitung weg im Bett!
Zieh mich nicht auch in deinen Pfuhl
Und trink nicht Schnaps im Schaukelstuhl!
Du weißt genau, daß ich es büße!
Wann wäschst du eigentlich die Füße?!
Ein andrer würde sich ja schämen
Die „Worte“ in den Mund zu nehmen!
Schäm dich, zwischen den Zehn zu fischen
Und dich am Bettuch abzuwischen!
Rasiert bist du auch wieder wie
Ein Schwein und Pickel wie noch nie!
Und mußt du denn die Virginien rauchen
Wo wir das Geld so schrecklich brauchen!
Du riechst davon nur aus dem Mund
Ja, was ich sagen wollte, – und
Sei doch einmal ein netter Junge
Und küß mal wieder mit der Zunge!
Fußschweiß, Pickel, Mundgeruch, aber die Frau bettelt um Zungenküsse… – ob der ,nette Junge‘ hier nicht doch Ausdünstung und Ausstrahlung verwechselt?!
Schließlich gehört in diese Kategorie der Gesänge vom faszinierend-befremdlichen B. B. auch das hübsche „Kuplet“,48 wahrscheinlich von 1918: Brecht schildert sich hier in drei verschiedenen Ambientes: Zunächst als vergnügungssüchtigen Plarrerbesucher („Wenn ich auf den zauberischen Karussellen / Mit den Kindern um die Wette fuhr“) bzw. als trunkenen Dichter, der in „mondenhellen Nächten sang im Himmel von Azur“, dann (Str. 2) schwitzend im Kreis der feinen Leute, ihnen „erzähle[nd], was noch keiner weiß“, schließlich (3. Str.) „in Gottes Himmel“, bei den „Heiligen und Frommen“, denen beim Anblick des Augsburgers im Himmel der einhellige Stoßseufzer entfährt: „Der hat uns gefehlt zur Seligkeit“. Alle drei Strophen aber beschließt ein identischer Refrain, das spöttische Echo der sozialen Rede. Denn in diesem Punkt sind sich die Rummelplatzbesucher, die besseren Kreise und die Heiligen ausnahmsweise einmal einig:
Und sie sagen alle ganz wie meine Mutter:
Er ist ein andrer Mensch, er ist ein andrer Mensch
Er ist ein völlig andrer Mensch als wir.
Der Außenseiter B. B. ist in keinem Kreis unter seinesgleichen, nicht bei den kleinen, nicht bei den feinen und auch nicht bei den reinen Leuten. Er genießt das sehr!
Und doch gibt es auch für diesen Exzentriker einen Partner, der zählt und mit dem er Zwiesprache hält, von gleich zu gleich, von Schöpfer zu Schöpfer: Gott. Nicht wenige der Augsburger Gedichte folgen, parodistisch und blasphemisch, der Figur einer Selbstdivinisierung im gleichberechtigten Umgang, ja in einer regelrechten metaphysischen Kumpanei mit Gott. „Der Gesang von mir“49 konstatiert in aller Bescheidenheit:
Ich habe ein Verhältnis mit dem Himmel, ich nenne ihn Azorl, herrlich, violett, er liebt mich. Es ist Männerliebe.
Zu dieser ,Männerliebe‘ gehört, daß mit dem hohen Herrn von gleich zu gleich verkehrt und, wo nötig, auch einmal ein Auge zugedrückt wird – Gott mag seine Fehler haben, aber selbst B. B. ist nicht perfekt. Der „Psalm für einen höflichen Mann“50 läßt an diesem Gentlemen’s Agreement zweier unberechenbarer Größen keine Zweifel aufkommen:
Auf den kleinen Steinen sitzt Biti und singt […]
Biti weiß, daß Gott mit Vorliebe Zurückzieher macht
Biti hält an sich und grinst nicht, Biti ist höflich […]
Biti ist charakterlos wie ein Gast und hinkt freiwillig, wenn es ihm gut geht
Biti weiß, wie leicht man sich mißliebig macht
Auf den kleinen Steinen sitzt Biti und singt
Zwei Gedichte aus dieser Serie von Selbstbildnissen eines Ichs in privilegierter Zwiesprache mit Gott ragen durch ihren schieren Ernst über das Gros ihrer lässig-blasphemischen Nebentexte hinaus; in ihnen wird erkennbar von Anliegen gesprochen, die den frühen Brecht in seiner Identität berühren: Das Gedicht „Gottes Abendlied“51 läßt sich in seiner Rede vom Dichter Brecht und von dessen Gesängen als eine Art poetologisches Credo der frühen Lyrik lesen. Es intoniert, unverkennbar unter dem Einfluß Walt Whitmans und in einem gleichsam kosmischen Espressivo, eine Art von hymnischem Schöpfungsgesang,52 und die leitende Vorstellung dabei ist, daß Gott selbst am Abend in seine Schöpfung hineinhorcht und sich an der gigantischen Mannigfaltigkeit ihrer Geräusche ergötzt. Diese Geräusche stammen aus den unterschiedlichsten Quellen, und sie durchlaufen einen doppelten Zyklus: Zuerst überwiegen kosmische Qual- und Schmerzenslaute, dann deren ekstatisch-positive Gegenstimmen, die Negativa wandeln sich zu Positiva, aus der Qual und dem Tod von etwas Altern entsteht etwas Neues. Beide Ketten aber, beide Melodielinien dieser kosmischen Schöpfungssinfonie des Werdens im Vergehen, führen einheitlich auf einen menschlichen Fluchtpunkt hin: auf Bert Brecht als das gleichsam prophetische Wahrnehmungsorgan all dieser ekstatischen Sensationen und Erregungen. Gut hegelianisch (oder auch gut hölderlinisch) könnte man sagen: Erst in Brechts Gesängen kommt Gottes Erfahrung seiner Schöpfung zur Sprache und darin zu sich. Natürlich hat das etwas entschieden Hybrides und Hyperbolisches, einen Aspekt der Selbstgigantisierung, und tatsächlich steht die Rede von der „Qual Bert Brechts, dem es schlecht geht“ in unmittelbarer Nähe zum „Gletschergebrüll des weißen Himalaja […] in seiner eisigen Einsamkeit“ – „die Gipfel grüßen sich“, würde Nietzsche sagen. Und dennoch ist hier auch zugleich ein poetologischer Anspruch formuliert, die Ambition nämlich, in den eigenen Gesängen die poetische Summe eines in all seinen Polaritäten am Ende ekstatisch bejahten Kosmos zu ziehen.
GOTTES ABENDLIED
Wenn der blaue Wind des Abends Gottvater weckt, sieht er den Himmel über sich erbleichen und genießt ihn. Sogleich werden seine Ohren durch den großen kosmischen Choral erquickt, dem er sich hingibt:
Der Schrei überschwemmter Wälder, die am Ertrinken sind
Das Ächzen alter brauner Holzhäuser, denen die Last der Möbel und Menschen zu schwer wird
Das trockene Husten erschöpfter Äcker, die man ihrer Kraft beraubt hat
Das gigantische Darmgeräusch, mit dem das letzte Mammut sein hartes und seliges Erdenleben abschloß.
Die angstvollen Gebete der Mütter großer Männer
Das Gletschergebrüll des weißen Himalaja, der in seiner eisigen Einsamkeit sich amüsiert und die Qual Bert Brechts, dem es schlecht geht.
Folgt nun die Gegenbewegung, in der jeweils ein vorausgehendes Element wieder aufgenommen und in seiner positiven Kehrseite gezeigt wird:
Und zugleich: die verrückten Lieder der Wasser, die in den Wäldern emporkommen.
Das sanfte Atmen schlafender Menschen, von alten Dielen gewiegt.
Das ekstatische Murmeln von Kornfeldern, lange Gebetmühlen.
Die großen Worte großer Männer
Und die wundervollen Gesänge Bert Brechts, dem es schlecht geht.
Vielleicht kann man aus diesen Zeilen auch eine überbietende Klassiker-Reminiszenz heraushören: „Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, / Gab mir ein Gott, zu sagen, wie ich leide“, hatte es in Goethes Dichterdrama geheißen53 – Brecht übertrumpft diese Vorstellung, denn bei ihm hört auch Gottvater nur ergriffen zu, wie B. B. selbst noch aus seiner Qual die wundervollen Gesänge herausholt! Der kosmische Choral, in dem Gott seiner eigenen Schöpfung lauscht, vollendet sich in Brechts (zweifellos göttlichen) Gedichten.
Womöglich noch eindrucksvoller und ernsthafter ist das Fragment „Der Beleidigte“,54 das am 2. Mai 1920, einen Tag nach dem Tod der Mutter, entstanden ist. Hier weitet sich die konkrete Klage und Trauer um diesen persönlichen Verlust55 in das bewegende Selbstporträt eines generell Heimatlosen und Ausgeschlossenen, der sich in der bürgerlichen Gesellschaft sowenig aufgenommen fühlt wie in dem kalten Kosmos, in den er verschlagen ist, ohne je um seine Zustimmung gefragt worden zu sein.56 Gerade in seiner beherrschten Sprache erzeugt das Gedicht ein beträchtliches nihilistisches Pathos; es wird zum Dokument einer transzendentalen Obdachlosigkeit und eines horror vacui in kosmischem Maßstab; die Beleidigung, von der der Titel spricht, entspringt einer narzißtischen Kränkung von universaler und existentieller Dimension, der Beleidiger ist Gott selbst, der hier abfällig einfach „Er“ genannt wird und von dem es heißt, das „Maß seiner Vergehen“ sei „voll“. Ich zögere nicht, dieses wenig bekannte und doch so ausdrucksstarke Porträtgedicht Brechts bedeutend zu nennen.
DER BELEIDIGTE
Gewiß: ich bin sofort heimgegangen.
Er hatte mich den ganzen Tag durch seinen blassen Himmel beleidigt. Aber am Abend war das Maß seiner Vergehen voll. Ich ging heim.
Ich habe eingesehen: Man liebt mich nicht. Ich kann wie ein Hund verrecken, sie trinken Kaffee. Ich bin überflüssig hinter meinen Gardinen.
Ich konnte mich nicht mehr retten, schwarze Kolosserhunde tauchen an den Straßenbiegungen auf.
Die Wolken winken ab, das himmlische Konzert findet unter Ausschluß meiner Persönlichkeit statt.
Das schwarze Wasser fließt immer noch unter der Brücke durch, ich habe rasch hinabgeschaut. Die Blasmusik spielte mit geblähten Backen (es wird mehrere Coitusse geben diesen Morgen!), ich dachte vom Wasser: wenn sie spielen, geht es etwas besser.
Ich bin, mit offenem Hemd auf der Brust, ohne Gebete im Gaumen, preisgegeben dem Stern Erde, der in einem System, das ich nie gebilligt habe, im kalten Raum umgeht.
Meine Mutter ist seit gestern abend tot, ihre Hände wurden allmählich kalt, als sie noch schnaufte, sie sagte aber weiter nichts mehr, sie hörte nur zu schnaufen auf.
Ich habe einen etwas beschleunigten Puls, sehe noch klar, kann gehen, habe zu Abend
Eine konzentrierte Miniatur derselben transzendentalen Obdachlosigkeit eines desillusionierten Subjekts gibt das etwa zeitgleich entstandene Gedicht „Den Nachgeborenen“:57
Ich gestehe es: ich
Habe keine Hoffnung.
Die Blinden reden von einem Ausweg. Ich
Sehe.
Wenn die Irrtümer verbraucht sind
Sitzt als letzter Gesellschafter
Uns das Nichts gegenüber.
So möchte man noch vieles zitieren, gerade die Augsburger Lyrik ist überreich an ebenso grell-expressiven wie zugleich konzentrierten Formeln faszinierter Selbstfremdheit, ostentativ ausgestellter Ungreifbarkeit und Unverläßlichkeit – und förmlich trunken vom Triumph zurückgewiesener sozialer Erwartungen und Rollenzumutungen: „Ich habe zu verstehen gegeben, daß man das Hohe Lied von mir nicht mehr erwarten darf. / […] Wer immer es ist, den ihr sucht: ich bin es nicht“,58 sagen solche Formeln (in diesem Fall im direkten Echo auf das „Je est un autre“ des Idols Rimbaud.59 Oder:
[…] ich spiele mitunter in viel Gesichten Gitarre
Und verstehe mich nicht gut und bin leidlich allein60
Und wenn die Leute kopfschüttelnd finden: „Er ist ein andrer Mensch, er ist ein andrer Mensch / Er ist ein völlig andrer Mensch als wir“,61 dann tönt es bestätigend zurück, genauso sei es:
In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen.
Diese letzte Zeile nun stammt aus jenem Gedicht, das den ganzen frühen Zyklus lyrischer Selbstinszenierungen zugleich krönt und abschließt, nämlich aus der 1922 entstandenen und später zum Schlußgedicht der Hauspostille erhobenen ,Ballade‘ „Vom armen B. B.“62 Ich will dieses zu Recht berühmte Gedicht heute (wo ich die Breite des Brechtschen Repertoires an Selbstbildnissen vorstellen möchte) einmal dadurch auszeichnen, daß ich es gerade nicht eingehend kommentiere (das bedürfte eines eigenen Vortrags),63 sondern lediglich darauf hinweise, wie dieser große Text wirklich alle Motive bündelt, von denen bisher die Rede war: Auch hier wieder begegnet die mythisierende Überhöhung der eigenen Biographie, die die Familienherkunft aus dem Schwarzwald umdeutet in den Advent des poète maudit, „in die Asphaltstädte verschlagen / Aus den schwarzen Wäldern in meiner Mutter in früher Zeit“; abermals finden sich blasphemisch verzerrte religiöse Motive, so vor allem in der Verballhornung der Sterbesakramente zu den Attributen eines flachen urbanen Säkularismus und Hedonismus: zu Zeitungen, Tabak, Branntwein. Und wiederum geht die Identifikation von Bürgerlichkeit und Animalität einher mit der routiniert-überlegenen Handhabung gleich mehrerer (zu bloßen Requisiten einer narzißtischen Selbstinszenierung degradierter) Frauen, steht das männerbündische oder auch einfach halbstarke Gebaren einer Clique zweifelhafter Gentlemen neben den nächtlichen Promenaden B. B.s in der Rolle des einsamen Dandys und Flaneurs. Ganz besonders bemerkenswert dann aber, wie das Gedicht in seiner Schlußpartie (ab Str. 7) all diese schon vielfach variierten Motive ins Epochale, Zeitdiagnostische vergrößert: bis hin zu den Wolkenkratzern von Manhattan und den Telefonkabeln unter dem Atlantik als Attributen einer fortgeschrittenen Zivilisation. Und dieser Zivilisation wird keine glänzende Zukunft vorhergesagt, sondern – in geradezu biblisch-apokalyptischen Bildern – ihr bevorstehender Zusammenbruch. In vollem, illusionslosem Vergänglichkeitsbewußtsein bleibt der Vorsatz, sich selbst unter allen Umständen der Nächste zu sei und sich keineswegs unterkriegen zu lassen, im Bild gesprochen: Bei den Erdbeben, die da kommen werden, die Virginia nicht ausgehen zu lassen durch Bitterkeit. Mehr dazu heute nicht: Das große Gedicht vom armen B. B. vor der Kulisse der fragilen modernen Zivilisation mag einmal für sich selbst sprechen.,
VOM ARMEN B. B.
1
Ich, Bertolt Brecht, bin aus den schwarzen Wäldern.
Meine Mutter trug mich in die Städte hinein
Als ich in ihrem Leibe lag. Und die Kälte der Wälder
Wird in mir bis zu meinem Absterben sein.
2
In der Asphaltstadt bin ich daheim. Von allem Anfang
Versehen mit jedem Sterbsakrament:
Mit Zeitungen. Und Tabak. Und Branntwein.
Mißtrauisch und faul und zufrieden am End.
3
Ich bin zu den Leuten freundlich. Ich setze
Einen steifen Hut auf nach ihrem Brauch.
Ich sage: es sind ganz besonders riechende Tiere
Und ich sage: es macht nichts, ich bin es auch.
4
In meine leeren Schaukelstühle vormittags
Setze ich mir mitunter ein paar Frauen
Und ich betrachte sie sorglos und sage ihnen:
In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen.
5
Gegen abends versammle ich um mich Männer
Wir reden uns da mit „Gentleman“ an
Sie haben ihre Füße auf meinen Tischen
Und sagen: es wird besser mit uns. Und ich frage nicht: wann.
6
Gegen Morgen in der grauen Frühe pissen die Tannen
Und ihr Ungeziefer, die Vögel, fängt an zu schrein.
Um die Stunde trink ich mein Glas in der Stadt aus und schmeiße
Den Tabakstummel weg und schlafe beunruhigt ein.
7
Wir sind gesessen ein leichtes Geschlechte
In Häusern, die für unzerstörbare galten
(So haben wir gebaut die langen Gehäuse des Eilands Manhattan
Und die dünnen Antennen, die das Atlantische Meer unterhalten).
8
Von diesen Städten wird bleiben: der durch sie hindurchging, der Wind!
Fröhlich machet das Haus den Esser: er leert es.
Wir wissen, daß wir Vorläufige sind
Und nach uns wird kommen: nichts Nennenswertes.
9
Bei den Erdbeben, die kommen werden, werde ich hoffentlich
Meine Virginia nicht ausgehen lassen durch Bitterkeit
Ich, Bertolt Brecht, in die Asphaltstädte verschlagen
Aus den schwarzen Wäldern in meiner Mutter in früher Zeit.
IV.
Mit den Berliner Erfahrungen, dem neuen soziologischen Blick auf die Gesellschaft der Weimarer Zeit, dann der Hinwendung zum Marxismus, dem Aufstieg Hitlers, dem Exil, dem Weltkrieg kommen neue politische und historische Dimensionen ins Spiel, die auch Brechts Lyrik, beginnend mit dem Lesebuch für Städtebewohner, von Grund auf verändern.64 Eine der großen Leistungen dieses lyrischen Œuvres besteht ja gerade in seiner seismographischen Reaktionsqualität: Brecht sucht und findet jeweils neue Sprechformen für neue epochale Situationen und Herausforderungen. Und was für die Lyrik insgesamt und in ihrer großen Entwicklungslinie gilt, das gilt auch für die poetischen Selbstporträts, die es weiterhin in großer Zahl gibt, die aber ihre Perspektiven, ihren Tonfall, ihre Inszenierungstechniken von Grund auf ändern. Diese neuen lyrischen Selbstentwürfe wirken auf den ersten Blick nicht mehr so spektakulär narzißtisch, egoman, rauschhaft-selbstgenießerisch, sie erscheinen viel kontrollierter, gebändigter, nüchterner, wenn man so will: ,erwachsener‘. Mit Brechts Wendung zum Marxismus geht bekanntlich eine ausgesprochene Skepsis gegenüber dem bürgerlichen Individualitätsbegriff einher, und die Lehrstücke der späten Weimarer Zeit inszenieren geradezu die exemplarische Bereitschaft Einzelner zur Selbstauslöschung, zur Reduktion auf die kleinste Größe, zur Aufhebung im Kollektiv. Dem entspricht, wie in der Lyrik allgemein so auch in den lyrischen Selbstporträts, das Verschwinden ihres exzessiv-selbstausstellerischen Zuges, des schamlosen Sprechens von der eigenen genialischen Subjektivität in ihrer Besonderheit. Statt dessen nun ein manifester Bezug auf Politik, Zeitgeschichte, den politischen Kampf – und auf den bedrohlichen Reflex der Historie noch im Allerprivatesten. Diese Gedichte suchen, auch dort, wo sie vom eigenen Ich sprechen, immer zugleich von der persönlichen Biographie und von ihrem dokumentarischen, symptomatischen, exemplarischen Charakter zu sprechen, sie sind gekennzeichnet durch einen gleichsam soziologischen und historisierenden Blick auf das eigene Selbst und dabei auch – gerade in ihren besten Beispielen – von einer manchmal verdeckt pathetischen, manchmal elegischen Spannung zwischen zwei verschiedenen Zeitzyklen: der courte durée der eigenen, individuellen Lebenszeit (in ihrer unwiederbringlichen Einmaligkeit und Vergänglichkeit) und der longue durée des geschichtlichen Rhythmus, der großen Weltzeit, Geschichtszeit, Katastrophenzeit. – Dieser ganz veränderten Perspektivierung des Selbst entsprechen parallele Wandlungen der lyrischen Diktion: Sprache und Stil der neuen Selbstporträts werden viel empirienäher, realistischer, gewinnen einen beinahe fotografischen Zug, und an die Stelle der kühnen, verfremdenden Metaphern des Frühwerks (das Ich als Neger oder Indianer, als schleimiger Frosch mit Stachelbeeraugen, als armer Sünder am Hundestein usw.) treten jetzt präzise, tagebuchartige Wahrnehmungssplitter und realistische Synekdochen, d.h. ausschnitthafte, genau lokalisierte Momentaufnahmen der eigenen Biographie vor ihrem epochalen Hintergrund; die Selbstdarstellung soll einen politisch-historischen Verweisungs-, Zeugnis- und Diagnosecharakter gewinnen, Individuelles soll für das übergeordnete Allgemeine transparent werden. – Und noch ein grundlegend neuer Zug: Hatten die frühen Gedichte den asozialen Charakter, die Außenseiterrolle des genialischen Bürgerschrecks B. B. betont, sein Aufgehobensein höchstens in der (selbst bohèmehaft-exzentrischen) Freundesclique, so sind die Gedichte des tatsächlich isolierten Exilanten gerade umgekehrt bemüht, Anschluß zu gewinnen, die eigene Existenz in die Solidarität kollektiver Erfahrung zu integrieren: sowohl in die Solidarität der Unterdrückten wie auch und vielleicht sogar vorrangig: in die kollektive Memoria, die Langzeitidentität der Literatur, in den Club der zu allen Zeiten durch die Macht gefährdeten, oft verbannten Dichter.65 Die Zeile „In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen“ wäre jetzt undenkbar: Nun geht es um Zugehörigkeit, Brauchbarkeit, kämpferisches Dabeisein auf der richtigen Seite. – Ich kann all das nur mit wenigen Beispielen aus einem sehr reichen Fundus veranschaulichen:
Erstens: Die Technik der historischen Synekdochen, in denen das eigene Ich, die eigene Erfahrung beispielhaft und in diesem Sinne lehrreich wird für den Gang der Geschichte im Großen, ließe sich an sehr vielen Gedichten der Exilzeit demonstrieren. Es wäre leicht, aus Brechts Werk ein regelrechtes Exiltagebuch in Gedichten zusammenzustellen;66 der Bogen reichte hier von der Austreibung aus Deutschland über alle Stationen des dänischen, finnischen, amerikanischen Exils bis zur Rückkehr. – Nehmen wir als Beispiel die beiden Gedichte von 1933 bzw. von 1934/35, in denen Brecht ein Detail der eigenen Biographie mit der allgemeinen politischen Lage zusammenbringt und seine eigene Entscheidung für das Exil daran verdeutlicht: Es geht um den aus den Tantiemen der Dreigroschenoper finanzierten Erwerb und den schon wenige Wochen später durch die Flucht aus Deutschland erzwungenen Verlust des Hauses in Utting am Ammersee. Das frühere der beiden Gedichte trägt den Titel „Ich habe lange die Wahrheit gesucht über dass Leben der Menschen untereinander“;67 seine vierte und fünfte Strophe lauten:
4
Mir nahmen sie mein kleines Haus und meinen Wagen
Die ich schwer verdient hatte
(Meine Möbel konnte ich noch retten!)
5
Als ich über die Grenze fuhr, dachte ich:
Mehr als mein Haus brauche ich die Wahrheit.
Aber ich brauche auch mein Haus. Und seitdem
Ist die Wahrheit für mich wie ein Haus und ein Wagen.
Und man hat sie genommen.
Hier wird, in ganz lehrstückhaftem Duktus, der konkrete biographische Fall auf einen exemplarischen Gestus hin transparent gemacht, wird eine politisch-ethische Haltung demonstriert. Im selbsterfahrenen Schicksal konkretisiert sich die Wahrheit über die politischen Vorgänge: „die Wahrheit ist konkret“, wie eine Brechtsche Lieblingsmaxime lautete.
Viel umfangreicher dann das etwas spätere Parallelgedicht „Zeit meines Reichtums“.68 Es beginnt:
Sieben Wochen meines Lebens war ich reich.
Vom Ertrag eines Stückes erwarb ich
Ein Haus in einem großen Garten. […]
Auf diesen Eingang folgt eine mehr als zwanzig Zeilen lange, liebevoll ausziselierte Beschreibung des Hauses und des Wohlgefühls, darin zu wohnen: Da ist die Freude an den „alten Bäumen über den Wiesen in der Frühdämmerung“, am „Teich mit den moosigen Karpfen“, an den „weißen Rhododendronbüschen am Abend, nach dem Vesperläuten“, an der Schönheit der erlesenen Baumaterialien und der Sorgfalt der handwerklichen Ausführung – ein Meisterstück klassischer, fast homerischer Schilderungskunst. Diese Evokation des angenehmen Lebens auf dem Lande aber mündet in eine Schlußpartie, die begründet, warum das alles aufzugeben war und in welcher Haltung dies geschah:
Nach sieben Wochen echten Reichtums verließen wir das Besitztum, bald
Flohen wir über die Grenze.
Die Lust des Besitzes fühlte ich tief und ich bin froh
Sie gefühlt zu haben. Durch meinen Park zu gehen, Gäste zu haben
Baupläne zu erörtern, wie andere meines Berufs vor mir
Gefiel mir, ich gestehe es. Doch scheinen mir sieben Wochen genug.
Ich ging ohne Bedauern, oder mit geringem Bedauern. Dies schreibend
Hatte ich schon Mühe, mich zu erinnern. Wenn ich mich frage
Wieviele Lügen zu sagen ich bereit wäre, diesen Besitz zu halten
Weiß ich, es sind nicht viele. Also, hoffe ich
War es nicht schlecht, dieses Besitztum zu haben. Es war
Nicht wenig, aber
Es gibt mehr.
Für solche Überblendungen der privaten mit der epochalen Geschichte, den Reflex der katastrophischen Historie im Eigensten gibt es in der Lyrik des Exils viele weitere Beispiele, tagebuchartige Momentaufnahmen oder beinahe emblematisch verdichtete Notate einer ihre eigene Medialität mitinszenierenden Zeitzeugenschaft: Brecht am Ostersonntag 1938 auf der dänischen Insel Fünen, gegen den heraufziehenden Krieg anschreibend, „der / Den Kontinent, diese Insel, mein Volk, meine Familie und mich / Vertilgen muß“, zugleich aber, in einem Gestus konkreter Hilfsbereitschaft im unscheinbarsten Detail, mit dem Sohn das „Aprikosenbäumchen an der Hausmauer“ gegen den plötzlichen Schneesturm schützend: „Schweigend / Legten wir einen Sack / Über den frierenden Baum“;69 Brecht in Finnland am Radio, die „Siegesmeldungen des Abschaums“ hörend und dabei auf der „Karte des Erdteils […] / Nach dem Nördlichen Eismeer zu“ Fluchtwege sondierend;70 Brecht frühmorgens „in der Zeitung von epochalen Plänen / Des Papstes und der Könige, der Bankiers und der Ölbarone“ lesend, „mit dem anderen Auge“ den „Topf mit dem Teewasser“ bewachend, mit leise allegorischem Beiklang fasziniert von der Beobachtung, „Wie es sich trübt und zu brodeln beginnt und sich wieder klärt / Und den Topf überflutend das Feuer erstickt“;71 oder noch einmal Brecht bei der Lektüre von Kriegsberichten, die Nachricht von den Schlachten an der Westfront verbindend mit Gedanken an die daran vielleicht beteiligten Spielkameraden einer Augsburger Kindheit, die so noch im Rückblick kontaminiert scheint, ihre ,Unschuld‘ verliert:
ICH LESE VON DER PANZERSCHLACHT
Du, Färbersohn vom Lech, im Kluckerspiele
Dich messend mit mir in verflossenen Jahren
Wo bist du in dem Staub der Panzerbile
Die nun das schöne Flandern nieder fahren?
Die fleischerne Bombe, auf Calais gefällt
Warst du das, Webersohn der Spinnerei?
Oh, Sohn des Bäckers meiner Kinderwelt
Gilt dir der blutenden Champagne Schrei?72
Ein Gedicht dieser historisch-autobiographischen Serie kann man in Augsburg schlechterdings nicht auslassen:
DIE RÜCKKEHR
Die Vaterstadt, wie find ich sie doch?
Folgend den Bomberschwärmen
Komm ich nach Haus.
Wo denn liegt sie? Wo die ungeheueren
Gebirge von Rauch stehn.
Das in den Feuern dort
Ist sie.
Die Vaterstadt, wie empfängt sie mich wohl?
Vor mir kommen die Bomber. Tödliche Schwärme
Melden euch meine Rückkehr. Feuersbrünste
Gehen dem Sohn voraus.73
Das Klagegedicht mit seiner geradezu barocken Emblematik apokalyptischer Verheerungen ist offenbar im Sommer 194374 entstanden, noch vor der tatsächlichen Zerstörung Augsburgs am 25./26. Februar 1944;75 es hat insofern durchaus prophetische Qualität. Und auch hier wird die komplizierte Verschränkung von Historie und privater Biographie greifbar: Da ist einerseits die Zuneigung des Sohnes zur Vaterstadt, ein Moment der Sorge und der dauerhaften Identifikation; die eigene Identität ist ja ohne diese Herkunft nicht denkbar: Brecht ist und bleibt „der Augsburger“, wie er sich in einem anderen Exilgedicht ausdrücklich nennt,76 er hängt an der Stadt (und hing früher an ihr als sie an ihm!). Aber die Heimkehr des exilierten Sohnes geschieht im Gefolge der Bomberschwärme und der Feuersbrünste, „tödliche Schwärme melden euch meine Rückkehr“: das klingt fast, als handelten die Bomber in seinem Auftrag, als seine Boten.77 Und es ist ja wahr: Brecht könnte nicht zurückkehren, wenn der Nationalsozialismus nicht bekämpft und besiegt würde, in einem Kampf, an dem er, zumindest schreibend, beteiligt ist und in dem er und die Vaterstadt auf verschiedenen Seiten stehen. Das Gedicht hält die Balance zwischen Heimatliebe und politischer Gegnerschaft; aus diesem Dilemma resultieren sowohl sein Pathos wie auch die bange Frage nach der Möglichkeit einer erneuten Annäherung: „Die Vaterstadt, wie empfängt sie mich wohl?“ – das meint ja nicht nur die Frage nach den äußeren Zerstörungen, sondern auch die Frage nach der Möglichkeit einer künftigen Verständigung und Versöhnung. Und in diesem Sinn blieb die Frage, wie wir wissen, noch lange offen…
Zweitens: Die angesprochene Neigung zur Selbstporträtierung im Verbund mit den großen Figuren der Geschichte und der Literaturgeschichte läßt sich bis zur Mitte der 20er Jahre zurückverfolgen. Das Gedicht „Von den großen Männern“78 von 1926 stellt „den großen Bert Brecht“ in eine Reihe mit dem „großen Alexander“, dem „großen Kopernikus“ und anderen Heroen:
Der große Bert Brecht verstand nicht die einfachsten Dinge
Und dachte nach über die schwierigsten wie zum Beispiel das Gras.
Und er lobte den großen Napoleon
Weil er auch aß.
Hier lautet das Fazit noch ironisch:
Die großen Männer sollte man ehren
Aber man sollte ihnen nicht glauben.
In die „Ballade von den Prominenten“ aus der Dreigroschenoper findet deren Urheber 1938 mit einer Zusatzstrophe Eingang,79 diesmal in exklusiver Nachbarschaft mit „dem weisen Salomon“, der „schönen Kleopatra“, dem „kühnen Caesar“ und Herrn Macheath. Ihnen allen hat eine je bestimmte herausragende Eigenschaft schwer geschadet. So heißt es dann:
Ihr kennt den wissensdurstigen Brecht
Ihr sangt ihn allesamt.
Dann hat er euch zu oft gefragt
Woher der Reichen Reichtum stammt
Da habt ihr ihn jäh aus dem Land gejagt.
Wie wissensdurstig war doch meiner Mutter Sohn?
Und sieh, da war es noch nicht Nacht
Da sieht die Welt die Folgen schon:
Sein Wissensdurst hat ihn so weit gebracht –
Beneidenswert, wer frei davon!
Ohne jede Ironie schließlich die Einreihung in das Kollektiv der vertriebenen Poeten aller Epochen wie zuerst in „Die Auswanderung der Dichter“80 um 1934:
Homer hatte kein Heim
Und Dante mußte das seine verlassen.
Li-Po und Tu-Fu irrten durch Bürgerkriege
Die 30 Millionen Menschen verschlangen
Dem Euripides drohte man mit Prozessen
Und dem sterbenden Shakespeare hielt man den Mund zu.
Den François Villon suchte nicht nur die Muse
Sondern auch die Polizei
,Der Geliebte‘ genannt
Ging Lukrez in die Verbannung
So Heine und so auch floh
Brecht unter das dänische Strohdach.
Und besonders bewegend jenes Gedicht aus dem kalifornischen Exil, „Sonett in der Emigration“ von 1941,81 das nun gerade den drohenden Verlust des eigenen Ruhms, das Absinken in die Bedeutungslosigkeit und das Vergessenwerden des eigenen Namens reflektiert:
Wohin ich komme, hör ich: spell your name!
Ach, dieser ,name‘ gehörte zu den großen!
Ich muß noch froh sein, wenn sie ihn nicht kennen
Wie einer, hinter dem ein Steckbrief läuft.
Schließlich, drittens, die ausgeprägte Tendenz der Exillyrik zu Selbstporträts mit exemplarischem, apologetischem, repräsentativem Gestus. Dieser Typus findet sich sowohl in großen, spektakulär ausgeführten Monumentalexempeln wie auch in einigen eindringlichen Miniaturen, Gedichten fast im Format von Paßfotos, die übrigens auch belegen, daß Brecht mit dieser lehrhaften Selbststilisierung durchaus seine Mühe hatte. – Ein Selbstporträt von 1938 trägt den Titel „Geständnis“;82 es lautet:
Ich, Bertolt Brecht, alt: 40 Jahre
Geboren zu Augsburg am Lech
Die Augen braun und braun die Haare
Von Kind an eher scheu als frech
Und dann: Ende der Durchsage. Abbruch, Fragment. Das im Titel angekündigte Geständnis läßt auf sich warten. Es läßt auf sich warten bis 1952 oder 1953, bis zum Gedicht „Ich, Bertolt Brecht“:83
ICH, BERTOLT BRECHT, Sohn bürgerlicher Eltern
Hab diesen Sommer im Gefühl, die Zeit sei knapp
Durchblättert mein Gewissen Seit für Seite
Und lege folgendes Geständnis ab.
Es folgt… der erneute Abbruch der Konfession. So leicht fliegen auch Brecht die Geständnisse nicht zu, schon gar nicht 1953…
Ein Gedicht immerhin könnte man als gelungene Realisierung dieses ,Paßfoto-Typus‘ ansehen; das epigrammatisch knappe Gedicht „Wahrnehmung“ von 1949,84 das die aus einem präzisen physischen Detail ermittelte Höhe der eigenen Lebenszeit-Linie in Verbindung setzt zum Stand der ,großen‘, geschichtlichen Zeit:
Als ich wiederkehrte
War mein Haar noch nicht grau
Da war ich froh.
Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns
Vor uns liegen die Mühen der Ebenen.
Die beiden herausragenden Gedichte der Exilperiode, in denen die aufgezeigten Tendenzen zur symptomatischen Selbstrepräsentation ihren gültigen Ausdruck finden, „Verjagt mit gutem Grund“85 und „An die Nachgeborenen“,86 stehen unmittelbar nacheinander am Schluß der Svendborger Gedichte. Beide monumentalen Selbstdarstellungs-Tableaus bedürften einer eingehenderen Analyse, als wir ihnen auf dieser tour d’horizon widmen können; daher sei diesen großformatigen Gedichten wiederum gerade durch den Verzicht auf rasche Deutungsformeln Respekt erwiesen. Nur ein auffallender Akzentunterschied beider Texte soll hervorgehoben werden: In „Verjagt mit gutem Grund“ zeichnet Brecht ein Selbstporträt in historisch-soziologischer Perspektive, ein dezidiert marxistisches Selbstbildnis, das Details der eigenen Biographie in konzentrierten Abbreviaturen zwar andeutet, sie zugleich aber ins Klassenmäßig-Typische stilisiert und die individuelle Entscheidung des Bürgersohns zum Klassenverrat und zur Solidarität mit den „geringen Leuten“ (Z. 11), dem „Volk“ (Z. 16), den „Bestohlenen“ (Z. 25), den „Niedrigen“ (Z. 35), den „Besitzlosen“ (Z. 37) als den entscheidenden sittlichen Dreh- und Angelpunkt des eigenen Lebens bestimmt, geradezu als eine marxistisch-dezisionistische ,Heilstatsache‘.
Ich bin aufgewachsen als Sohn
Wohlhabender Leute. Meine Eltern haben mir
Einen Kragen umgebunden und mich erzogen
In den Gewohnheiten des Bedientwerdens
Und unterrichtet in der Kunst des Befehlens. Aber
Als ich erwachsen war und um mich sah
Gefielen mir die Leute meiner Klasse nicht
Nicht das Befehlen und nicht das Bedientwerden
Und ich verließ meine Klasse und gesellte mich
Zu den geringen Leuten.
(Z. 2–11)
Sein Beharren auf der einen maßgeblichen Dichotomie des Klassengegensatzes zwischen den „wohlhabenden“ und den „geringen Leuten“ und die Stilisierung des eigenen Frontwechsels zum sittlichen Definiens der individuellen Identität und Integrität verleihen dem Selbstporträt einen Zug von marxistischer Orthodoxie und political correctness. Im Gestus der Abwendung des „Verräters“ (Z. 13) von der eigenen „Klasse“ (Z. 10) und der Preisgabe der arcana imperii an den „Feind“ Z. 15) –
Ja, ich plaudere ihre Geheimnisse aus. Unter dem Volk
Stehe ich und erkläre
Wie sie betrügen, und sage voraus, was kommen wird, denn ich
Bin in ihre Pläne eingeweiht.
Das Lateinisch ihrer bestochenen Pfaffen
Übersetze ich Wort für Wort in die gewöhnliche Sprache, da
Erweist es sich als Humbug. Die Waage ihrer Gerechtigkeit
Nehme ich herab und zeige
Die falschen Gewichte. Und ihre Angeber berichten ihnen
Daß ich mit den Bestohlenen sitze, wenn sie
Den Aufstand beraten.
(Z. 16–26) –,
in diesem widerspruchsvollen Amalgam aus Zugehörigkeit und Herausgehobensein, solidarischer Egalität und intellektuellem Elitarismus, revolutionärer Teilnahme und exklusivem Bescheidwissen erhält die Biographie des Überläufers den Glorienschein einer politischen Heiligenvita, wobei, in einer kaum verhohlenen Gebärde der Selbstheroisierung und in einem impliziten Appell zur admiratio, das günstige Urteil über das vorbildliche eigene Verhalten als Urteil der anderen ausgegeben ist, nämlich dem Kollektiv jener ,Niedrigen‘ und ,Besitzlosen‘ in den Mund gelegt wird, auf deren Seite sich der solidarische bürgerliche Renegat zu ihrem und zu seinem Heil geschlagen hat. In dialektischer Umwertung wird der Klassenverrat zum Verdienst, die „niedrige Gesinnung“ (Z. 34) zur „Gesinnung der Niedrigen“ (Z. 35) und konsequenterweise das Exil zum Ehrentitel und zur Aufnahme in einer neuen politischen ,Heimat‘:
Wo ich hinkomme, bin ich so gebrandmarkt
Vor allen Besitzenden, aber die Besitzlosen
Lesen den Steckbrief und
Gewähren mir Unterschlupf. Dich, höre ich da
Haben sie verjagt mit
Gutem Grund.
(Z. 36–41)
Das autobiographische Triptychon des Nachgeborenen-Gedichts87 spricht auf vergleichbarer Höhe der Verallgemeinerung und des Selbstanspruchs, ja buchstäblich mit testamentarischem Gestus: Auch hier zieht Brecht eine lyrische Lebensbilanz, die sich zum carmen saeculare, zum Breitwandtableau eines „finsteren“ Zeitalters weitet, indem sie – in typisierender Diktion, alle individuellen Züge ins Repräsentative, Lehrreiche, Symptomatische überhöhend – das Einzelschicksal an das kollektive Epochenschicksal bindet und überdies, mit einer Verzeitlichung, die in „Verjagt mit gutem Grund“ keine Parallele besitzt, die bedrückende Gegenwart von Klassenkampf und Diktatur, Weltkrieg und Vertreibung aus der Gewißheit zukünftiger geschichtlicher Überwindungen neu perspektiviert, sie mit der privilegierten Verkündungsgebärde eines säkularen Propheten zum Durchgangsstadium einer marxistisch-eschatologischen Geschichtserwartung mediatisiert. Auch dieses großformatige Tableau der eigenen politischen Existenz spielt in präzisen metonymischen Abbreviaturen konträre Lebensentwürfe durch, alternative existentielle Haltungen, wie sie dem Sprecher in seiner Zeit zugänglich, sogar verlockend erschienen (pars pro toto: das „Gespräch über Bäume“, 2. 9), und es begründet in ethisch-normativem Tonfall, warum das ,lyrische Ich‘ in den Wirklichkeiten seiner totalitären Epoche nicht den kontemplativen oder hedonistischen Verlockungen (der Weisheit, der Liebe, der Natur etc.) nachgab, nachgeben durfte, sondern sich für die kämpferische Solidarität mit den Unterdrückten entschied, entscheiden mußte:
Unter die Menschen kam ich zu der Zeit des Aufruhrs
Und ich empörte mich mit ihnen.
(Z. 37f.)
Gerade im Vergleich mit den plakativen Dichotomien und der ,linientreuen‘ normativen Asymmetrie von „Verjagt mit gutem Grund“ erscheint das Selbstbildnis des Nachgeborenen-Gedichts, bei aller auch hier handgreiflichen Neigung zur Selbstglorifizierung, insgesamt erheblich nuancierter und spannungsreicher, und gerade darin gründet die überlegene Qualität dieses Textes: Nur hier gelingen Brecht dichte und eindringliche Formulierungen auch für die Defizite, die Verheerungen und Zerrissenheiten der eigenen politisch-historischen Existenz, für das Dilemma zwischen einander ausschließenden Lebensoptionen, für die erzwungenen Verzichte auf ,private‘ Glücksmöglichkeiten („Ich wäre gerne auch weise […]“, Z. 24; „Der Liebe pflegte ich achtlos […]“, Z. 43 etc.), auch für die unvermeidlichen Blessuren einer politisch-literarisch engagierten vita activa „in finsteren Zeiten“:
Dabei wissen wir ja:
Auch der Haß gegen die Niedrigkeit
Verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht
Macht die Stimme heiser. Ach, wir
Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit
Konnten selber nicht freundlich sein.
(Z. 69–75)
Vor allem aber ist es die Gegenläufigkeit zweier Zeitzyklen, die diesem großen Rechenschaftsgedicht seine unterschwellig elegische Spannung und sein anrührendes momentum verleiht: Die courte durée der eigenen, individuell zugemessenen Lebenszeit („meine Zeit / Die auf Erden mir gegeben war“) und die longue durée der überindividuellen Welt- und Geschichtszeit folgen je eigenen, unzuvereinbarenden Rhythmen. So kann, nach den temporalen Modi der Gegenwart und der Vergangenheit, die in den beiden ersten ,Flügeln‘ des Triptychons dominieren und die individuelle historische Lebensspanne des Sprechers abstecken, die Schlußabteilung des Gedichts zwar, im Modus eines zweifelsfreien indikativischen Futurums, den Blick öffnen auf jene künftige historische Ära, in der „der Mensch dem Menschen ein Helfer“ (Z. 77) sein wird. Aber diese Ära wird die Epoche der „Nachgeborenen“ sein; der Sprecher selbst, der für ihre Herbeiführung gekämpft und gelitten hat, wird sie nicht mehr erleben und höchstens noch im „Gedenken“ der glücklicheren Späteren präsent sein. In dieser für das Gedicht konstitutiven Spannung zwischen dem Glauben an ein positives Ziel der Geschichte (das im frühen Gedicht „Vom armen B. B.“ noch kategorisch ausgeschlossen erschien) und der Unmöglichkeit für den Propheten, selbst in das Gelobte Land zu gelangen –
Die Kräfte waren gering. Das Ziel
Lag in großer Ferne
Es war deutlich sichtbar, wenn auch für mich
Kaum zu erreichen.
So verging meine Zeit
Die auf Erden mir gegeben war.
(Z. 53–58) –,
in dieser geschichtsphilosophischen Moses-Situation liegt das große Pathos dieser lyrischen Selbstinszenierung in säkularer Dimension, das Pathos von Brechts marxistischer Elegie.88
V.
Auch in Brechts später Lyrik, den Gedichten des Nach-Exils und der DDR-Zeit,89 findet sich noch einmal eine Fülle lyrischer Selbstinszenierungen. Man denke nur an die mannigfachen Bilder einer fortdauernden Transit-Situation und des innerlich unabgeschlossenen Exils – der noch immer auf dem Schrank bereitliegende Emigrantenkoffer,90 der mit Ungeduld gesehene Radwechsel91 usw. – wie auch an etliche Porträt-Miniaturen in den Buckower Elegien, gleichsam ,indirekte‘ Selbst-Skizzen am Rande von Gedichten, die eigentlich von anderen Themen sprechen: „Auf den Knien die Schreibmappe / Sitze ich im Pavillon“, heißt es, das eigene schreibende Beobachten bestürzender Vorgänge beschreibend, in der Eingangspartie des gesellschaftskritischen Ruder-Gedichtes „Heißer Tag“.92 In „Der Blumengarten“93 wird die „weise“ Anlage eines überlegt komponierten, von März bis Oktober blühenden Gartens zum emblematischen Wunschbild des eigenen Persönlichkeitsarrangements:
Hier, in der Früh, nicht allzu häufig, sitz ich
Und wünsche mir, auch ich mög allezeit
In den verschiedenen Wettern, guten, schlechten
Dies oder jenes Angenehme zeigen.
Manches andere dieser Art wäre zu finden. Aber lassen Sie uns diesen Rundgang beschließen mit dem kurzen Blick auf drei späte Einzelgedichte von 1954, 1955 und 1956 – jedes für sich ein kostbares Unikat und zusammen gelesen so etwas wie eine bewegende Trilogie des Abschieds:
Das erste dieser Gedichte ist überschrieben 1954, „Erste Hälfte“,94 und so einfach wie der Titel ist auch der Text selbst. Er besteht aus der ganz lapidaren Parataxe, der einfachen Reihung heterogener Erfahrungselemente,95 die sich aber nicht gegenseitig verdrängen oder einander Konkurrenz machen, sondern sich im Gegenteil, alle gleich notwendig, zu einer zufriedenstellenden, innerlich reichen Gesamtbilanz addieren (eine Technik, die Brecht öfter in seinen Gedichten mit Gewinn verwendet):96
1954, ERSTE HÄLFTE
Ohne schwere Krankheit, ohne schwere Feindschaft.
Genug Arbeit.
Und ich bekam meinen Teil von den neuen Kartoffeln
Den Gurken, den Spargeln, den Erdbeeren.
Ich sah den Flieder in Buckow, den Marktplatz von Brügge
Die Grachten in Amsterdam, die Hallen von Paris.
Ich genoß die Freundlichkeiten der lieblichen A. T.
Ich las die Briefe des Voltaire und Maos Aufsatz über den Widerspruch.
Ich machte den Kreidekreis am Schiffbauerdamm.
Der auffälligste Zug dieses autobiographischen Arrangements ist seine innere Ausgeglichenheit und Balance: Noch immer geht es um Genüsse, aber um dosierte Genüsse – und zunächst einmal um Gemüse: um „meinen Teil von den neuen Kartoffeln“ usw. (Das mag immerhin auch ein – vielleicht etwas großzügiges? – Lob der opulenten Versorgungslage im Sozialismus sein: Spargel, Erdbeeren, dergleichen war vielleicht nicht immer für alle zu bekommen.) Die Liebe ist noch immer unabdingbar, und nicht nur die zu Helene Weigel, aber doch erscheint sie wohltemperiert und nun auch nicht mehr auftrumpfend, sondern zurückhaltend und diskret in der dankbaren Erinnerung an die „Freundlichkeiten der lieblichen A. T.“, wohl einer jungen Regieassistentin am Berliner Ensemble. Auch sonst durchgängig weise Balance: dem (stärker rezeptiven) Verkehr mit verwandten Geistern von Voltaire bis Mao Tse Tung steht als produktiver Part die eigene Theaterarbeit am Schiffbauerdamm gegenüber, den europäischen Sehenswürdigkeiten von Brügge, Amsterdam, Paris die provinzielle Beschaulichkeit von Buckow, der Kunst in Gestalt von Literatur und Theater die Natur, vertreten durch Flieder, Kartoffeln, Obst und Gemüse; moderater Genuß hält sich die Waage mit „genug Arbeit“, die nicht als Last oder Entfremdung empfunden wird.
Und daß „schwere Krankheit“, „schwere Feindschaft“ fehlen, heißt wohl auch, daß das, was in geringerer Dosierung davon vorhanden sein mag, eben dazugehört und daß sich damit leben läßt. Insgesamt eine ruhige, besonnene, überlegen austarierte Bilanz: die inszenierte Altersweisheit mit einem kräftigen Hang zur marxistischen Idyllik.
Das Gedicht „Schwierige Zeiten“97 von 1955 ist hierorts sehr bekannt; es steht auch der Veranstaltungsbroschüre zum Augsburger Brechtjahr als Motto voran:
SCHWIERIGE ZEITEN
Stehend an meinem Schreibpult
Sehe ich durchs Fenster im Garten den Holderstrauch
Und erkenne darin etwas Rotes und etwas Schwarzes
Und erinnere mich plötzlich des Holders
Meiner Kindheit in Augsburg.
Mehrere Minuten erwäge ich
Ganz ernsthaft, ob ich zum Tisch gehn soll
Meine Brille holen, um wieder
Die schwarzen Beeren an den roten Zweiglein zu sehen.
Das ist ein Portrait of the Artist as an Old Man – und zugleich eine recherche du temps perdu, eine Suche nach der verlorenen Zeit. In der Plötzlichkeit einer einzelnen, für sich scheinbar belanglosen und überdies (wegen fehlender Brille) auch noch unscharfen Naturwahrnehmung schießen, fast wie in einer Epiphanie, lange verschüttete Kindheitserinnerungen auf: Jugend und Alter, Augsburg und Berlin, Ost und West begegnen sich darin, es ergibt sich der Eindruck eines biographischen Kreises, der sich da vielleicht schließt, einer harmonischen Synthesis des eigenen, an Wirrungen reichen Lebens. Freilich ist da gegenüber den Momenten des plötzlichen Erinnerns, der Nostalgie und vielleicht auch des spontanen Überwältigtwerdens zugleich ein Zug von Kontrolle, Vorsicht, Bedenklichkeit: Ob der Verlockung des privaten Erinnerns angesichts der wichtigen Geschäfte am Schreibpult nachgegeben werden darf, ist ein Problem, „mehrere Minuten ernsthaft erwogen“ – und sowenig wir mit Bestimmtheit erfahren, worin genau denn eigentlich dieses Zögern seinen Grund hat, so wenig erfahren wir auch, was das Resultat dieses Nachdenkens ist, ob die Brille am Ende wirklich geholt wurde und ob der elegische Impuls sich erfüllen durfte. Aber gerade in diesem Offenlassen der Entscheidung, in dieser Diskretion liegt die Meisterschaft des Gedichts: Es proklamiert keine Lösung, sondern zeichnet behutsam das Bild einer kontemplativen Verlockung, einer versöhnlichen, sehr privaten Anwandlung in Richtung auf die Abrundung der eigenen Biographie, auf die Einheit eines Ich und seiner memoria – mitsamt den möglichen Widerständen dagegen. Das Zögern vor dem Holunder hat nichts mehr mit dem strengen Verdikt zu tun, das einst aus prinzipiellen Erwägungen über das „Gespräch über Bäume“ verhängt werden mußte. Wo überhaupt noch eine Spannung empfunden wird, erscheint sie in milder Altersbeleuchtung: keine „finsteren Zeiten“ mehr, in denen die Betrachtung eines Holunderstrauchs „fast ein Verbrechen“ wäre. Nur noch „schwierige Zeiten“, wie das Gedicht im Titel sagt, und selbst das in nicht ganz eindeutigem Bezug und vielleicht mit einem Anflug von Selbstironie und Verwunderung gegenüber dem allzu Komplizierten im eigenen Wesen.
Ich schließe mit einem Gedicht, das selbst ein Abschiedsgedicht ist: Der kurze Text entstand im Mai 1956, wenige Wochen vor Brechts Tod, im Zusammenhang eines durch Grippe und Erschöpfung bedingten Klinikaufenthalts. Und obwohl das Gedicht einsetzt mit dem Bild eines Aufwachens im Krankenzimmer der Berliner Charité – offenbar ist eine vorausgehende Bewußtlosigkeit anzunehmen –, obwohl das Gedicht mit einem durch frühmorgendlichen Amselgesang verursachten Aufwachen einsetzt, spricht es doch ruhig und in glaubhafter Gelassenheit von der Möglichkeit eines baldigen Nicht-mehr-Aufwachens: Es antizipiert, im Ton eines prinzipiellen Einverständnisses mit der eigenen Endlichkeit, den bevorstehenden Tod (der auch wirklich nicht mehr lange auf sich warten läßt). Das Gedicht98 trägt keinen Titel; man zitiert es üblicherweise nach seiner Eingangszeile:
ALS ICH IN WEISSEM KRANKENZIMMER DER CHARITÉ
Aufwachte gegen Morgen zu
Und eine Amsel hörte, wußte ich
Es besser. Schon seit geraumer Zeit
Hatte ich keine Todesfurcht mehr. Da ja nichts
Mir je fehlen kann, vorausgesetzt
Ich selber fehle. Jetzt
Gelang es mir, mich zu freuen
Alles Amselgesanges nach mir auch.
Brechts letztes lyrisches Selbstbildnis, ein geschlossenes kleines Medaillon aus sparsamen Elementen und in vollendetem Gleichgewicht von Bildlichkeit und Reflexion:99 das weiße Krankenzimmer und das Schwarz der Amsel, die ein Todesbote ist, aber auch ein Lebenszeichen: ein Zeichen für das auch nach dem eigenen Ende fortdauernde Leben der Natur.
Ganz sentenziös, unverkennbar auf die berühmte Argumentation des Lukrez100 zurückgreifend die Beschwichtigung der eigenen Todesfurcht101 aus dem einfachen Gedanken, daß „ja nichts / Mir je fehlen kann, vorausgesetzt / Ich selber fehle“. Diese Zeile hat eine berühmte Vorgängerin in der deutschen Literatur, mehr als dreihundert Jahre früher im Abschiedssonett, im selbstgeschriebenen Epitaph des noch nicht 30jährigen Barockdichters Paul Fleming.102
HERRN PAULI FLEMINGI DER MED. DOCT. GRABSCHRIFFT /
SO ER IHM SELBST GEMACHT IN HAMBURG / DEN XXIIX. TAG
DESS MERTZENS M. DC. XL. AUFF SEINEM TODTBETTE
DREY TAGE VOR SEINEM SEEL. ABSTERBEN.
ICh war an Kunst / und Gut / und Stande groß vnd reich.
Deß Glückes lieber Sohn. Von Eltern guter Ehren.
Frey; Meine. Kunte mich aus meinen Mitteln nehren.
Mein Schall floh überweit. Kein Landsmann sang mir gleich.
Von reisen hochgepreist; für keiner Mühe bleich.
Jung / wachsam / unbesorgt. Man wird mich nennen hören.
Biß daß die letzte Glut diß alles wird verstören.
Diß / Deütsche Klarien / diß gantze danck’ ich Euch.
Verzeiht mir / bin ichs werth / Gott / Vater / Liebste / Freunde.
Ich sag’ Euch gute Nacht / und trette willig ab.
Sonst alles ist gethan / biß an das schwanze Grab.
Was frey dem Tode steht / Das thu er seinem Feinde.
Was bin ich viel besorgt / den Othem auffzugeben?
An mir ist minder nichts / das lebet / als mein Leben.
Derselbe Gestus von Ataraxie und Unbesorgtheit bei Fleming103 wie bei Brecht:
„Was bin ich viel besorgt / den Othem auffzugeben? / An mir ist minder nichts / das lebet / als mein Leben“ und: „Schon seit geraumer Zeit / Hatte ich keine Todesfurcht mehr. Da ja nichts / Mir je fehlen kann, vorausgesetzt / Ich selber fehle“ – ein ganz verwandter Gestus des Einverständnisses und eines „ich trette willig ab“.
Was aber an diesem letzten Selbstbildnis Brechts noch zudem beeindruckt (und das im Gegensatz auch zu Flemings Vertrauen auf die durch die dichterische Leistung erworbene Garantie des eigenen Nachruhms), ist die Bescheidenheit, die Privatheit, die leise Zurückgenommenheit seines Gestus. Das Sprechen von einer Zeit jenseits des eigenen Todes, einer Zeit „nach mir“ oder „nach uns“ war Brecht ja seit dem Frühwerk geläufig, es ist auch uns im Laufe dieses Vortrags in mehreren Varianten begegnet: Da war die ,Nach-mir-die-Sündflut‘-Pose des ,armen B. B.‘ von 1922, die Überzeugung von den bevorstehenden Erdbeben der Zivilisation und von der Vorrangigkeit des eigenen Zigarrengenusses – es sollte und würde ohnehin nichts Besseres nachkommen:
Und nach uns wird kommen: nichts Nennenswertes.
Schon 1933, im Grabstein-Gedicht, der Wunsch, von künftigen Zeiten anerkannt zu werden in den eigenen Verdiensten, scheinbar bescheiden, aber doch zugleich recht anmaßend in der Asymmetrie einer Rollenverteilung, die den Nachgeborenen nach vielen anderen Vorschlägen, die sie zu ihrem Glück angenommen hatten, nun auch noch mit einem letzten, gleichsam dem ultimativen Vorschlag kam: mit dem Vorschlag, nein buchstäblich dem Diktat der Inschrift, die sie auf den Grabstein zu setzen hätten und mittels derer sie sich wunschgemäß an den Diktierenden (oder Diktator?) erinnern sollten: Das war durchaus die große Gebärde eines exegi monumentum, gepocht wurde auf dauerhaftes Verdienst. Ähnlich das Testament in „An die Nachgeborenen“: Hier unterstellte der Svendborger Exilant, es gebe eine Zukunft „nach uns“, eine weltgeschichtliche Ära der Freundlichkeit, in der der Mensch dem Menschen ein Helfer sein würde. Es kam jetzt das wahrhaft Nennenswerte, nur kam es erst „nach uns“, nach den Kämpfern, die den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit, aber selbst nicht freundlich sein konnten. Dieses Nennenswerte ereignete sich im Diesseits, gewiß, aber doch in einem utopischen Jenseits der eigenen Lebensdauer. Über die Diskrepanz von vergänglicher individueller Zeit auf der einen und von geschichtlicher Zeit auf der anderen Seite gab es keine Brücke als die der Mnemosyne, der Aufhebung der verdienstvollen Vorläufer im dankbaren Gedächtnis der Nachgeborenen.
Von all diesen großen Dingen, von weltgeschichtlichen Dimensionen, künftigen Gesellschaften, einer utopischen Teleologie des Geschichtsverlaufs ist in Brechts Abschiedsporträt nicht mehr die Rede. Und ihm fehlt ganz der frühere Tonfall der Einforderung, des auch postumen Dabeiseinwollens, des Pochens auf den kraft Verdienst erworbenen Stammplatz in der kollektiven Memoria zukünftiger Generationen. Statt dessen hier, vielleicht nicht erstmals, aber doch glaubwürdiger als in den meisten Fällen zuvor, ein Gestus der Bescheidenheit, der Selbstüberwindung, gleichsam des Heraustretens aus der eigenen bedeutenden Individualität und aus dem großen Namen B. B., der in diesem Gedicht bezeichnenderweise nicht mehr fällt. An die Stelle der großen historischen Projekte und Visionen, die das eigene symbolische Weiterleben garantieren sollten, an die Stelle dieser grandiosen geschichtseschatologischen Fortschrittsprojekte ist die Zuwendung zu einem einfachen, einzelnen Naturlaut getreten, das Einverständnis mit dem großen Kreislauf und der Stetigkeit der Natur, der Tribut gegenüber der alle Menschen und Zeiten gleichermaßen umschließenden Kontinuität der Natur. Im Frieden und im Trost des Amselgesangs und in der Fähigkeit zur Freude an der Schönheit „alles Amselgesanges nach mir auch“ gewinnt das Gedicht eine neue Art von anthropologisch begründeter Solidarität, einer Solidarität aller Menschen als vergänglicher Naturwesen, ja vielleicht sogar einer Solidarität aller Lebewesen in der great chain of being.
Werner Frick
„Wir wissen, daß wir Vorläufige sind und nach uns wird kommen: nichts Nennenswertes“ – das schrieb Brecht in einem seiner lyrischen Selbstporträts, in dem Gedicht „Vom armen B. B.“; es war 1922 entstanden und wurde später das letzte Gedicht der Hauspostille. Es ist vielleicht das eindringlichste lyrische Selbstbildnis, das Brecht je gemalt hat, in jedem Fall ein Schlüsselgedicht zum Verständnis seiner Lyrik. Als Vorläufiger hat sich Brecht sicherlich immer verstanden, selbst als er längst zum modernen Klassiker geworden war. Der Skeptiker hielt es auch sonst nicht mit dem Dauerhaften; von den Städten, meinte er, werde bleiben, was durch sie hindurchgehe, nämlich der Wind. Die Verse sollten wenige Jahre später grausige Wirklichkeit werden. Auch von Brechts eigenen Werken wird nicht alles bleiben. Aber wenn etwas überdauern wird, dann ist es seine Lyrik – es gibt, was seine Gedichte angeht, kaum Vergleichbares in diesem Jahrhundert. Kaum ein Dichter hat so sensibel wie er auf seine Gegenwart und deren oft fragwürdige Errungenschaften reagiert, keinem anderen Lyriker verdankt die Dichtung mehr an Innovationsschüben, nirgendwo ist der Widerspruch zu dem ihn umgebenden Leben so produktiv geworden wie bei ihm. „Aus den schwarzen Wäldern in meiner Mutter“ kommend, hat es ihn in die Asphaltstädte verschlagen, und dort ist er fortan daheim. Dort beschreibt er die Animalität des modernen Daseins, dort wird er zum genialischen Bürgerschreck, dort sieht er das Plakative des Lebens und reflektiert es in seiner Lyrik, und dort erfährt er eben auch die Vorläufigkeit der so selbstsicheren Moderne. In den Städten erlebt er „schwierige Zeiten“, und dort mag er erkannt haben, daß er, wie es in einem Gedicht 1926 heißt, das fünfte Rad ist, daß seine Hoffnung von ihm geht, und zu seiner Erfahrung der Moderne gehört auch jener Satz in dem Gedicht „An Chronos“:
Wir wissen nicht, was kommt, und haben nichts Besseres.
Aber er war alles andere als ein Fatalist, entschlossen, seine Virginia nicht ausgehen zu lassen durch Bitterkeit selbst bei den Erdbeben, die kommen würden. Niemand hat besser, hat richtiger über seine Welt geschrieben als Brecht, wenn er von sich selbst sprach; seine Dichterporträts sind immer auch Spiegel der Zeit. Aber wo er von dieser Zeit schrieb, schrieb er zugleich über sich, da er nur so den Standpunkt eines Jenseits gewinnen konnte, von dem her die Zeit zu kritisieren (und nur selten zu loben) war.
Vielleicht waren es diese korrelativen Erfahrungen und deren Auskristallisation in seinen Gedichten, die seine Einzigartigkeit ausmachen. Bei keinem Lyriker des 20. Jahrhunderts gibt es eine größere Vielfalt an Themen, Perspektiven, Anspielungen, Formen, bei keinem gibt es mehr Artistik, bei keinem auch mehr (gewollte) Trivialität und Obszönität. Er hat einige der schönsten Liebesgedichte unseres Jahrhunderts geschrieben und ebenfalls einiges an Derbheiten aufs Papier gebracht, das kaum zu überbieten ist. Er hat wie kein anderer Lyriker des Jahrhunderts die Möglichkeiten neuer Techniken, neuer Medien erkannt und zu nutzen versucht. Aber er war wie kein anderer der lyrischen Tradition verhaftet, hat wie kaum jemand sonst antike Literatur gekannt, hat sie integriert, travestiert, umformuliert und so praktiziert, was er einmal in den Satz brachte:
Man muß vom Alten lernen, Neues zu machen.
Seine frühen in Augsburg entstandenen Gedichte sind Vorwegnahmen nahezu seines ganzen späteren lyrischen (und vielfach auch dramatischen) Werkes – aber bei ihm verwirklicht sich zugleich das, was man „memoire collective“ der Literatur genannt hat. Europäische und außereuropäische Dichtungstraditionen treffen sich in ihm, aber gewisse schwäbische Mundartlichkeiten ist er dennoch nie losgeworden (und wollte es wohl auch gar nicht). Eindringlich wie kaum jemand anders hat er Haltungen in Bilder und Gesten übertragen und seine Lehren, die allesamt unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit standen, in Gleichnisse gebracht, symbolisch veranschaulicht – was immer an Bildern begegnet, will dechiffriert werden. Aber dann gibt es auch Bilder, die für sich sprechen und sich aller Deutung entziehen: so das Bild der Kraniche in „Die Liebenden“.
Wer war dieser Lyriker? „Ein sanftes Indianergesicht: das bin ich“, so hat er sich schon früh porträtiert, gelegentlich auch einmal als „ein Neger im weißen Hemd“. Da ist das Imperatorische seiner Haltungen, seiner Kommentare, in seinem Verhältnis zu den Menschen, aber da ist auch seine Sensibilität, wenn es darum ging, sich in fremde Denkweisen, fremde Gefühle hineinzuversetzen. Er hat einen imaginären Dialog mit der Weltliteratur geführt – und sprach doch nur zu oft mit sich über sich selbst. Weil er sich eigentlich immer im Exil wußte, hatte er das wirkliche Exil nicht als eigentlich existentielle Bedrohung empfunden – und hat doch über das Exil in seinen Gedichten eindringlicher geschrieben als die meisten der mit ihm Vertriebenen. Er liebte seine Häuser – in Utting am Ammersee, in Buckow, das dänische Strohdach. Aber dem Radwechsel hat er immer ungeduldig zugesehen. „Ich bin überflüssig hinter meinen Gardinen“, schrieb er in dem Gedicht „Der Beleidigte“. Aber diesen Satz hat er selbst Jahrzehnte hindurch nachhaltig widerlegt und wollte im übrigen, daß die Vorschläge, die er machte, auch angenommen würden. Zur Spannweite seiner Lyrik gehören Widersprüche, und diskutierte man sie hinweg, so wäre das wohl das Schlimmste, was man seinem Werk antun könnte. Der vorliegende Band will auch sie sichtbar machen – vor allem aber die Dimensionen seines lyrischen Werkes.
*
Die folgenden Aufsätze wurden als Vorträge an der Universität Augsburg im Sommersemester 1998 gehalten; sie gelten mit Ausnahme des letzten Artikels der Lyrik Brechts. Brechts literarische Selbstporträts werden gewürdigt, Brechts Verhältnis zu Rundfunk, Film und Roman der 20er Jahre, wie es sich im Lesebuch für Städtebewohner spiegelt, Brechts Verhältnis zur Weltliteratur. Zum Themenbereich gehörten auch selten oder bislang zu wenig behandelte Gebiete wie Brechts Kriegsfibel und seine späte Lyrik. Brechts Verhältnis zur Antike, oft nur oberflächlich berührt, wird hier ausführlich analysiert, schließlich auch Brechts Verhältnis zu den Briten – zur Lyrik und zum englischen Theater, wie es sich vor allem in der Dreigroschenoper spiegelt: nicht nur in der dramatischen Konstruktion, sondern auch in den Songs. In einigen Beiträgen wurde die Vortragsform bewußt beibehalten.
Helmut Koopmann, Januar 1999, Vorwort
– Vorwort
– Werner Frick: „Ich, Bertolt Brecht…“. Stationen einer poetischen Selbstinszenierung
– Hans Vilmar Geppert: „Wenn ich mit Dir rede kalt und allgemein“? Bert Brechts Lesebuch für Städtebewohner im Kontext von Rundfunk, Film und Roman der 20er Jahre
– Werner Frick: „… er hörte von dort Streit und Gelächter“: Der Lyriker Bertolt Brecht im ,Club der toten Dichter‘
– Theo Stammen: Brechts Kriegsfibel. Politische Emblematik und zeitgeschichtliche Aussage
– Helmut Koopmann: Brechts späte Lyrik
– Marion Lausberg: Brechts Lyrik und die Antike
– Walter Pache: Brecht und die Briten. Von der Beggar’s Opera zur Dreigroschenoper
– Die Autoren
kennt eine größere Vielfalt an Themen, Perspektiven und Formen, bei keinem gibt es mehr Artistik, bei keinem auch mehr (gewollte) Trivialität und Obszönität. Er hat einige der schönsten Liebesgedichte unseres Jahrhunderts geschrieben und ebenfalls einiges an Derbheiten aufs Papier gebracht, das kaum zu überbieten ist. Er hat wie kein anderer Lyriker unseres Jahrhunderts die Möglichkeiten neuer Techniken, neuer Medien erkannt und zu nutzen versucht. Aber er war wie kein anderer der lyrischen Tradition verhaftet, hat wie kaum jemand sonst antike Literatur gekannt.
Dieser Band will die Dimensionen seines lyrischen Werkes sichtbar machen: in neuen Deutungen, die das Imperatorische seiner Haltungen und seiner Kommentare ebenso sichtbar machen wollen wie seine Sensibilität, den imaginären Dialog, den er mit der Weltliteratur führte und seine Selbstportraits.
Königshausen & Neumann, Klappentext, 1999
Erfahrungen mit Brecht. Therese Hörnigk im Gespräch mit Friedrich Dieckmann
Brecht – Die Kunst zu leben. Ein Fernsehporträt von Joachim Lang aus dem Jahre 2006
Hans Mayer: Gelegenheitsdichtung des jungen Brecht
Ernst Fischer: „Das Einfache, das schwer zu machen ist“
Günter Berg / Wolfgang Jeske: Bertolt Brecht. Der Lyriker
Albrecht Fabri: Notiz über Bertolt Brecht, Merkur, Heft 33, November 1950
Walter Jens: Protokoll über Brecht. Ein Nekrolog, Merkur, Heft 104, Oktober 1956
Günther Anders: Brecht-Porträt. Tagebuch-Aufzeichnungen Santa Monica 1942/43, Merkur Heft 115, September 1957
Martin Esslin: Bert Brecht Vernunft gegen Instinkt, Merkur, Heft 163, September 1961
Robert Minder: Die wiedergefundene Großmutter. Bert Brechts schwäbische Herkunft, Merkur, Heft 217, April 1966
Hannah Arendt: Quod Licet Jovi… Reflexionen über den Dichter Bertolt Brecht und sein Verhältnis zur Politik (I), Merkur, Heft 254, Juni 1969
Hannah Arendt: Quod Licet Jovi… Reflexionen über den Dichter Bertolt Brecht und sein Verhältnis zur Politik (II), Merkur, Heft 255, Juli 1969
Sidney Hook, Hannah Arendt: Was dachte Brecht von Stalin. Nochmals zu Hannah Arendts Brecht-Aufsatz, Merkur, Heft 259, November 1969
Wilhelm Girnus: Nationalbewusstsein in Brechts Lyrik, Sinn und Form, Heft 5, 1964
Iring Fetscher: Brecht und der Kommunismus, Merkur, Heft 304, September 1973
Günter Berg und Wolfgang Jeske: Der Lyriker
Bernd-Peter Lange: Walter Benjamin und Bertolt Brecht am Schachbrett, Merkur, Heft 791, April 2015
Forschungsliteratur zur Lyrik Bertolt Brechts. Stand 1.7.2015
Bertolt Brecht und weitere Sprecher: Lesungen und O-Töne 1928–1956 in Washington und Berlin. Sammlung Suhrkamp Verlag: Tonkassette 116
Hans Magnus Enzensberger: Überlebenskünstler Bertolt Brecht
Wolfgang Greisenegger: Von Wahrheit und Widerspruch
Die Furche, 12.2.1998
Nils Schniederjann: Das umkämpfte Erbe des kommunistischen Dramatikers
Deutschlandfunk Kultur, 10.2.2023
Karin Beck-Loibl: Genie und Polyamorie
zdf.de, 10.2.2023
Hubert Spiegel: Briefmarke zum 125. Geburtstag
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.2.2023
Christopher Beschnitt im Gespräch mit Jürgen Hillesheim: „Über die Political Correctness würde Brecht die Nase rümpfen“
Cicero, 10.2.2023
Ronald Pohl: Mit Bertolt Brecht die Kunst des Zweifelns erlernen
Der Standart, 10.2.2023
Theater und mehr: Zum 125. Geburtstag von Bertolt Brecht
ardmediathek.de
Jan Kuhlbrodt: Eine Intervention
signaturen-magazin.de
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