Lieber Horaz,
ich habe mir ein Schiff
gebaut aus deinen Versen,
weinrebenumrankt,
mein Atem füllt die Segel
und die Tage sind die
Wellen.
Ich werde nicht klug aus dir,
aber glücklicher.
Wenn ich mir Herbert Heckmann vorzustellen versuche, taucht er so vor mir auf, wie er mir vor fast 50 Jahren begegnet ist, ein imponierend rundlicher, heiter vitaler Mann um die Dreißig, der dem schüchternen Studienanfänger schon durch die Art, wie er am Pult stand und redete, Zutrauen zur Geisteswelt einzuflößen verstand. Heckmann war, als ich ihn 1959 kennenlernte, Wissenschaftlicher Assistent am Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg, ein prägender Lehrer und der erste wirkliche Intellektuelle, dem ich nähertrat.
Zu seinen frühen literarischen Taten zählen neben poetologischen Aufsätzen parabelhafte Erzählungen, gesammelt in den Bänden Das Portrait (1958) und Schwarze Geschichten (1964). Doch im Zentrum der produktiven Heidelberger Jahre steht der umfangreiche, im Jean Paul’schen Sinn „humoristische“ Roman Benjamin und seine Väter, der 1962 bei S. Fischer erschien und für den Heckmann 1963 den Bremer Literaturpreis erhielt. Die ihn bewundernden Heidelberger Germanistik-Studenten sahen in ihm einen zweiten Günter Grass und erwarteten Großes von ihm.
1964 ließ er Heidelberg hinter sich. Er übernahm eine Gastdozentur in den USA und war anschließend als Freier Mitarbeiter beim Hessischen Rundfunk tätig, bis er eine Professur an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach erhielt. Von 1963 bis 1979 war er Mitherausgeber der Neuen Rundschau, von 1984 bis 1996 Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Er schrieb nun Kinderbücher und Essays, Reden und Laudationes, Rezensionen und Nachrufe und hatte – Neues fördernd und Altes ehrend – Einfluß im Literaturbetrieb. 1994 erschien sein letzter großer epischer Text: Die Trauer meines Großvaters. 1999 starb Heckmann 69jährig in seiner Geburtsstadt Frankfurt am Main an den Folgen eines Schlaganfalls. Schon bald nach seinem Tod war sein Werk so gut wie vergessen; seine Bücher waren und sind im Handel nicht mehr erhältlich. Gegen solche Mißachtung mit meinen schmalen Möglichkeiten anzukämpfen und mit einer Publikation aus dem Nachlaß an meinen alten Lehrer zu erinnern, war schon länger mein Ziel. Schließlich erhielt ich von Dirk Baldes, der die erste und bislang einzige Monographie über Heckmanns Werk geschrieben hat (Ein humoristischer Melancholiker, Röhrig Universitätsverlag, St. Ingbert 2006), ein umfangreiches Typoskript. Es umfaßt auf rund 90 unpaginierten Seiten annähernd 250 Gedichte und Aphorismen, die zwischen Januar und April 1986 abgetippt und von Heckmann mit handschriftlichen Korrekturen und Datierungen versehen wurden. Die Texte selbst dürften teilweise wesentlich älter sein und sich über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte angesammelt haben. Zu diesem Konvolut zählten auch jene 13 Gedichte, die Heckmanns einzige selbständige Lyrik-Publikation, das 1987 bei Ulrich Keicher erschienene Bändchen Das Feuer ist ein Akrobat, füllten.
Die im vorliegenden Band präsentierten Gedichte sind dem oben beschriebenen Typoskript entnommen. Es handelt sich um Erinnerungen, Natur- und Landschaftseindrücke, alltägliche Beobachtungen, auch um Poetologisches – melancholische Reflexionen über Innen- und Außenwelt in freier, oft prosanaher Versform. Eine Tendenz zum Aphoristischen, zu sentenzenhaften Pointen, ist unübersehbar. Ich habe bevorzugt „existentiell“ gesummte Gedichte ausgewählt, solche, die von nächtlicher Todesfurcht und Einsamkeit am Fenster berichten und in denen dunkle romantische Motive wie Schatten und Spiegel, Krähen und Amseln wiederkehren, während ich die ironisch-satirischen Texte (etwa gegen die Literaten und den Literaturbetrieb) nur am Rand berücksichtigt habe.
Mit diesen Versen aus dem Nachlaß erscheint Herbert Heckmann, fern jeder Bonhomie und Festrednerei, wieder vor uns als ein gelehrter Dichter der Moderne, der an sich und der Welt gezweifelt und letztlich nur dem Wort, der poetischen Sprache vertraut hat.
Michael Buselmeier, Nachwort
Bereits in den 1950er Jahren war Herbert Heckmann (1930–1999) ein vielversprechender Essayist, Lyriker und Prosaautor. Mit einer Sammlung von Texten aus dem Nachlaß will das Künstlerhaus Edenkoben an ihn erinnern.
Für seinen Roman Benjamin und seine Väter erhielt Herbert Heckmann 1963 den Bremer Literaturpreis. 1994 erschien sein letzter großer epischer Text „Die Trauer meines Großvaters“. Schon bald nach seinem Tod 1999 war sein Werk vergriffen, eine Lücke, die sich mit diesem Band schließt. Die hier enthaltenen Texte stammen aus einem umfangreichen Typoskript mit annähernd 250 Gedichten und Aphorismen, die 1986 vom Autor zusammengestellt wurden, zum Teil jedoch wesentlich älter sein dürften. Es handelt sich um Erinnerungen, Natureindrücke, auch um Poetologisches – melancholische Reflexionen über Todesfurcht und Einsamkeit in freier, oft prosa-naher Versform. Mit diesen aus dem Nachlaß ausgewählten Gedichten erscheint Herbert Heckmann wieder vor uns als ein Dichter der Moderne, der an sich und der Welt gezweifelt hat und letztlich nur der poetischen Sprache vertraute.
Verlag Das Wunderhorn, Ankündigung
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