IN MEMORIAM DONALD BARTHELME
Sommerregen. Schwarzer Abend. An den Rand
einer Todesmeldung gekritzelt die verfügbaren Daten,
die das Interview in Gang setzen, die Erinnerung
an entrückte Begegnungen, von denen
wir uns mehr Zukunft versprochen hatten.
Der neue New Yorker bleibt offen liegen.
Was heißt Zukunft, wenn sich das letzte Gespräch
per Bandschleife endlos wiederholen läßt und
ein Nachruf zehn Jahre liegt im Archiv.
Trockener Sommer. Der Abend ist hell.
Eine Reise ist vorzubereiten. Man muß
durch eine Nebelfront, deren Weiß so weiß
wie chinesische Trauer ist. Bitte keine Zitate.
Thema vom Tisch. Die Gerstenfelder sind leer,
und man liest, kompliziert sind die Städte.
Aus dem literarischen Fluxus kommend, ging er konsequent seinen Weg, der ihn über konkrete Dichtung, Hörspiel, Fotografie hin zu einer Neuorientierung, „Entflechtung“ seiner künstlerischen Ausdrucksweise in einer ganz eigenen Lyrik und Prosa der Erinnerung führte, ohne seine experimentellen Anfänge zu vergessen oder jeweiligen Moden zu folgen. Die Auswahl aus seinem mehr als 60jährigen Schaffen, von frühen experimentellen Texten bis zu seinem Spätwerk, soll den Lesern Wieder- und Neuentdeckungen im Werk des Büchner-Preisträgers ermöglichen.
Ankündigung in Thomas Luthardt: Poesiealbum 378, MärkischerVerlag Wilhelmshorst, 2023
Ein gelungenes Experiment, so scheint mir, ist keins mehr, und Beckers Experiment ist gelungen, das Ergebnis so fertig, daß sich für Becker… eine neue Problematik ergeben kann, die ihm, wenn er ihr nicht ausweicht, beweisen wird, was er gewiß nicht nur weiß, sondern voraussetzt: daß es fertige Autorschaft nicht gibt, und schon gar nicht Fertigkeit.
Heinrich Böll
Es ist zu lernen aus den Büchern Jürgen Beckers – aber keine Angst vor diesem Lernen: denn der Schreiber, der Autor ist selbst dabei ein unentwegt Lernender. So ist statt „Lernen“ vielleicht eher das Wort „Einsicht“ am Platz, und zu solchem Hauptwort gehört in der Tat einmal das Zeitwort ,gewinnen‘, wie überhaupt das Lesen seiner Bücher… ein Zeitgewinn ist – Lesen als Zeit gewinnen: Zeichen der Literatur.
Peter Handke
Was wir aus Beckers Werk kennen, das Klangkino der Sprache, die akustische Landschaft,… Stille und Sprechen,… Stimmen aus der Ferne… all das war, ehe es durch die Avantgarde der fünfziger und sechziger Jahre eine Bestätigung fand, bereits den Erlebnissen des Kindes inskribiert, es war, bevor es Einzug hielt in Jürgen Beckers Schreiben, zu einer sein Bewußtsein prägenden Selbsterfahrung geworden.
Sebastian Kleinschmidt
Im Grunde genommen ist Jürgen Becker für mich immer der Moderator eines, nämlich seines eigenen Piratensenders gewesen. Wüßte ich ohne Menschen, ohne Künstler wie ihn, daß sich der Horizont jenseits einer von Arno Breker gemeißelten Herrenzehe nahezu unendlich erstreckt?
Marcel Beyer
Beckers Schreibweise zeigt, wie wir selbst in der Geschichte stehen, bevor sie in die späteren, reflektierten Formen gegossen ist… der Schmerz über Verluste, die Bitterkeit, auch Freude – all das taucht scheinbar beiläufig, absichtslos und unvermittelt in den Gedichten auf… Es sind die normalen und konkreten Dinge, an denen die Geschichte für einen Moment lesbar wird, in einer augenblicklich treffgenauen, nicht wiederholbaren Konstellation von Vergangenheit und Gegenwart.
Lutz Seiler
MärkischerVerlag Wilhelmshorst, Klappentext, 2023
Beckers Lyrik ist dem konkreten Ort verhaftet, ohne je heimattümlich zu wirken. Die Kölner Bucht, wo er lebt und das mitteldeutsche Tiefland, wo er aufwuchs, bilden aus Feldern, Rändern und Umgebungen in seinem Schaffen eine wiedervereinigte Landschaft, die auch New York, England und die belgische Küste einschließen. Sie sind ihm Brennglas für die Betrachtung der Welt, in der das Alltägliche mit dem Universum verschmilzt, die Gegenwart mit den Bildern und Schatten der Vergangenheit überblendet und dadurch einen neuen Blick auf Erlebnisse und Erfahrungen jedes einzelnen ermöglicht.
MärkischerVerlag Wilhelmshorst, Klappentext, 2023
Heinrich Vormweg: Ein Poet in seinen Umgebungen
NRW literarisch, Heft 5, 1992
Walter Hinck: Vielleicht das letzte Glänzen: Sinfonien, Radiostimmen
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.7.1992
Sabine Küchler: Die Entdeckung des „multiplen“ Ich
Der Tagesspiegel, 10.7.1992
Wolfgang Schirmacher: Geräusche, Gerüche und Signale
Rheinische Post, 8.7.1997
Armin Ayren: Die Wirklichkeit als Sprache
Stuttgarter Zeitung, 10.7.2002
Nico Bleutge: Erinnerungsreise
Süddeutsche Zeitung, 10.7.2002
Hannes Hintermeier: Der Landschaftsmaler
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.7.2002
Beatrix Langner: Selbstporträts mit dem Rücken zum Betrachter
Neue Zürcher Zeitung, 10.7.2002
Jochen Schimmang: Ockerfarben in Deutschland
Frankfurter Rundschau, 10.7.2002
Cornelia Geissler: Mit dem Rücken sieht man schlecht
Frankfurter Rundschau, 10.7.2012
Norbert Hummelt: Leise landen die Abendmaschinen
Neue Zürcher Zeitung, 10.7.2012
Lothar Schröder: Autor Jürgen Becker wird 80
Rheinische Post, 10.7.2012
Gisela Schwarz: Jürgen Becker wird 80 Jahre alt
Kölner Stadt-Anzeiger, 10.7.2012
Frank Olbert: In diesen neuen alten Gegenden
Kölner Stadt-Anzeiger, 10.7.2017
Peter Mohr: Prosa als fehlender Rest
literaturkritik.de, Juli 2022
Martin Oehlen: Jürgen Becker – zwei Bücher zum 90. Geburtstag: „Fast täglich hört eine Epoche auf“
Frankfurter Rundschau, 7.7.2022
Jens Kirsten: „eine Landschaft aus Erinnerungen und Imaginationen“
Palmbaum, Heft 75, 2022
„eine Landschaft aus Erinnerungen und Imaginationen“ – Der Dichter Jürgen Becker im Gespräch mit Wolfgang Haak und Jens Kirsten
Radio Lotte, 5.7.2022
Nico Bleutge: Der riesige Rest
Süddeutsche Zeitung, 8.7.2022
Michael Hametner: Jürgen Becker: „Ich habe nicht viel Phantasie“
der Freitag, 9.7.2022
Hans-Dieter Schütt: Das siehst du nie wieder!
nd, 8.7.2022
Michael Braun: Der große Lyriker Jürgen Becker wird 90 Jahre alt
Die Rheinpfalz, 8.7.2022
Gregor Dotzauer: Die Schatten des früher Gesagten
Der Tagesspiegel, 9.7.2022
Joachim Dicks: Jürgen Becker zum 90. Geburtstag
NDR, 10.7.2022
Thomas Geiger: Zeitmitschriften in Lyrik und manchmal auch Prosa
Berliner Zeitung, 8.7.2022
Herbert Wiesner: Von Altlasten und künftigen Katastrophen
Die Welt, 10.7.2022
Jürgen Becker: „Da wagt einer, mich zu verreißen? Das muss ich aber genauer wissen.“
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