Schau ihn an, den alten Mann, blind wie unsere Gier,
Allein in der Kaschemme, vor sich Fleisch mit Soße.
Zeuge jeder großen Nation, die hoffnungsvoll aufstieg
Und sich selbst zur Beute fiel. Das ist Sklaverei.
Hat er das vor sich hin gesagt? War es vielleicht
Etwas anderes, dahingenuschelt? War es Liebling,
Ich vermisse dich? Schwerfällig erhebt er sich,
Greift nach seiner Krücke, ohne geht es nicht.
Schlurfend, einsam, fades Schwarzbier nuckelnd,
Parkbank-Alki. Irres Lachen spuckend.
Taschen leer. Kopf unten. Schal, Handschuhe, Parka.
All die anderen Idioten mit dem Hauch einer Ahnung vom
aaaaaJüngsten Gericht sitzen händeringend
in der Badewanne. Nachts sind sie so verklemmt, dass sie
aaaaanicht tanzen können, bevor sie halb besoffen sind.
Keine verdammte Ausstrahlung, denen geht es nur darum,
aaaaaMärtyrer zu werden.
Er spuckt der aufziehenden Dunkelheit braunen Schleim
aaaaaentgegen.
Vornehmes verlacht er,
Verkommenes versteht er.
Kuchen zum Frühstück.
Er kann tun, was er will.
Wenn das die letzten Tage sind,
Dann sind sie auch nicht hektischer
Als all die anderen
Letzten Tage und Nächte.
Hohle Phrasen überall. Fortschritt. Freiheit.
Er pult in den Zähnen mit einer dreckigen Nadel
Und wippt mit den Füßen zu den neuesten Jingles.
Keine Zeit, um Singles zu daten.
Viel zu beschäftigt mit der Suche nach einfachen Worten.
Dieser alte Stamm ist nix Besonderes.
Mein Leben lang sah ich die Menschen wüten
Und Land rauben, um ihre Fahnen zu hissen.
Er verwahrt seine Augen in einer Plastiktüte.
Er verwahrt seine Augen in einer Plastiktüte.
Kate Tempest’s Poetry-Performance von Hold Your Own im Royal Court Theatre, London am 28.7.2015
sie ist praktisch Science-Fiction“, schreibt der Guardian über die 30-jährige Rapperin und Schriftstellerin Kate Tempest. Zu ihren Einflüssen zählen James Joyce und Wu-Tang Clan, Public Enemy und Virginia Woolf. Sie beherrscht den innigen Volksliedton ebenso wie Londons Straßenslang, wandelt virtuos zwischen lyrischer Tradition und Hip-Hop. Ihre Gedichte bemächtigen sich auf radikal heutige, politische Weise des antiken Mythos von Teiresias, einer zweigeschlechtlichen Figur, von den Göttern geblendet und prophetisch begabt. In vier Teilen folgt der Zyklus dem Kind, dem Jüngling, der Frau und dem Mann, vermittelt eindrucksvoll, wie es ist, alt zu werden und „sehend“, dazu verurteilt, unserer neoliberalen Gesellschaft die Wahrheit zu sagen – und keiner hört zu.
Suhrkamp Verlag, Klappentext, 2016
– In ihrem Gedichtband Hold Your Own versetzt die britische Spoken-Word-Poetin Kate Tempest antike Gestalten ins London von heute. Obwohl ihre Texte für den Vortrag geschrieben sind, funktionieren sie auch auf Papier. –
Der Legende nach hatte er sieben Leben: der blinde Seher Teiresias. Kate Tempest macht die Figur des griechischen Mythos wieder lebendig, lässt sie in verschiedenen Rollen und Lebensaltern auftreten: als 15-jährigen Schüler, als junge Frau, als erwachsenen Mann und als verwirrt umherirrenden Greis.
Brand New Ancients hieß der erste Lyrikband der 1985 geborenen Autorin. 2013 erhielt sie dafür den renommierten Ted Hughes Award. Auch die Gedichte in Hold Your Own versetzen antike Sagengestalten in die Gegenwart.
Der Orakelpriester Teiresias, der mehrfach sein Geschlecht wechselt, wird für Kate Tempest zu einer Symbolfigur der Selbstsuche. „Während wir im Netz Identitäten sammeln / Und in unsere Smartphones glotzen“ lebe Teiresias vor, „Was es heißt: sich zu behaupten“ und sich beim Polieren diverser Profile nicht selbst zu verlieren.
Tiresias – you teach us
What it means: to hold your own.
Die Sprache der Gedichte ist hochmusikalisch und reich an sinnlichen Bildern. Zwei Schlangen beim Liebesspiel entfesseln einen Tanz von Reim und Rhythmus. Die Haltung hinter den Texten ist freilich nicht brandneu.
Mit dem selbstbewussten Künstlernamen „Tempest“, der an William Shakespeares Sturm erinnert, stellt die Autorin sich in eine lange Tradition. Das kürzeste Gedicht des Bandes trägt den Titel „Seufzer“ (Sigh), es lautet:
I saw the best minds of my generation destroyed by payment plans.
–
Ich sah die besten Köpfe meiner Generation an Ratenzahlungen zugrunde gehen.
Eine Replik auf das Gedicht Howl (Das Geheul) von Allen Ginsberg, eine Hymne der Beat Generation.
Kate Tempest ist eine würdige Enkelin der Beat-Poeten. Ihre Texte sind für den Vortrag geschrieben. Auf der Bühne feiert sie Erfolge als Rap-Musikerin und Slam Poetin: Es gilt das gesprochene Wort.
Funktioniert ihre Kunst also überhaupt auf Papier? Ja, denn bei diesem Ebenen-Sprung geht zwar manches verloren, aber es gibt auch einen Mehrwert. Als Zuhörer kann man den blitzschnellen Wendungen der Texte oft kaum folgen. Wer sie vor Augen hat, lernt ihre handwerkliche Qualität erst wirklich zu schätzen.
Der Übertragung ins Deutsche widersetzen sich die Gedichte dagegen weit mehr. Immer wieder gelingen der Übersetzerin Johanna Wange Passagen, die eine eigene poetische Kraft entfalten. Aber an den Sog des Originals reichen sie kaum heran.
Auf Reime wurde weitgehend verzichtet. Worte, die auf Englisch lässig hingeworfen klingen, wirken auf Deutsch nicht selten etwas antiquiert – „nächtens“, „schulwärts“, „frohgemut“, „geflissentlich“. In der zweisprachigen Ausgabe sind solche Misstöne leicht zu verschmerzen. Hold Your Own enthält ja ohnehin nur die Partitur zu Tempests Teiresias-Zyklus.
Wer wissen will, wozu diese Autorin imstande ist, kann es jetzt schwarz auf weiß nach Hause tragen. Wer sich ihrer Kunst hingeben möchte, muss Kate Tempest hören.
Kate Tempests zweiter Gedichtband Hold Your Own beginnt mit dem Langgedicht „Tiresias“.
Nach den ersten Seiten dachte ich „Hm, okay. Wenn das nun so weitergeht…?“.
Also erstmal schnell im Internet nach Teiresias gesucht, den ersten Text nochmal gelesen und dann hat es Klick gemacht. ? Die antike Figur des Teiresias und das, was Kate Tempest daraus in ihrem Gedichtband gemacht hat, faszinierten mich auf einmal.
Laut griechischer Mythologie war Teiresias (kurz gefasst) ein blinder Prophet, der sowohl Mann als auch Frau und schließlich wieder Mann war, in einer Streitfrage gegenüber Hera und Zeus die Wahrheit sprach und dafür bestraft wurde. Er gilt nicht nur als unfehlbarer Seher, sondern verkörpert ebenso die geschlechtliche Ambivalenz.
Kate Tempest überträgt ziemlich kreativ den Lebenslauf Teiresias in die aktuelle Zeit und nimmt uns mit durch die Stationen Kindheit, Frausein, Mannsein und Greissein mit all den Erlebnissen, Empfindungen, Fragen und Unsicherheiten, die das jeweilige Sein begleitet. Teiresias wird dabei zu einer Symbolfigur der Selbstsuche und des titelgebenden Sich-Behauptens.
Kate Tempest ist vor allem als Rapperin bekannt. Ihre Sprache ist direkt, auch etwas „rotzig“. Der Rhythmus ihrer Worte reißt einen – jedenfalls im englischen Original – automatisch mit. Die direkt gegenüberstehende Übertragung von Johanna Wange ins Deutsche (sicherlich keine dankbare Aufgabe!) ist zum Textverständnis hilfreich, aber leider ohne diesen besonderen Zauber.
Und wie es so treffend in einem Gedicht heißt „Language lives when you speak it. Let it be heard.“, kann ich euch sehr empfehlen Kate Tempest und ihrer starken Stimme z.B. einmal auf youtube zuzuhören.
Lyrik und ich, wir werden echt selten warm. In meinem Sprechkunststudium bin ich immer wieder mit ihnen in Kontakt gekommen. Wenn es gefunkt hat, dann richtig. Aber das passiert eben nicht oft. Ich möchte Geschichten lesen und diese fehlen mir bei Lyrik oft. Ich habe Hold Your Own gelesen, weil ich von dem Roman von Kate Tempest sehr mochte. Ich weiß von ihren Songs, dass dort die Protagonisten des Romans wieder auftauchen. Ich hoffte, das sei auch hier der Fall. Ist es nicht, zumindest nicht direkt. Aber man liest aus ihren Gedichten das selbe Milieu heraus, die gleichen Probleme, die gleichen Themen.
Aber eben in Gedichten. Wenn ich die Geschichte in ihnen finde, funktioniert das für mich. In seltenen Fällen, wenn ich nur die Atmosphäre spüre. Es gibt Sätze, Passagen oder ganze Gedichte, die ich mag.
Aber größtenteils bin ich darauf zurückgeworfen, wenigstens den Flow zu spüren, den Rhythmus, der den Originalfassungen so stark inne wohnt, dass man nicht drumherum kommt, ihn zu spüren. Dies ist das Tolle an dieser Version: Man bekommt die Originalfassung neben der deutschen Übersetzung. Leider kommt diese überhaupt nicht an das Original ran. Ich ahne, wie schwer Lyrikübersetzungen sind. Diese reicht, um mal etwas nachzusehen, was man im englischen nicht versteht, aber sie ist in keiner Hinsicht ein Ersatz.
Ich werde mir wohl keine Gedichte mehr von Kate Tempest durchlesen, da warte ich lieber auf ihren nächsten Roman.
Kristoffer Cornils: Im Testosterondunst
fixpoetry.com, 24.6.2016
Mario Osterland: Written to be read aloud
signaturen-magazin.de
Anna Mayrhauser: „Die üblichen Träume, der übliche Trott“
missy-magazine.de, 22.6.2016
Timo Poensgen: Kate Tempest – Hold Your Own
ahoimag.de
Florian Kessler: Kate Tempest – Hold Your Own
lyrikempfehlungen.de
– Die Britin Kate Tempest ist die Schriftstellerin der Stunde. Sie rappt, sie macht Lyrik, schreibt Dramen. Ein Gespräch über ihren ersten Roman, Gentrifizierung und die Politisierung ihrer Generation.
Wenn man Kate Tempest durch ihre Arbeit kennengelernt hat, durch ihre Gedichte, ihre Rap-Platten, ihre Lyrik-Performances und ihren gerade erschienenen Debütroman Worauf du dich verlassen kannst, könnte man fast ein wenig Angst bekommen. Die 30-jährige Londonerin ist eine sprachliche Naturgewalt, eine Frau, die sich auf der Bühne völlig verausgabt, der Welt ein paar Hundert Wörter pro Minute entgegenschleudern kann und bei der die Sprache ständig über die Ufer tritt. Trifft man sie zum Interview, sitzt man einer leise und bedachtsam sprechenden Person gegenüber. Sie will nicht einschüchtern, sondern sich unterhalten. Sie will nichts vermarkten, auch nicht ihren Roman, den sie auf einer kleinen Lesereise in Deutschland vorstellt, sondern darüber Auskunft geben, was ihr wichtig ist – das Schreiben, die Sprache, und dass die Menschen endlich damit beginnen, empathisch zu werden. –
Peter Praschl: Es heißt, Sie hätten die erste Version Ihres Romans in einem Tourbus geschrieben, und zwar innerhalb von nur vier Wochen.
Kate Tempest: Das stimmt nicht ganz. Im Tourbus ist die dritte Fassung entstanden, und das hat sechs Wochen gedauert. Für den ersten Entwurf habe ich eine Woche gebraucht. Ich habe praktisch ununterbrochen in ein Notizheft geschrieben, vom Anfang bis Ende der Geschichte, weil ich herausfinden musste, ob ich in einem Roman überhaupt atmen konnte.
Praschl: Von welchem Umfang reden Sie?
Tempest: Es war ungefähr halb so lang wie der Roman, den Sie gelesen haben. Der zweite Entwurf war dann drei- oder viermal so dick.
Praschl: Sie haben also beim Schreiben wieder viel verworfen.
Tempest: Das ist es schließlich, was einen Schreiber ausmacht. Man muss Opfer bringen. Wenn man 30.000 Wörter wegwirft, ist das ein fantastisches Gefühl, weil es dem Werk guttut.
Praschl: In manchen Besprechungen in der englischen Presse hieß es allerdings, ein beherzt kürzender Lektor hätte Ihnen gut getan. Die Kritiker waren davon irritiert, dass Sie die Familiengeschichten jeder Ihrer Figuren erzählen, ohne dass das für die Handlung des Romans bedeutsam wäre.
Tempest: Meine Vorstellung war, dass mein Roman eine Übung in radikaler Empathie sein sollte. Jede Person hat ihre eigene Geschichte, und jede dieser Geschichten ist genauso wichtig wie alle anderen. Ich wollte zeigen, dass in der Gegenwart Myriaden vergangener Dinge stecken. Aber mir ist schon klar, dass von einem Romanautor nicht wirklich erwartet wird, so etwas zu tun. Mir war es dennoch wichtig.
Praschl: Bis jetzt haben Sie Lyrik und Hip-Hop vorgetragen. Wie ist es für Sie, nun aus einem Roman zu lesen? Sind Sie zufrieden mit Ihren Lesungen in Deutschland?
Tempest: Ja, aber sie sind ein wenig anders als hierzulande üblich. Der Verlag hat mir gesagt, hier würden Lesungen normalerweise so aussehen, dass vorne jemand sitzt und dreißig oder vierzig Minuten lang vorliest. Meiner Erfahrung nach funktioniert so etwas nicht besonders gut. Den Leuten dauert das viel zu lange, und ich kann das gut verstehen. Romane werden schließlich dafür geschrieben, dass man sie für sich alleine liest, in dem Tempo, das für einen selbst am besten ist. Also habe ich beschlossen, kürzer zu lesen, zwischendurch auch ein paar Gedichte vorzutragen, und mich mit dem Publikum zu unterhalten.
Praschl: Dass Sie sich jetzt mit einer für Sie neuen Form von Literatur auf der Bühne bewähren müssen, macht Ihnen offensichtlich keine Angst.
Tempest: Ich habe ja als Rapperin begonnen. Mein Weg in die Literatur führte über die Performance. Deswegen habe ich auf einer Bühne nie Furcht empfunden.
Praschl: Wie ist es gekommen, dass Sie Rapperin sein wollten?
Tempest: In South London, wo ich aufgewachsen bin, war das die dominierende Kultur. Ich war mit vielen Jungs befreundet, die gerappt haben. Und es ist nicht sehr überraschend, dass jemand, der Wörter und Sprache liebt, sich von dieser Kultur angezogen fühlt. Als ich mit zwölf, dreizehn zum ersten Mal Hip-Hop gehört habe, ist für mich ein ganzes Universum aufgegangen, und ab vierzehn, fünfzehn habe ich alles dafür getan, das auch selbst zu machen. In meinen späten Teenager-Jahren habe ich mir ganz ernsthaft geschworen, mein Leben dem Schreiben zu widmen, nachdem ich gemerkt hatte, dass es alles war, was ich vom Leben wollte. Es ist immer noch so, dass sich mein Leben falsch anfühlt, wenn ich mal ein paar Tage nicht geschrieben habe.
Praschl: Dann haben Sie die Schule geschmissen…
Tempest: Das ist eine falsche Geschichte, die über mich erzählt wird. Die Wahrheit ist: Ich bin ab 14, 15 nicht mehr zur Schule gegangen, aber ich habe ganz normal meine Prüfungen abgelegt. Ich hatte keine gute Zeit in der Schule, und deswegen haben mir die Lehrer erlaubt, die Prüfungen abzulegen, ohne am Unterricht teilnehmen zu müssen, weil sie merkten, dass ich ein aufgewecktes Kind war. Danach habe ich am College Musik studiert und schließlich begonnen, an der Universität Literatur zu studieren.
Praschl: Zu Ihrem Ruhm hat auch beigetragen, dass in Ihren Texten auch Echos von Klassikern auftauchen, die man von einer Rapperin nicht unbedingt erwartet – Sophokles zum Beispiel oder William Blake.
Tempest: Mir kommt das nicht so ungewöhnlich vor. Hip-Hop ist eine wahnsinnig wache Szene. Das sind ja lauter Leute, die rettungslos in Sprache verliebt sind und denen es ständig darum geht, gute Verse zu machen. Als ich Teenager war, waren die belesensten und intelligentesten Menschen, die ich kennengelernt habe, Hip-Hopper.
Praschl: Mir ist in Ihrem Roman ein Zug zur politischen Resignation aufgefallen. Die jungen Leute, die Sie da beschreiben, haben nicht die geringste Hoffnung, dass sie von der Politik noch etwas zu erwarten haben.
Tempest: Ich will nicht darüber sprechen, wo ich politisch stehe, das wäre redundant: Was ich über die Welt denke, steht ja in meinem Werk. Allerdings glaube ich, dass wir aufhören sollten, uns von Politik trennen zu lassen. Kunst schafft es, die Menschen sich selbst und einander näher zu bringen, ein Roman kann einem Empathie beibringen. In der Politik geht es immer darum, dass jemand sagt: Ich habe recht, und du nicht. Dafür haben wir keine Zeit mehr.
Praschl: Es gibt aber auch politische Bewegungen, die Menschen dazu bringen wollen, in ein großes gesellschaftliches Palaver darüber einzutreten, wie wir leben sollten – Occupy zum Beispiel oder neuerdings Nuit debout.
Tempest: Ich habe das Gefühl, dass uns die Zeit davonläuft. Wir leben in einer Zeit, in der es wahnsinnig viel Kommunikation, aber wahnsinnig wenig Verbindung zwischen den Leuten gibt. Und ich bilde mir ein, dass Kunst besser darin ist, dass Menschen einander zuhören.
Praschl: Kann man Ihren Roman als Kritik an Gentrifizierung wahrnehmen? Das London, das Sie beschreiben, wird ja zunehmend unwirtlicher und unerschwinglicher für junge, gebildete, ehrgeizige Menschen, es gehört nur noch jenen, die Geld haben.
Tempest: Ich habe das nicht als Kritik beabsichtigt. Der Roman spielt eben im London der Gegenwart, und deswegen hält man ihn möglicherweise für eine Art Kritik, während er nur der Versuch war, die Gegenwart möglichst genau zu erfassen. Für mich ist es ein wenig irritierend, wie ungehalten wir werden können, sobald wir bemerken, dass sich etwas in unserer allernächsten Umgebung verändert. Aber auf einer größeren Skala ist das ja nichts – verglichen mit den Veränderungen, die dem Planeten widerfahren. Gerade wird zum Beispiel im australischen Queensland eine gigantische Kohlemine eröffnet, die direkte Auswirkungen auf das Great Barrier Reef haben wird. So etwas kommt mir sehr viel bedeutsamer vor, als dass in London die Mieten steigen. Wir sollten viel globaler denken.
Praschl: Sind Sie manchmal von Ihrer Berühmtheit irritiert?
Tempest: Nein, sie ist etwas sehr Abstraktes. Wenn man sich darum bemüht, immer besser zu werden bei dem, was man macht, nimmt einen das völlig in Anspruch. Ich denke über meine Arbeit nach, über das Schreiben und über das Performen, und versuche, in beidem besser zu werden. Da hat man keine Zeit mehr, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie das von jemandem wahrgenommen werden könnte. Aber ich bin dankbar dafür, tun zu können, was ich tun will, meinen Lebenstraum verwirklichen zu können. Und es bedeutet mir viel, dass sich so viele Menschen davon angesprochen fühlen.
Kate Tempest: NPR Music Tiny Desk Concert.
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