in der luft liegt etwas
auf einer membran
aus spannung:
noch fällt es kaum
ins gewicht
der welt
hat Ludwig Laher immer Gedichte geschrieben; vielleicht als eine Art Gegengewicht zum strengen, oft dem Dokumentarischen nahen Erzählen. In seinen Gedichten nimmt er die Sprache beim Wort und ihre Bestandteile auseinander, dreht sie und verdreht sie und macht so immer neue unerwartete Sinnschichten sichtbar. Kurz und konzentriert sind die meisten Gedichte, (Selbst-)Vergewisserungen, (Selbst-)Infragestellungen, Einladungen zu gemeinsamem Nachdenken und Nachspüren.
Lahers Gedichte unternehmen Denkbewegungen. Sie sind ausbalancierte Momentaufnahmen, halten die Dauer fest und die Veränderung.
Wallstein Verlag, Klappentext, 2015
Elementare Fragen lassen sich wenn überhaupt meist nur durch ein Gedicht klären, weil dieses ebenso unvermittelt daher kommen kann wie eine Frage.
In Ludwig Lahers Inschrift was hält mich lässt sich eine Suche nach den Parametern für Orientierung genauso herauslesen wie der beinahe schon finale Seufzer, „was hält mich (noch)“.
In knapp siebzig Gedichten kommen Selbstzweifel, Abtasten der Umwelt, Sortieren der eigenen Absichten wie physikalische Grundgesetze zum Vorschein. Oft unter hohem Druck verdichtet explodieren die Verse geradezu oder entfahren einem gequälten Körper mit einem schrillen Pfiff.
auf freiem feld
stehe ich an:
kein hindernis
außer mir (S. 11)
mit ausladenden schritten
gehe ich mir aus dem weg
längst außer sichtweite erst
drehe ich mich um nach mir (S. 12)
Die Gedichte sind knapp gehalten, als wollten sie eher an eine Wand projiziert werden als in einem Buch verschwinden, sie haben den Charakter von Sprichwörtern, Lebensweisheiten oder aber auch therapeutischen Notizen, mit denen jemand einen aufgekratzten Seelenzustand für nachforschende Überlegungen warm halten möchte. Die Gedichte tragen keine überflüssigen Überschriften, der erste Worteinsatz ist markant genug, um ihm Charakter und Zitierfähigkeit zu geben, wie sich an der Aufzählung im Inhaltsverzeichnis nachlesen lässt.
„Wegen nichts“ / „zurück“ / „ab und zu“ / „wovon“ / „verstimmt“, wenn man sich in den markanten Laher’schen Ton eingelesen hat, springen die Texte bereits an, wenn man nur ihre Schlüsselwörter streift.
Natürlich wimmelt es nur so von Meta-Ebenen, Anspielungen und Sub-Tönen. Es wäre frech zu glauben, die Einfachheit des ersten Eindrucks ließe auf etwas Einfaches schließen, im Gegenteil, gerade in der Reduktion steckt die größte Verschränkung. So ist etwa das Motiv der Ruder spätestens seit den Eingelegten Rudern C.F. Meyers ein starker Ansporn für die Entschleunigung einer kochenden Seele. „aus dem ruder / in die quere / aus der quere / in das ruder / aus dem ruder / in die quere“ (S. 44) „die jahre kommen / und gehen // in die jahre kommen / und gehen“ (S. 47)
Das Wesen eines lyrischen Ichs, der Schreibvorgang, die Leistung der Lyrik kommen in mehrfachen Denkansätzen zur Sprache.
ich nahm mein gedicht
aus dem kopf
und ließ es frei:
katzengleich durchstrich es
den verwilderten garten
verlor sich im grün
als ich kurz bei mir war
unaufgezeichnet
wird es bestehen
mich streifen im traum
oder mein kind
mit einem bild
mit einem klang (S. 63)
Ludwig Laher spricht die Leser an, indem er ihnen nichts schenkt. Nur wer sich mit sich selbst beschäftigt vermag die Auskunft, die in den Gedichten steckt, abzufragen. – Eine poetisch psychologische Form zur Selbsterkenntnis.
Helmuth Schönauer, aus Helmuth Schönauer: Tagebuch eines Bibliothekars, Bd. V, 2013–2015, Sisyphus, 2016
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