ALFRED MOMBERT
Es war zur Nacht
Es war zur Nacht, da ich ins Meerhorn stieß.
Es war zur Nacht, da ich zum Aufbruch blies.
Es war zur Nacht, da ich den Strand verließ.
Mein Boot lag in der Mondquelle.
Ich stand in vollendeter Helle.
Ich stand schlafähnlich starr auf silbernem Kies.
1909
„O Mensch, ich hob dich in alle Himmelsräume! O Mensch, ich gab dir meine Gott-Planetenträume!“ Mit solchen Versen, erstmals 1897 im Band Die Schöpfung gedruckt, verkündete der Dichter Alfred Mombert (1872–1942), ein Wegbereiter des Expressionismus, sein lyrisches Evangelium der kosmischen Dichtkunst. Tatsächlich führen seine mit hymnisch-pathetischer Sprache aufgeladenen Gedichte zu fernen kosmischen Gestirnen. Natur-Phänomene und Alltags-Dinge werden zu Bestandteilen einer visionären Traumwelt.
Ein Augenblick mystischen Ergriffenseins in einer Mondnacht – die erstmals 1909 im Band Der himmlische Zecher veröffentlichte Miniatur erstrahlt in einem eigentümlich blendenden Licht. Mit seinen kosmischen Phantasien erregte Mombert, der Sohn eines jüdischen Kaufmanns aus Karlsruhe, bald den Zorn der nationalsozialistischen Barbaren. Mombert wurde 1933 aus der Preußischen Akademie der Künste ausgestoßen und 1940 in ein Konzentrationslager in Südfrankreich verschleppt. Freunde retteten ihn und brachten ihn in die Schweiz, wo er 1942 an den Folgen der Haft starb.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
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