Barbara Maria Kloos’ Gedicht „Um ein Klosterpförtchen geschart“

BARBARA MARIA KLOOS

Um ein Klosterpförtchen geschart

Als er über die schmale Stiege in ihren Rücken eintrat,
sah er, daß auch diese Schönheit ihre dunkle Innen
seite hat. Ein Kormoran schoß wie ein gefiederter
Wurfspeer in die Tiefe, kam mit dem Fisch im
Schlund zurück. Jetzt saßen die Vögel mit
dem Ring um den Hals zu Füßen der
Männer, über ihrer Beute spielten
die Blütenzweige hoher Bäume. Er
kroch weiter zwischen Pechfackeln in
ihrem Leib herum, um sich mit dem Kopf
bald im Hohlraum ihrer Knie, bald in der Beuge
der Arme zu stoßen. In diesem Tempel schlief das
Abenteuer. Doch bei der Ausfahrt, welcher Schweif.

nach 2000

Originalbeitrag

 

Konnotation

Worte für unsere Körperlichkeit zu finden, ist Programm bei der 1958 in Darmstadt geborenen Barbara Maria Kloos: „Literatur muß wehtun, immer sind es Fetzen, Brüche, Schmerzlasuren, die meine Arbeit entzünden“, verrät die Dichterin in einer Selbstauskunft. Ob Montage, Persiflage, Zitat oder Überblendung – Kloos bedient sich vielfältiger stilistischer Figuren, um uns in ihren Gedichten in unserer Leiblichkeit und Verletzlichkeit zu zeigen.
Deutlich ist die erotische Konnotation dieses Gedichtes, in dem aus einer Distanz heraus beschrieben wird, wie eine männliche Person in den „Rücken“ einer weiblichen Person eintritt, durch einen das „Klosterpförtchen“ genannten Eingang. Eine seltsame, entrückt-märchenhafte Welt voller Zeichen und Wunder tut sich daraufhin auf, genannt „die dunkle Innenseite“ der Schönheit. Eine Welt des Abenteuers ist das, in der Beute gemacht wird und Schönheit und Gefahr nah beieinander liegen: wer den Tempel betreten will, darf das Risiko nicht scheuen.

Volker Sielaff (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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