BARTHOLD HEINRICH BROCKES
Die Welt ist allezeit schön
Im Frühling prangt die schöne Welt
In einem fast smaragdnen Schein.
Im Sommer glänzt das reife Feld
Und scheint dem Golde gleich zu sein.
Im Herbste sieht man, als Opalen,
Der Bäume bunte Blätter strahlen.
Im Winter schmückt ein Schein, wie Diamant
Und reines Silber, Flut und Land.
Ja kurz, wenn wir die Welt aufmerksam sehn,
Ist sie zu allen Zeiten schön.
nach 1720
Das Leben des demutsvollen Naturdichters Barthold Heinrich (auch: Hinrich) Brockes (1680–1746) verlief in sehr geordneten Bahnen: Der Sohn einer gut situierten Hamburger Kaufmanns-Familie exponierte sich als Ratsherr und Diplomat, gründete 1714 die Teutschübende Gesellschaft und machte es sich schließlich zur Aufgabe, Irdisches und Himmlisches zu verbinden im poetischen Lob der göttlichen Schöpfung.
Die lyrische Wiederverzauberung der Welt, ihre Einbettung in Logos und Liebe des Schöpfergottes, realisierte der von seinen Zeitgenossen als „Fürst der Dichter“ verehrte Brockes in einem monumentalen Gedichtwerk: Zwischen 1721 und 1748 erschien sein Irdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Zu allen Jahreszeiten erstrahlen hier die Naturphänomene in auratischer Schönheit. Die harmonische Einheit von sinnlicher Weltwahrnehmung und Gottvertrauen ist nach Brockes’ Tod im Gefolge der Aufklärung zerbrochen.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
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