BEATRIX HAUSTEIN
müde waren wir u. schliefen mit dem licht
aaaaaunsre ellenbogen waren rötungen
verstoßene wärme u. zu
neigung wir hatten hunde arme
treuediener u. katzen die wieder
kamen wenn sie sich rum
getrieben sie haben sich
aaaaanicht von uns unter
schieden wir sind uns auch
treu geblieben wir waren mager
u. verzweifelt u. Hingen
am einzgen licht abends u.
aaaaanachts schliefen wir an leuchtstoff
an röhren den kopf schief an
gelehnt u. dann irgendwer (u. irgendwann)
griff in die fassung
oder hing am heizkörper dran
aaaaawie ein hund mit dem strick
um den hals wir suchten
das glück
das war ein spiel ein trauriges lied
um 2000
aus: Beatrix Haustein: Milch. Edition Solitude, Stuttgart 2004
Die Gedichte der jung verstorbenen Dichterin Beatrix Haustein (1974–2002) singen ein „trauriges Lied“. Als die zwanzigjährige Debütantin erkannte, dass ihr Gedichtband Purpurrot, Inzest ist Mord an der Seele (1994) in außer-literarische Kontexte und die sogenannte „Missbrauchs“-Debatte geriet, ließ sie ihr Buch wieder vom Markt nehmen und zog sich von der großen Öffentlichkeit zurück. Den Gedichtband Schwanenlied und den Roman Milch konnte sie nicht zu Ende führen.
Die Texte ihres letzten Gedicht-Manuskripts sprechen vom Verstoßenwerden und vom Verlassensein eines Ich, das keinen Weg mehr aus der Verzweiflung findet. Überall drängen sich Erfahrungen der Verletzung und finstere Phantasien vor die Selbstvergewisserung des lyrischen Subjekts, das sich als gefangenes Tier imaginiert. Bausteins verstörende Gedichte aus dem Nachlass kreisen um Hölderlins berühmtes Poem „Hälfte des Lebens“ – Grenzgänge im Heillosen.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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