Bertolt Brechts Gedicht „Rudern, Gespräche“

BERTOLT BRECHT

Rudern, Gespräche

Es ist Abend. Vorbei gleiten
Zwei Faltboote, darinnen
Zwei nackte junge Männer: Nebeneinander rudernd
Sprechen sie. Sprechend
Rudern sie nebeneinander.

1953

aus: Bertolt Brecht: Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, Band 12: Gedichte 2. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1988

 

Konnotation

Bertolt Brechts (1898–1956) „Bukower Elegien“ können als Muster verstanden werden für die komplette Neudeutung einer alten Gedichtform. Doch während die antike Elegie den Verlust einer ehemals idealen Welt beklagt und ihr bürgerliches Pendant den Widerspruch zwischen Ideal und Wirklichkeit bedichtet – letztlich um in beiden Fällen staatstragend zu sein – soll Brechts Anspruch zufolge die Elegie einer kritischen Hinterfragung der eigenen Ansichten dienen.
Auch heute noch bleibt viel Deutungsspielraum bei Brechts Elegien. Kaum einer der Texte enthält eine „Klage“, wie die Gattung verknappt auch genannt werden könnte. Eber schon markieren diese Gedichte einen Stillstand, eine Art Schweigen vor den politischen Umständen. 1953, kurz nach dem 17. Juni geschrieben, muss der Dichter durch diese Texte seine eigene Ohnmacht erkennen, da der Dialog zwischen den aufbegehrenden Arbeitern, dem SED-Regime und dem Dichter selbst kaum möglich ist.

Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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