BRIGITTE OLESCHINSKI
der süßliche
Duft wieder im Paradies – eben noch atmend, der Koffer
auf der Bank, eben noch flüsternd, das Hand-
phone im Bus, ein Duft
nach schwarzen Honigfliegen, nach geronnener
Milch im welt-
zerspannenden Zündnetz
nach 2000
aus: Brigitte Oleschinski: Geisterströmung. DuMont Buchverlag, Köln 2004
Ein poetisches Gespinst aus sinnlichen Wahrnehmungen, das ständig seine Aggregatzustände ändert – das ist die „Geisterströmung“ der Dichterin Brigitte Oleschinski (geb. 1955). Am Ausgangspunkt dieser fragilen Texturen steht die Begegnung der Dichterin mit den Bewusstseinsreizen südostasiatischer Kulturen, die als Entzündungsmomente die lyrische Imagination vorantreiben. Oleschinski selbst spricht von „oszillierender Wahrnehmung“, von einem „Ticken im Körper, das von einem winzigen, unwägbaren Stich in Gang gesetzt wird“.
Alle Sinne werden in diesen Gedichten mobilisiert: das Riechen, Schmecken, Hören, Sehen und Tasten – es geht um eine Poesie, die „vollkommen sinnliche Rede“ (Lessing) sein will. Oleschinskis nach 2000 entstandenen Gedichte laufen nicht unverwandt auf eine Botschaft oder gar eine Pointe zu – sie zerstreuen die sinnlichen Sensationen, um sie dann wieder zu bündeln in einer phänomenologischen Leuchtspur.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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