Brigitte Struzyks Gedicht „Lieber“

BRIGITTE STRUZYK

Lieber

Leg dich schief     Stell dich tot
aaaaaaaklapper mit den Zähnen
zieh dir den Scheitel über
aaaaaaaaaaaaaaden Horizont
und fahr den Schacht ein über den Hintern
gib zwischen die Rippen es ab
Mach weiter Mach weiter
aaaaaaaaaaaaaaMach immer so weiter
aaaaaaaaaaaaaahör bitte nicht auf
aaaaaaaaaaaaaaEs ist nie zu Ende
aaaaaaaaaaaaaafängt es wirklich an

vor 1990

aus: Die Wärme die Kälte des Körpers des andern. Liebesgedichte. Hrsg. von Kurt Drawert. AufbauVerlag, Berlin 1988

 

Konnotation

Seltsam allegorisch mutet Brigitte Struzyks Gedicht an, das der Titel bereits vieldeutig macht. Je nachdem wie man die Gestik dieser Zeilen wertet, verändert sich die Ausdeutung des Gedichts: Struzyks „Lieber“ ließe sich so als Beziehungsgedicht deuten, das in imperativischem Ton zugleich ein Statement über das Leben abgibt. So gelesen würde das Subjekt des Gedichts einem anderen Befehle erteilen, es erniedrigen und zu einem kleinen Rädchen machen.
„Es ist nie zu Ende / fängt es wirklich an“. Gleichzeitig kann das Gedicht der 1946 im Thüringischen geborenen Autorin über die Gestik als eine Art Stundenlied aufgefasst werden, dessen Subjekt einem anderen Ratschläge erteilt, wie es in der Welt zugeht, die hier seltsam verengt erscheint, und wie es sich zu bewegen gilt darin, um zu existieren.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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