DANIEL CZEPKO VON REIGERSFELD
Fragment
Wo Freiheit ist und Recht, da ist das Vaterland,
Dies ist uns aber nun und wir ihm unbekannt:
Es streite, wer da will. Es ist dahin gekommen,
Der falsche Frieden hat das Land nun eingenommen:
Die Faulheit aber uns. Doch wüte dar und hier,
Auch aus der Asche wirft die Freiheit Flammen für,
Die kein Blut nicht verlöscht. Lass alle Kirchen schließen
Und jage Gott selbst aus, er kommt in die Gewissen.
nach 1632
Eine Verszeile aus der Barockzeit liest sich wie ein leidenschaftliches Bekenntnis zum modernen Verfassungspatriotismus – das darf man eine literaturhistorische Überraschung nennen. Der Dichter aber, der hier das Gefühl der Zugehörigkeit zu einem Vaterland an die Verwirklichung von Freiheit und Recht koppelt, hatte wenig Anlass zum Enthusiasmus. Daniel Czepko von Reigersfeld (1605–1660), ein schlesischer Mystiker und Verfasser zeitkritischer Epigramme, hatte die Grausamkeiten des Dreißigjährigen Kriegs erlebt und von daher allen Grund, vor einem „falschen Frieden“ und der „Faulheit“ der Überlebenden zu warnen.
Lange Jahre musste Czepko die Belagerung, Plünderung und Brandschatzung seiner Heimatstadt, des protestantischen Schweidnitz mitansehen, bevor er aus der Stadt floh. Am Ende seines verzweifelten Gedichts, das nach 1632 entstand, plädiert Czepko vehement gegen den Terror der katholischen Gegenreformation, für die Schließung der Kirchen und für die Gewissensfreiheit.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007
Schreibe einen Kommentar